Bundesgremium: Neue Regeln, neue Pflichten
Das Recht auf Reparatur soll für mehr Nachhaltigkeit sorgen und den EU-Reparaturmarkt stärken. (© Pixabay/M. Schwarzenberger) Auf EU-Ebene wurden kürzlich einige Richtlinien verabschiedet, die der Elektrohandel aufgrund ihrer direkten und indirekten Auswirkungen schon vor deren Umsetzung in Österreich im Auge haben sollte. Dies gilt inbesondere für das sog. „Lieferkettengesetz”, das „Recht auf Reparatur” sowie die „Empowering“-Richtline.Diese Richtlinien samt ihrer teils weitreichenden Begleiterscheinungen sind bereits seit längerem immer wieder Teil der medialen Berichterstattung – doch nachdem das Europäische Parlament nun Pflöcke eingeschlagen hat, wird es ernst. Für die Elektrobranche bedeutet das, sich mit den neuen Regularien zeitgerecht auseinanderzusetzen, um bei deren Umsetzung in Österreich keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.
Recht auf Reparatur kommt
Für den Elektrohandel besonders relevant ist die Richtlinie über das sog. Recht auf Reparatur, die am 23. April im Europäischen Parlament angenommen wurde und nach der – in Kürze erwarteten – Billigung durch den Rat sowie der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union von den Mitgliedstaaten binnen 24 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Präzisierte Reparaturpflichten sollen dafür sorgen, dass Hersteller rechtzeitig und kostengünstig Reparaturen durchführen und Konsumenten über ihr Recht auf Reparatur informiert werden. Bei Geräten, die in der Gewährleistungszeit repariert werden, verlängert sich die Gewährleistungsfrist um ein Jahr, und auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung müssen Hersteller Produkte, für die nach Ökodesignbestimmungen Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt sind, reparieren (z.B. Waschmaschinen, Staubsauger oder Smart-phones). Mit der sukzessiven Erweiterung der Ökodesignbestimmungen soll auch die Liste der betroffenen Produktgruppen entsprechend wachsen. Gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen bzw. Anreize zur Förderung von Reparaturen zu setzen (wie etwa den Reparaturbonus, Informationskampagnen, u.Ä.).
Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag des EU-Parlaments konnten unter Mitwirken der Interessenvertretung einige wichtige Entschärfungen erreicht werden: So wird es etwa keine Verpflichtung geben, dem Verbraucher während der Dauer der Reparatur ein Ersatzgerät gratis zur Verfügung zu stellen – der Verkäufer „kann“ ein solches jedoch anbieten. Außerdem wird von einer generellen subsidiären Haftung von Händlern für das Recht auf Reparatur abgesehen, wenn es keinen Hersteller mehr gibt (z.B. bei Betriebseinstellung). Und statt dem ursprünglich verpflichtenden Reparaturinformationsformular (mit detaillierten Angaben zur Art des Defekts, Dauer der Reparatur sowie zum Preis) kann ein solches den Endkunden nun freiwillig zur Verfügung gestellt werden.
Um das Reparieren generell zu erleichtern, wird eine europäische Online-Plattform mit nationalen Ablegern eingerichtet, über die Reparaturbetriebe vor Ort, Verkäufer generalüberholter Geräte, Käufer defekter Geräte oder Reparaturinitiativen in der Nachbarschaft (z.B. Reparaturcafés) gefunden werden können. Summa summarum sollen die neuen Vorschriften den EU-Reparaturmarkt stärken und die Reparaturkosten für die Konsumenten senken – nicht zuletzt, da die Hersteller Ersatzteile und Werkzeuge zu angemessenen Preisen zur Verfügung stellen müssen und sie keine Vertragsklauseln, Hardware oder Software einsetzen dürfen, um die Reparatur zu erschweren. Insbesondere dürfen sie weder die Verwendung gebrauchter oder mit 3D-Druckern hergestellter Ersatzteile durch unabhängige Reparaturbetriebe behindern, noch die Reparatur eines Produkts nur aus wirtschaftlichen Gründen oder deswegen verweigern, weil es vorher von jemand anderem repariert wurde.
Mehr Verbraucherrechte beim ökologischen Wandel
Das Recht auf Reparatur ergänzt die Richtlinie der EU zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (ECGTRL bzw. „Empowering“-Richtlinie). Diese wurde bereits im Amtsblatt veröffentlicht und ist bis 27. März 2026 umzusetzen und ab 27. September 2026 anzuwenden.
Darin enthalten sind Neuerungen in Hinblick auf unlautere Geschäftspraktiken: So werden allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“ oder „ökologisch“ weitgehend verboten bzw. bleiben diese nur zulässig, wenn dahinter „anerkannte hervorragende Umweltleistungen“ stehen – Umweltkennzeichenregelungen des EU-Umweltzeichens, nationale bzw. regionale Umweltkennzeichenregelungen nach EN ISO 14024 Typ I oder einschlägige Höchstleistungen nach sonstigem Unionsrecht (z.B. Klasse A beim Energieverbrauch). Als irreführend gelten Umweltaussagen über die künftige Umweltleistung (sofern nicht bestimmte Kriterien erfüllt werden wie z.B. überprüfbare Verpflichtungen) und ebenso das Werben mit „irrelevanten” Vorteilen für Endkunden. Zieht ein Gewerbetreibender für Produktvergleiche ökologische oder soziale Eigenschaften bzw. Zirkularitätsaspekte (z.B. Reparierbarkeit) heran, muss er u.a. auch umfassende Informationen über Vergleichsmethode, Lieferanten sowie bestehende Maßnahmen anführen.
Zudem wird eine „Schwarze Liste“ um Beispiele von irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken ergänzt, die jedenfalls unlauter sind (sog. „per-se Verbote“). Dazu zählt etwa das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegel, die weder auf einem Zertifizierungssystem beruhen noch von staatlichen Stellen festgesetzt wurden; das Treffen von allgemeinen Umweltaussagen, ohne einen Nachweis dafür erbringen zu können; Waren als reparierbar zu präsentieren, wenn sie es nicht sind; Verbraucher zu veranlassen, Betriebsstoffe einer Ware früher zu ersetzen oder aufzufüllen, als dies aus technischen Gründen notwendig ist; Anforderungen, die kraft Gesetzes für alle Produkte in der betreffenden Produktkategorie auf dem Unionsmarkt gelten, als Besonderheit zu präsentieren. Aus Sicht des Bundesgremiums wiegen die Anforderungen an die allgemeinen Umweltaussagen besonders schwer – so dürfte etwa das Werbeverbot bezüglich Treibhausgasemissionen wegen Ausgleichmaßnahmen das Aus für die häufig anzutreffende Werbung mit der Bezeichnung „klimaneutral“ bedeuten.
Weiters kommt es zu Änderungen bei der Verbraucherrechte-Richtlinie (VRRL), wo es den Endkunden durch entsprechende Informationen erleichtert werden soll, ihr Konsumverhalten nachhaltiger zu gestalten. Zwar wurde die vom Bundesgremium heftig kritisierte negative“ Information, wenn es vom Hersteller energiebetriebener Waren keine Haltbarkeitsgarantie von mehr als zwei Jahren gibt, nicht verwirklicht, dafür soll der bestehende Hinweis auf die gesetzliche Gewährleistung künftig auch die wesentlichen Elemente der Gewährleistung und deren Mindestdauer von zwei Jahren umfassen. Diese Informationen sollen in Form eines EU-weit harmonisierten Hinweises erfolgen, dessen Ausgestaltung/Formulierung die Kommission mit einem Durchführungsrechtsakt vornehmen wird. Über Haltbarkeitsgarantien der Hersteller von mehr als zwei Jahren, die das ganze Produkt umfassen, soll mittels einer vereinheitlichen Kennzeichnung (Label) informiert werden, wobei darin auch ein Hinweis auf das Bestehen des Gewährleistungsrechts erfolgen soll. Auch hier werden der genaue Inhalt und das Design dieses Labels mit einem Durchführungsrechtsakt der Kommission bestimmt, wobei beide vereinheitlichten Formate für Unternehmen einfach zu verwenden und reproduzierbar sein sollen. Darüber hinaus muss künftig bei Verträgen über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen ebenfalls auf das Bestehen der gesetzlichen Gewährleistung hingewiesen werden. Weitere Informationspflichten betreffen u.a. die Dauer der Verfügbarkeit von Updates sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Reparatur- und Wartungsanleitungen.
Das Lieferkettengesetz kann jeden betreffen
Anders als gemeinhin gerne angenommen betrifft die „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ – besser bekannt als Lieferkettengesetz nicht nur große Unternehmen und Konzerne. Die vom EU-Parlament am 24. April angenommene Richtlinie muss noch formal den Rat passieren und wird voraussichtlich im Mai veröffentlicht – dann ist sie binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen, wobei die nationalen Bestimmungen aber erst nach insgesamt drei Jahren nach dem Inkrafttreten zur Anwendung kommen sollen. Erfasst sind Unternehmen mit Sitz in der EU, die auf konsolidierter Basis mehr als 1.000 Beschäftigte und mehr als 450 Mio. Euro weltweiten Umsatz generieren bzw. Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, sofern über 450 Mio. Euro Umsatz in der EU erwirtschaftet wird (wobei bis zur vollen Geltung 2029 erleichternde Übergangsbestimmungen in Kraft sind, beginnend 2027 mit einem Schwellwert von 5.000 Mitarbeitern und 1,5 Mrd. Euro Jahresumsatz).
KMU fallen zwar nicht direkt in den Anwendungsbereich der Richtlinie, allerdings sind betroffene Unternehmen verpflichtet ihre Sorgfaltspflichten an Geschäftspartner weiterzugeben – unabhängig von deren Größe. Es gilt also: Ist ein Unternehmen Teil der vor- oder nachgelagerten Aktivitätenkette eines betroffenen Unternehmens, werden auch diese in die Pflicht genommen (wie etwa bei Sorgfaltspflichten hinsichtlich Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt). Das Bundesgremium rät daher, sich möglichst früh mit den Sorgfaltspflichten des EU-Lieferkettengesetzes auseinander zusetzen, um internes Know-how aufzubauen und digitale Tools zu evaluieren – und daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Zu den Pflichten der Unternehmen zählen:
- Implementierung der Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt („code of conduct“)
- Risikobasierte Überprüfung und Priorisierung anhand der Due-Diligence Policy
- Umfassende Einbeziehung der Stakeholder
- Weitergabe der Sorgfaltspflichten an Geschäftspartner unabhängig ihrer Größe entlang der gesamten Aktivitätenkette (vorher Wertschöpfungskette) inkl. regelmäßige Überprüfung durch unabhängige Dritte (Kosten haben die Unternehmen, nicht die Geschäftspartner zu tragen)
- Kommunikation der Fortschritte (jährliche Berichte)
- Erstellung eines Klimatransformationsplans (Geschäftsmodell und Strategie müssen mit mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderhitzung vereinbar sein)
EU- bzw staatliche Unterstützungsmaßnahmen:
- Die EU-Kommission hat (mit Unterstützung der Mitgliedsstaaten) bis spätestens 2027 Guidelines und Musterklauseln zur Unterstützung von Unternehmen zu veröffentlichen. In den Guidelines sollen etwa die Prüfpflichten von Unternehmen in verschiedenen Branchen konkretisiert werden.
- Die EU-Kommission hat zudem eine Auskunftsstelle („single help desk“) einzurichten, bei der Unternehmen Informationen, Beratungen und Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen anfordern können.
- Mitgliedsstaaten können – unbeschadet der Vorschriften für staatliche Beihilfen – KMU finanziell unterstützen.
Sanktionen und Haftung:
- Die national zuständigen Aufsichtsbehörden können Untersuchungen einleiten und gegen Unternehmen, die die Vorschriften der Richtlinie nicht einhalten, Sanktionen verhängen, darunter Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Netto-Jahresumsatzes. Sie sollen auch Verstöße veröffentlichen können (naming and shaming).
- Die Richtlinie sieht eine an das österreichische Recht anknüpfende zivilrechtliche Haftung vor, wenn betroffene Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nicht (ausreichend) nachkommen.
- Gehaftet wird für Schäden, die bei natürlichen oder juristischen Personen entstehen.
- Unternehmen haften grundsätzlich nicht für Schäden, die ausschließlich von ihren Geschäftspartnern verursacht wurden.
- Betroffene, einschließlich Gewerkschaften und NGOs, können innerhalb von fünf Jahren Schadenersatzansprüche gerichtlich geltend machen. Eine Einschränkung der Offenlegung von Beweismitteln, ein einstweiliger Rechtsschutz und eine Prozesskostenhilfe sollen die Rechtsdurchsetzung erleichtern.
FAQ zum EU-Lieferkettengesetz hat die WKÖ auf ihrer Website unter www.wko.at/nachhaltigkeit/haeufige-fragen-eu-lieferkettengesetz zusammengefasst.
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