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Mittwoch, 11. Dezember 2024
Kurioses aus der Lebensmittelbranche, oder: Werbung lügt nicht

Ein Blick hinter das Regal

Über den Rand | Stefanie Bruckbauer | 21.05.2023 | Bilder | | 2  Meinung
Ich fand es ist Zeit mal einen Blick in eine andere Branche zu werfen. Wir tun das viel zu selten, konzentrieren uns ausschließlich auf die Elektrobranche, dabei ist das ganz lehrreich auch mal einen Blick über die Grenzen zu werfen – auch um festzustellen: Wir jammern gerne, weil es in unserer Branche manchmal gar nicht so leicht ist. Dabei haben wir es gar nicht so schlecht. Bewusst wird einem das zB. wenn man einen Blick in den Lebensmittelbereich wirft.

Ich bin nun seit 13 Jahren in der Branche, beschäftige mich nahezu täglich mit dem Elektrohandel und allem was damit zusammenhängt. Da bleibt nicht viel Zeit übrig, um auch mal einen Blick in andere Branchen zu werfen. Dabei ist das höchst interessant, wie ich letztens feststellte.

Auf Grund des eigenen Nutzungs- und Surfverhaltens im Internet, bzw. daran angepasst, bekommt man von Google & Co. ja Themen-Vorschläge geliefert, die einen interessieren könnten. Nachdem ich mich bei meinen beruflichen Recherchen im Internet viel mit dem Thema „Handel“ beschäftige, privat zudem viel zu den Themen Kulinarik, Wein und Lebensmittel surfe, hat mir mein Browser irgendwann einen Artikel einer österreichischen Informations-Plattform vorgeschlagen, die u.a. Missstände, Beschiss und Verschleierung in der (heimischen) Lebensmittelbranche aufzeigt. Die dort veröffentlichten Beiträge sind teilweise so interessant, spannend, informativ, aber auch erschreckend, dass ich immer öfter reinschaute und mittlerweile sogar ein Leserabo abgeschlossen habe.

Wussten Sie, ….

Vier Konzerne kontrollieren 95% (!) des Lebensmittelangebots in Österreich.

…, dass die Marktkonzentration im Lebensmittelhandel nirgendwo so groß ist wie in Österreich? Vier Konzerne – davon drei aus dem Ausland – kontrollieren 95% (!) des Angebots. Und diese Marktmacht führt scheinbar zu systematischem Missbrauch, wie auch der erste (u.a. auf anonym im Fairnessbüro eingelangten Meldungen basierende) Bericht der Beschwerdestelle betreffend Handelspraktiken im Landwirtschaftsministerium (mit Norbert Totschnig als Minister) zeigte. Demnach würden österreichische Lieferanten von den Handelskonzernen gezielt unter Druck gesetzt. Sie müssen Rabattaktionen mittragen und selbst bezahlen, auch wenn sie nicht über Höhe, Dauer oder Art der Aktionen mitentscheiden können. Produzenten würden dazu genötigt auch für die Eigenmarken der Handelskonzerne zu produzieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen ausgelistet zu werden. Immer wieder werde den Produzenten mit Auslistung gedroht, gezielt emotionaler Stress erzeugt und „das Ungleichgewicht durch die milliardenschweren Händler schamlos ausgenutzt“.

Diese extreme Dominanz der Handelskonzerne ist bereits seit vielen Jahren ein Thema, das jedoch nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Zu groß ist die Angst vor einer Auslistung oder anderen „Strafen“, wie es im Bericht weiter heißt. Diverse Initiativen fordern nun neue gesetzliche Regeln. Es müsse mit aller Konsequenz unterbunden werden, dass „multinationale Konzerne ihre Macht weiterhin so ungeniert zum Nachteil von allen missbrauchen“. Es wird an die Politik appelliert, sich wirkungsvolle Maßnahmen im Kampf gegen diesen Missbrauch zu überlegen …

Doch, das ist nur ein Problem von vielen in der heimischen Lebensmittelbranche. Ein weiterer Missstand ist, dass die Konsumenten in die Irre geführt und teils sogar belogen werden – sowohl von den großen Handelskonzernen als auch von einigen großen, produzierenden Marken, wie unzählige Berichte zeigen.

Wettbewerbsrechtlich relevante Minderbefüllung

Einen Beschiss könnte man beispielsweise (recht aktuell) hinter dem Vorgehen von Manner vermuten. Der Schnitten- und Schokolade-Hersteller hat die Füllmenge seiner Mozartschnitten im bekannten „Schüttelbeutel“ um ein Viertel (von 400 auf 300 Gramm) reduziert, die Verpackung aber gleich groß gelassen (sodass es keinem auf den ersten Blick auffällt). Wegen diesem so entstandenen Verpackungsleerstand von 40% bis 50% wurde der Hersteller schließlich wegen „Irreführung“ und „wettbewerbsrechtlich relevanter Minderbefüllung“ vor Gericht gezerrt. Manner versuchte sich herauszureden und argumentierte, dass ein höherer Befüllungsgrad verpackungstechnisch bedingt nicht möglich sei. Dies ließ das Gericht mit Verweis auf die „Original Neapolitaner“- und die „Haselnuss Mignon“-Schnitten (die sich weiterhin mit 400 Gramm in einem gleich großen Schüttelbeutel befinden) aber nicht gelten. Man brachte stattdessen den Nachhaltigkeitsgedanken ins Spiel und sprach von einem „krassen Missverhältnis von Inhalt und Verpackung“, das Käufer in Zeiten, in denen Plastikmüll eingespart werden soll, nicht erwarten müssten.

Idylle pur?

Ja, der Umweltgedanke … aktuell gibt es keinen Produzenten und auch keinen großen Lebensmittelhändler, der die Themen „bio“, „heimisch“, „nachhaltig“, „regional“ und „fair zum Tier“ nicht trommelt. Im Regal stehen beispielsweise Milchprodukte mit heimisch klingenden Namen (zB. „Zum Dorfkrug“) und idyllischen Bauernhöfen auf zart-pastellfarbenen Etiketten. Dahinter verbergen sich aber keine glücklichen Kühe, die auf saftig grünen, österreichischen Almen grasen dürfen, sondern ausländische, 1.000 Kilometer entfernte Massentierhaltungsfarmen, wo sogenannte „Turbokühe“ auf engstem Raum mit pestizidverseuchtem, genmanipuliertem Futter gefüttert und langsam zu Tode gemolken werden (also ganz anders als das Etikett vermuten lässt). Diese „Turbokühe“ haben eine Milchleistung jenseits der 10.000 Liter pro Jahr (nur zum Vergleich: In Österreich liegt die Milchleistung pro Kuh im Schnitt bei rund 6.500 Litern. Noch vor 100 Jahren erbrachte eine Durchschnittskuh nicht einmal 2.000 Liter Milch im Jahr). Ich frage mich: Wenn die Tierhaltung schlecht für die Tiere, die Umwelt (Stichwort Gülleproblem) und auch für das Klima ist – warum importiert man diese Milch dann? Dazu kommt, dass Österreich laut Statistiken einen Milch-Selbstversorgungsgrad von mehr als 150% hat, das heißt, wir haben theoretisch mehr Milch als nötig, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. Darüber hinaus haben wir in Öster

Mit dem Billa 2 Go-Bon bekommt man Schnitzerl und Stelzen zum Spotpreis. (Bild: Billa, Werbung)

reich viel striktere Tierschutzgesetze, das heißt, die Kühe müssen nicht leiden. Warum also so ein Produkt beispielsweise bei Spar im Regal zu finden ist, kann ich nur vermuten … ich gehe davon aus, dass es rein um den Profit geht, weil ausländische Massentierzuchtmilchprodukte halt um einiges günstiger im Einkauf sind, als Milch von heimischen Kühen, die auf Almen grasen.

Apropos „heimisch“

Billa wirbt ja schon länger damit, „als einziger Lebensmittelhändler in Österreich nur noch Frischfleisch zu 100% aus Österreich anzubieten“. Man behauptet, dass man „ausschließlich zu österreichischer Qualität und das in allen Preissegmenten“ greife – Oder so! Denn auf das fertig panierte und aufgewärmte Hühnerschnitzel in den Billa Plus-Restaurants und heißen Billa Theken (das man mit „Billa 2Go Bon“ zum Spotpreis von 1,99 Euro (!!!) bekam) traf das wohl nicht so ganz zu, wie dann auch der Konzern auf Nachfrage einräumen musste. In der „heißen Theke“ – und somit auch bei oben erwähntem Schnitzel – sei die Umstellung auf österreichisches Frischfleisch „noch nicht erfolgt“. Das Frischfleisch, „das zu 100% aus Österreich kommt“, bekomme der Kunde nur an der Feinkosttheke sowie fertig abgepackt in der gekühlten Selbstbedienung. Die Produkte aus der „Heißen Theke“ seien hingegen fertige Fleischprodukte und fallen somit nicht in die Kategorie des frischen Fleisches aus Österreich.

Der Hofstädter (Foto: REWE/ Billa)

Wenn es dann doch mal um heimisches Fleisch geht, wirbt Billa ja – um die Regionalität auch bildlich darzustellen – mit dem „Hofstädter“. Sie wissen schon, der etwas beleibte, schnauzbärtige, sympathische Fleischermeister aus der Werbung, „der was“ grammatikalisch nicht ganz astrein spricht und manchmal auch ein bissal rechthaberisch ist („Wissens eh, s‘Schweinsschnitzal im Buttaschmoiz in der tiefen Pfanne braten.“ „Und wissens eh, des Wossa nicht kochen für die Würschtal.„). Billa lässt in der Werbung glauben, dass „der Hofstädter“ ein tatsächlich existierender Fleischhauer ist. Stimmt aber nicht, den „Hofstädter“ gibt es nicht. Der „Hofstädter“ ist eine Phantasiefigur bzw. ein Schauspieler, „der was“ nur so tut, als wäre er der Fleischhauer vom Billa. Es folgte eine Beschwerde beim Werberat, dann ging der Fall zum VKI und auch die WKÖ Bundesinnung der Fleischer schaltete sich ein. Der Verdacht: Irreführung und unlauterer Wettbewerb. Danach musste Rewe klarer darauf hinweisen, dass es sich um eine Eigenmarke handle.

Ein kleiner Beitrag

Die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit, Umwelt- & Klimaschutz steigt zunehmend im gesellschaftlichen Bewusstsein. Immer mehr Menschen möchten auch mit ihrem persönlichen Konsum einen kleinen Beitrag zum Überleben des Planeten leisten und greifen daher inzwischen öfter gezielt zu Produkten, bei denen der Ressourcenverbrauch und die negativen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt geringer sind – auch wenn das mehr kostet. Nun gibt es aber Produkte, deren Ökobilanz nicht ganz so optimal ist. Der Druck auf die Konzerne aus diesen Bereichen, ihren Produkten einen grünen Anstrich zu geben, wird größer. Die Lösung heißt Ankauf von Klimazertifikaten oder auch „Greenwashing“, damit wieder mehr Menschen mit einem reinen Gewissen zugreifen, zu den Produkten, die in Wahrheit gar nicht so grün sind und der Umwelt schaden.

Wie absurd das Greenwashing mittels Klima-Zertifikaten mittlerweile ist – und wer wirklich davon profitiert – hat unlängst die NGO Foodwatch aufgezeigt, und zwar am Beispiel von Hipp. Das Babykost-Unternehmen bewirbt seine Beikost-Gläschen mit Rindfleisch-Inhalt als „klimapositiv“. „Klimapositiv“ bedeutet laut dem Unternehmen, „dass bei HiPP mehr Treibhausgase ausgeglichen als verursacht werden“. Damit werde suggeriert, „dass Fleisch kaufen besser für das Klima sei, als kein Fleisch zu kaufen“, sagt Foodwatch, und: „Diese abstruse Darstellung ist dreistes Greenwashing.“

Greenwashing-Welt der Zertifikate

Das Kranke in der Greenwashing-Welt der Zertifikate ist, dass Unternehmen einfach Kompensations-Gutschriften kaufen können, ohne die eigenen Emissionen zu verringern. Dabei sagen diese Klima-Zertifikate genau gar nichts über die tatsächliche Reduktion klimaschädlicher Gase aus. Stattdessen führen sie die Konsumenten in die Irre. So zB auch die NÖM (Niederösterreichische Molkerei), die laut eigenen Angaben als erste und bislang einzige Molkerei Österreichs „klimaneutral“ produzieren würde. Doch wie kann das sein, wo doch der Rohstoff Milch in einem von Experten als klimaschädlich bewerteten Prozess entsteht? Ganz einfach: Die Einstufung als „klimaneutrale Molkerei“ bezieht sich bei der NÖM lediglich auf den Produktionsstandort, nicht aber auf den vorgelagerten Prozess der Milcherzeugung… Klar, man kann seine Bilanz natürlich auch grünwaschen, indem man den klimaschädlichen Teil einfach ausblendet. Safthersteller Granini stützt sich übrigens auf ähnliche Methoden. Die Säfte werden als „CO2- neutral” vermarktet, dabei wird aber nur ein kleiner Teil der Emissionen berücksichtigt, nämlich der aus den eigenen Werken. Die Abfüllung eines Mangosafts wird also kompensiert, nicht jedoch der Anbau der Mangos und der klimaintensive Transport nach Deutschland.

„So ist es auch die NÖM, die als erste Molkerei in Österreich seit 2016 klimaneutral arbeitet“, steht auf der NÖM-Homepage geschrieben. (Bild: Screenshot NÖM)

Dem Transport kommt in unserem Ernährungssystem ja eine große Rolle zu. Trockenfleisch, das quer durch Europa reist, der vegane McDonalds-Burger, der mittlerweile den Beinamen „McImport“ trägt, die „italienische Spezialität“, deren Fleisch in Wahrheit aus Brasilien stammt, und nicht zu vergessen, die bei Billa angebotenen „Bio-Forellen“, die laut Homepage des Herstellers aus Italien stammen – oder doch aus Griechenland, wie es auf der Verpackung steht? Egal, so genau nimmt das ohnehin keiner. Gewiss ist, dass der Fisch in Dänemark geräuchert und schließlich in Polen verpackt wird, bevor er in Österreich in den Handel kommt, wo ihn jene Konsumenten kaufen, die sich gerne an einer umweltfreundlichen Welt beteiligen wollen, indem sie sich die „ökologische“ Forelle auf den Teller legen.

Schöne, heile Welt

All diese Dinge werden von den Konzernen unter den Teppich gekehrt. Es werden Milliarden in Werbung investiert, um den Konsumenten die heile Welt vorzugaukeln, und es werden auch keine weiteren Kosten sowie Mühen gescheut, damit die Illusion aufrecht bleibt. In der Werbung begegnen uns attraktive Menschen, die lachend in bunten Sommerkleidern über Blumenwiesen tanzen, Kühe streicheln und nach einer Wanderung spontan mit Bauern auf der Alm plaudern. Die Botschaft ist fast überall die Gleiche: Hier, in diesem Supermarkt, gibt es österreichische Spezialitäten – natürlich in Bio-Qualität! Und angesichts dieser ansprechenden Werbefilmchen von Spar, Billa & Co, könnte man sogar tatsächlich glauben, dass der Konsument dort ausschließlich heimische Produkte bekommt, dass tatsächlich großer Wert auf das Wohl der Tiere gelegt wird und dass auch kleineren Lieferanten und Bauern (mit denen in der Werbung gar so nett geplaudert wird) natürlich nur faire, teils überdurchschnittliche Preise gezahlt werden, denn schließlich sind Spar, Billa & Co ja sowohl der Natur- und Tierschutz als auch der Erhalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ein SO großes Anliegen …

Keine Samariter

Der Toni-Bauer macht ‚put put‘ und den Hühnern geht’s gut gut. (Bild: Screenshot Werbung Tonis Freilandeier)

Natürlich ist es einfacher der Werbung zu glauben, daran, dass alle Lebensmittel „bio“, „nachhaltig“, „fair zum Tier“ und „in Österreich produziert“ sind. Wir wollen das glauben, um uns nicht mit Pestiziden und sonstigen Giften, mit gequälten Tieren und allerlei umweltschädigenden Praktiken beschäftigen zu müssen. Es ist immer einfacher (vor allem für die Psyche) an das Schöne zu glauben und an das Gute in der Welt, doch die großen (Handels-)Konzerne sind keine Samariter. Die meisten sind stattdessen brutal profitorientiert und gehen, um ihre Umsätze und Marktanteile zu erreichen, auch über Existenzen.

Statt angesichts eines sprechenden Ferkels („Du, Bauer? …) Herzerln in den Augen zu kriegen und brainwashed im Chor „Der Toni-Bauer macht ‚put put‘ und den Hühnern geht’s gut gut, sie singen ‚Ei-Ei-Dideldei, wir sind so frei“ zu trällern, sollte sich jeder Einzelne echt einmal die Mühe machen und einen Blick hinter das Regal werfen, dann wird man nämlich sehen, dass die rot-weiß-rote Idylle, die im LEH oft so hübsch inszeniert wird, gar nicht wirklich existiert.

 

 

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Kommentare (2)

  1. Vielen Dank für diesen tollen und ehrlichen Artikel. Ein Blick in die österreichische Möbelbranche aller Leiner/kika und XXXLutz wäre auch interessant.

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    1. Genau, ganz interessant ist das mit den hohen % Sätzen gegenüber dem empfohlenen Herstellerpreis. Das diese Teile nur für diese Zwecke gebaut werden weiß man, aber manche Leute glauben noch an diese Schnäppchen.

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