Handyverbot – ein Für und Wider

Für die allermeisten von uns ist das Smartphone aus dem Berufs- und Lebensalltag nicht mehr wegzudenken – mit all den Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Und so, wie die Erwachsenen ihre Blicke nur allzu oft und gerne auf den Handyscreen richten, machen es die Kinder und Jugendlichen nach. Um zu sehen, was ich meine, müssen Sie nur entweder in den Morgenstunden mit der U-Bahn durch Wien fahren oder sich vor Unterrichtsbeginn zum Eingang einer x-beliebigen Mittelschule stellen…
Eine solche besucht auch mein ältester Sohn und zu den Dingen, die er von dort mit nach Hause bringt, gehören auch die Diskussionen rund um die Handynutzung. Dabei ist er eigentlich ein „Spätzünder” in Sachen Smartphone – ein eigenes besitzt er erst seit dem Wechsel von der Volksschule aufs Gymnasium, weil dort der Schulalltag „ohne” eher schwierig zu organisieren ist (Stichwort WhatsApp-Schulgruppen, digitaler Stundenplan, etc.). Bemerkenswerter Side-Fact: Laut Bildungsministerium besitzt die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren ein eigenes Handy, bei den Zwölf- bis 19-Jährigen sogar 96%. So weit, so gut – würde sich die Handynutzung auf die schulischen Notwendigkeiten sowie die Kommunikation mit Freunden beschränken. Aber natürlich wurden Aktivitäten wie Gaming, Spotify & Co. ebenfalls schnell zum Thema – das wir mit einer entsprechenden Zeitbegrenzung gelöst haben. Dass die wöchentlich zugestandene Gaming-Zeit meines Sohnes deutlich unter jener liegt, die etliche Klassenkameraden (und -innen) schon am Montag „verzocken”, steht auf einem anderen Blatt.
Aber es ist auch ein ganz wesentlicher Aspekt, warum mich zum heurigen Schulbeginn eine Aussendung des Forum Mobilkommunikation (FMK) mit dem Titel „Handyverbot an Schulen geht an der Realität vorbei” ziemlich auf die Palme brachte: „Anlässlich des Schulbeginns in Österreich gibt das Forum Mobilkommunikation zum wiederholten Male zu bedenken, dass mit einer Durchsetzung von Handyverboten in Schulen Jugendliche nicht nur mit den Möglichkeiten sondern auch mit den Risiken, welche mit der Nutzung von allerlei Apps und den sozialen Medien verbunden sind, allein gelassen werden”, war dort zu lesen. Weiters wurde der Bundesschulsprecher des vergangenen Jahres, Marius Hladik, zitiert: „Smartphones sind schon vor Jahren im täglichen Leben angekommen, ein Verbot in Schulen wie in England oder Belgien geht an der Realität völlig vorbei!“ Außerdem hielt das – von mir ob seiner meist fundierten Standpunkte eigentlich geschätzte – FMK fest: „Die Einbeziehung digitaler Medien in den Unterricht bereite junge Menschen auf das Leben vor. Zu glauben, dass man Probleme wie Mobbing und Handysucht, aber auch die Verbreitung von Fake-News einfach mit einem Verbot von Endgeräten in den Griff bekomme, sei kurzsichtig, so die SchülervertreterInnen des vergangenen Schuljahres. SchülerInnen dürften mit den Digitalen Medien nicht alleine gelassen werden.”
Ich glaube, dass weniger ein Handyverbot an Schulen (das ich für unter 14-Jährige übrigens rigoros befürworten würde) an der Realität vorbeigeht, sondern die Annahme, dass sich ein Smartphone so mir nichts, dir nichts auf pädagogisch sinnvolle Weise in den Unterricht integrieren lässt – abgesehen davon, dass damit den Schulen noch eine weitere erzieherische Aufgabe aufgehalst wird, die eigentlich in die Verantwortung der Eltern fällt. Wie soll die „Smartphone-Integration“ gelingen, wenn die Lehrkräfte die dafür notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen nicht haben? Wann sollten sie diese auch erwerben, wenn in praktisch jeder Schule des Landes ohnehin akuter Personalmangel herrscht und somit kein Spielraum für entsprechende Fortbildungen vorhanden ist?
Dass das Problem viel tiefer liegt, hat die deutsche Digitalbotschafterin, Bestsellerautorin und Schulleiterin in Niedersachsen Silke Müller in einem Interview mit der Zeitschrift „profil” bereits im heurigen Frühjahr erläutert. Für sie ist das Handyverbot an ihrer Schule völlig selbstverständlich, „weil wir glauben, dass die Schule einer der ganz wenigen Orte ist, wo wir noch Anreize bieten können für eine alternative Zeitgestaltung, für Beziehungs- und Bindungsarbeit. Wo man sich bei Streit persönlich miteinander auseinandersetzt, wo man sich vielleicht auch einmal langweilt – und damit Anreize für ein gutes, menschliches Miteinander hat. Natürlich unterwandern Kinder diese Regeln auch manchmal, dann landet das Handy bei mir in der Direktion. Und Sie würden sich wundern, wenn Sie wüssten, wie oft diese Handys dann in meiner Schublade vibrieren. Es ist unfassbar, welcher Traffic auf die Schüler einprasselt.”
Wie Müller weiter ausführt, würden viele Jugendliche das Smartphone als Stressfaktor empfinden und seien sogar dankbar, wenn sie davon „befreit” werden. Um beim richtigen Umgang mit dem Handy zu unterstützen, wurde von ihr sogar eine eigene Smartphone-Sprechstunde eingerichtet. „Die Kinder wissen alle, wie sie sich verhalten sollten, die Erwachsenen übrigens auch, aber die Grenzen und Regeln werden umgangen, weil der Suchtfaktor so unfassbar groß ist. Man kann den Kindern nicht einfach sagen: Jetzt leg mal das Ding weg! Man kann einem Alkoholiker auch nicht sagen: Mensch, jetzt trink doch mal nichts mehr! Eine Sucht behandle ich nicht durch nette Worte. Es ist in den Köpfen vieler Eltern, aber auch bei Politikern und Pädagogen noch nicht angekommen, dass wir hier über eine gesellschaftliche Erkrankung sprechen.” Müller fordert daher radikale Schritte: „Im Jugendschutzgesetz müsste verankert werden, dass Eltern ihren Kindern vor dem Alter von 14 Jahren kein Smartphone geben dürfen – gesetzlich verboten, hohe Strafandrohung. Es müsste handyfreie Restaurants geben, so wie es rauchfreie Restaurants gibt. Aber das passiert nicht, weil die kommerzielle Macht von Hardware-, Software und Netzbetreibern so groß ist. Wir haben die Kontrolle abgegeben.”
Der letztgenannte Punkt lässt sich in „Light”-Form übrigens sehr gut beobachten: Sobald das Handy läutet oder vibriert, ist die Aufmerksamkeit des Besitzers dort – egal, ob bei Geschäftsterminen, beim Autofahren oder beim Restaurantbesuch. Vermutlich muss sich jeder von uns mittlerweile regelmäßig über derartiges Verhalten ärgern. Auf den Vorschlag meiner Frau hin (ebenfalls eine Pädagogin) haben wir familienintern daher eine Maßnahme gesetzt, die zumindest einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet: Seit dem heurigen Frühjahr herrscht während der gemeinsamen Mahlzeiten Handyverbot – d.h. kein Klingeln und kein Brummen bei Tisch. Wer gegen die Regel verstößt, muss Strafe zahlen – die Erwachsenen 1 Euro, der Junior 20 Cent (seine beiden Geschwister sind wegen Handybesitzlosigkeit noch außen vor). Die Einnahmen wurden auch schon im Vorhinein dem gemeinsamen Eisessen zweckgewidmet. Ich kann Ihnen sagen: Es war ein eisreicher Sommer für meine Familie. Und mittlerweile brauche ich fürs Mittagessen auch kein Kleingeld mehr 🙂
Da muss ich Herrn Schreck Recht geben,
besser ein Ende ohne Schrecken als Schrecken ohne Ende!
Schließfächer beim Eingang der Schule und dort muss es deponiert werden!
Kurz und bündig gesagt: Ein Handyverbot in und um den Schulen ist überfällig.
Der Analphabetismus breitet sich immer mehr aus.