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Samstag, 15. März 2025
Editor's ChoiceBundesgremium: Auch Elektrofachhandel betroffen

Die neue EU-Gebäuderichtlinie EPBD

Hintergrund Energiezukunft | Wolfgang Schalko | 24.10.2024 | |  Branche, Wissen
Am Gebäudesektor kommen durch die EPBD einige gravierende Änderungen auf die Branche zu. Am Gebäudesektor kommen durch die EPBD einige gravierende Änderungen auf die Branche zu. Vor Kurzem hat das EU-Parlament die neue Gebäuderichtlinie beschlossen. Diese ist ab 2026 umzusetzen und sieht die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors bis zum Jahr 2050 vor. Damit gehen neue Standards wie das Nullemissionsgebäude und ambitionierte Sanierungsziele einher – sowie eine ganze Reihe von Chancen, aber auch Herausforderungen für den EFH.

Seit 28. Mai 2024 ist die neue Gebäude-Richtlinie der EU (EU / 2024 /1275) offiziell in Kraft und muss von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Die aktuell geltende Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Building Directive, kurz EPBD) stammt aus dem Jahr 2010 und ist in Österreich hauptsächlich in der OIB-Richtlinie 6 „Energieeinsparung und Wärmeschutz“ umgesetzt. Dort ist u.a. das sog. „Niedrigstenergiegebäude“ definiert (seit 1. 1. 2021 der Mindeststandard für neue Gebäude) und das Energieausweis-Vorlagegesetz, das Verkäufer und Vermieter von Gebäuden bzw. Wohnungen zur Vorlage eines Energieausweises gegenüber Käufern oder Neumietern verpflichtet.

Die Null als Ziel

Die nun verabschiedete Neufassung der EPBD soll alle Gebäude der EU bis 2050 an die Nachhaltigkeitsziele des „European Green Deal“ anpassen, mit dem bekanntermaßen die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will. Dementsprechend hat die neue EPBD die komplette Dekarbonisierung des Gebäudesektors in der EU in den nächsten 26 Jahren zum Ziel. Berechnungen der Europäischen Kommission zufolge werden 40% des Endenergieverbrauchs durch den Gebäudebestand verursacht. Da für Gebäudeheizungen vorwiegend fossile Energieträger (Erdgas 39%, Erdöl 11%, Kohle 3%) zum Einsatz kommen, fallen hier 36% der Treibhausgasemissionen an.

Daran anknüpfend wurden drei maßgebliche Hebel für die rasche Umsetzung der Ziele definiert:

  • Neue nationale Minimum Energy Performance Standards (MEPS = Minimumeffizienzstandards)
  • Ausreichende Finanzierung
  • Umfassende technische Beratung für die Renovierung

Maßnahmenbündel

Die EPBD verpflichtet die Mitgliedsstaaten, einen sog. „Nationalen Gebäuderenovierungsplan“ zu erstellen, der die bisherige „Langfristige Renovierungsstrategie“ ersetzen wird. Dieser Plan muss der Europäischen Kommission bis Ende 2025 als Entwurf vorgelegt werden und tritt mit 1. 1. 2027 in Kraft.

Bis 2050 sollen grundsätzlich alle Gebäude den Status eines „Nullemissionsgebäudes“ (eine neue Kategorie) erlangen. Bereits ab 1. 1. 2028 sind alle neuen öffentlichen Gebäude gemäß dieses Standards zu errichten, ab 1. 1. 2030 dann sämtliche neuen Gebäude sowie auch bei Renovierungen von Bestandsgebäuden – wobei z.B. für die Landwirtschaft, die Landesverteidigung, denkmalgeschützte oder architektonisch wertvolle Gebäude, u.Ä. Ausnahmen möglich sind. Ist es technisch und wirtschaftlich nicht machbar, ein bestehendes Gebäude in ein Nullemissionsgebäude umzuwandeln, so gilt eine Renovierung, die zu einer Verringerung des Primärenergieverbrauchs um mind. 60 % führt, als umfassende Renovierung.

Die entsprechende technische Beratung soll über neue, zentrale Anlaufstellen („One-Stop Shops“) erfolgen, sodass alle Akteure in der Wertschöpfungskette mit gezielten Beratungsleistungen unterstützt werden können. In diesen Anlaufstellen soll u.a. auch der neue „Renovierungspass“ ausgestellt werden. Dieser zeigt Gebäudeeigentümern – auf freiwilliger Basis – auf, mit welchen Schritten vor 2050 ein Gebäude zu einem Nullemissionsgebäude werden kann. Einen zentralen Faktor bei der Umsetzung der Ziele bildet die europaweite Verfügbarkeit von ausreichend Fachkräften mit den erforderlichen „Green Skills“. In weiterer Folge sollen Gebäuderenovierungen u.a. zu geringeren Energiekosten führen und damit auch die sog. Energiearmut mindern (d.h. fehlender Zugang zu essenziellen Energiedienstleistungen wie z.B. Heizen oder Warmwasser).

Etappenziele

In einem ersten Schritt müssen die EU-Mitgliedsstaaten sog. „Minimum Energy Performance Standards“ (Minimumeffizienzstandards, kurz MEPS) festlegen. Diese geben anhand von Zielpfaden vor, welche Ziele zu bestimmten Zeitpunkten zu erfüllen sind. Solche Zielpfade sind für die Jahre 2030, 2040 und 2050 vorgesehen; über die Zielerreichung ist der EU-Kommission regelmäßig zu berichten. Ein möglicher neuer MEPS ist das „Lebenszyklus-Treibhauspotenzial“. Damit ist ein Indikator gemeint, der durch eine Lebenszyklusanalyse verdeutlicht, welchen Beitrag ein Gebäude von den ersten Grabungsarbeiten über die Nutzung bis zu Abriss und Deponierung zum Klimawandel leistet.

Der Primärenergieverbrauch des Gebäudebestandes (Stichtag 1. 1. 2020) muss schrittweise reduziert werden. Hier wird zwischen Wohn- und Nichtwohnbaugebäuden unterschieden:

  • Bei Wohngebäuden sollen bis 2030 zunächst 16% und bis 2035 20-22% des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs (ausgedrückt in kWh /m2a) eingespart werden. Dazu kommt, dass 55% der Einsparungen des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch Renovierung der Wohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden müssen.
  • Bei Nichtwohngebäuden besteht eine Renovierungsverpflichtung für 16% der schlechtesten Gebäude bis 2030 und der schlechtesten 26% bis 2033.

Die Pläne der Mitgliedsstaaten müssen zudem den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen bis 2040 beinhalten. Die EPBD sieht diesbezüglich vor, dass fossile Heizkessel weiterbetrieben werden können, wenn sie erneuerbare Energieträger (z.B. „grünes” Gas) einsetzen – die Details dazu sind national umzusetzen.

Umsetzung in Österreich

Der Standard für Nullemissionsgebäude wird jeweils von den Mitgliedsstaaten erarbeitet, basierend auf Kostenoptimierung, mit dem Ziel eines möglichst geringen Primärenergiebedarfs. Der restliche Energiebedarf soll durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden; Nullemissionsgebäude dürfen keine Emissionen aus fossilen Energieträgern vor Ort emittieren. Damit einher geht auch ein neuer Energieausweis, der die Energieeffizienzklassen A bis G umfasst: Klasse A entspricht Nullemissionsgebäuden, die Klasse G der schlechtesten EEK (für besonders energieeffiziente bzw. nachhaltige Gebäude können die Mitgliedstaaten auch die EEK A+ spezifizieren). Die ausgestellten Energieausweise werden in einer nationalen Datenbank gespeichert.

Die Mitgliedstaaten müssen außerdem dafür sorgen, dass neue Gebäude solargeeignet sind (d.h. mögliche Installation von PV- oder Solarthermie-Anlagen auf dem Dach). Die EPBD sieht dafür entsprechende Fristen für neue Gebäude (generell ab 1. 1. 2030) sowie den Bestand von öffentlichen Gebäuden bzw. Nichtwohngebäuden vor (grundsätzlich ab 2027 verpflichtend) – für den Wohngebäudebestand besteht keine derartige Pflicht. Parallel dazu bringt die EPBD umfangreiche Pflichten für den Einbau von Ladepunkten für die E-Mobilität mit sich. Für Nichtwohngebäude werden Gebäudeautomatisierungssysteme und automatische Beleuchtungssysteme (sofern technisch und wirtschaftlich machbar) verpflichtend: Bei einer effektiven Nennleistung für Heizung, Lüftung und Kühlung über 70 kW bis 31. Dezember 2029, bei Leistungsgrößen über 290 kW bereits ab 2027.

Da die Energie und Wärme grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, werden die Vorgaben der EPBD u.a. im Baurecht, insbesondere in den OIB-Richtlinien 6 und 7 umgesetzt. Wie schon bisher werden dabei die Fäden im Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) zusammenlaufen. Die WKÖ wird den Prozess der nationalen Umsetzung hinsichtlich Praxistauglichkeit und Leistbarkeit begleiten – schließlich bedürfen die in der EPBD noch nicht näher konkretisierten Konzepte (z.B. Nullemissionsgebäude) umfassender Abstimmungen. 

Kurzinterview: Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller zur EPBD und zur Rolle des EFH

Aus Sicht von Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller komt dem Elektrofachhandel bei der Umsetzungd er EPBD eine tragende Rolle zu.

E&W: Die EPBD klingt nach einem sehr technischen Thema. Inwiefern betrifft es auch den Elektrohandel?

Robert Pfarrwaller: Der Elektrofachhandel ist DER Experte und erste Ansprechpartner, wenn es um energieeffiziente Lösungen, speziell bei modernen Haushaltsgeräten und smarte Anwendungen geht. Mit unserer breiten Produktpalette an innovativen, energiesparenden Produkten und umfassendem Fachwissen stehen wir unseren Kund:innen zur Seite, um individuelle Lösungen zu finden. Ob Beratung zu smarter Gebäudetechnik, modernen Beleuchtungslösungen ebenso wie zu energieeffizienten Haushaltsgeräten – wir helfen dabei, die Energiekosten zu senken und einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Wie können sich Elektrohändler auf die Maßnahmen der EPBD vorbereiten? Was gilt es zu beachten?

Angesichts der in der neuen Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) gesetzten Ziele ist es wichtiger denn je, dass Fachhändler über die Richtlinien informiert sind. Nur so können Kunden gezielt bei der Auswahl energieeffizienter Geräte und Systeme unterstützt werden und der Elektrofachhandel dazu beitragen, die ambitionierten Klimaziele der EU zu erreichen. Mit der richtigen Beratung helfen unsere Expert:innen nicht nur dabei, Energiekosten zu senken, sondern fördern auch den Übergang zu nachhaltigem Wohnen und Arbeiten.

Etliche Aspekte sind national umzusetzen und müssen noch konkretisiert/ausverhandelt werden. Welche Position nimmt hier das Bundesgremium ein bzw. wie will man sich in diesen Prozess einbringen?

Das Bundesgremium wird sich aktiv in die bevorstehenden Umsetzungsgespräche einbringen. Wir müssen weiterhin darauf aufmerksam machen und noch deutlicher vermitteln, dass Energieeinsparung nicht allein durch Dämmung erreicht werden kann, sondern eine ganzheitliche energetische Sanierung zwingend erforderlich ist. Wird ergänzend zur thermischen Sanierung eine gesamtheitlich energetische Sanierung (also intelligente Regeltechnik, intelligente Beleuchtung sowie ein verbessertes Haus- und Gebäudemanagement) berücksichtigt, sind CO2-Einsparungen von zusätzlich 20% möglich. Gemeinsam mit OVE, FEEI und Bundesinnung der Elektriker haben wir zwei wissenschaftliche Studien erarbeiten lassen (elektro.at berichtete), die einerseits das Einsparpotenzial von energetischen Maßnahmen nachweisen und andererseits das jährlich notwendige und realistische Investitionsvolumen zur Hebung bestehender CO2-Einsparungspotenziale durch Gebäudeautomation in Österreich und die sich damit ergebenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen aufzeigen. Wir müssen daher weiterhin darauf drängen, das volle Potenzial moderner Technologien und Maßnahmen zu nutzen, um den Energieverbrauch nachhaltig zu senken. Es ist völlig unzeitgemäß, in einer modernen, technologisierten Welt beim Thema Energieeinsparung nur Dämmung und Fenstertausch im Kopf zu haben. Der Elektrofachhandel, mit allen Partnern der Wertschöpfungskette, wie Industrie und Handwerk, bietet hier noch viel mehr Potenzial!

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