Alles Maus, oder was?
Wer hat damit begonnen? Man weiß es nicht, denn wie das so ist mit Modewörtern: Irgendwann lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wer eigentlich wann damit angefangen hat. Es geht um Kosenamen, vor allem um einen ganz Speziellen.Früher waren es Namen wie Schatz/ Schatzi, Spatz/ Spatzi/ Spatzl, Hase/Hasi oder einfach nur Liebling/ Liebste(r), die man sich in einer Partnerschaft als Zeichen der Zuneigung gegenseitig gab. Mittlerweile finden sich solche Namensgebungen auch außerhalb der gepaarten Zweisamkeit. Jeder, der gemocht wird, läuft Gefahr einen Kosenamen verpasst zu bekommen, wobei mir seit einiger Zeit auffällt: Es ist alles Maus. Egal, ob er zu ihr, sie zu ihm, er zu ihm oder sie zu ihr – jederfrau und jedermann „maust“. Unsere Gesellschaft vermaust und dabei frage ich mich: Wie kam das? Und warum nennen sich plötzlich alle Maus? Und es ist ja nicht nur die Maus alleine. Egal ob „Süssmaus“, „Schokomaus“, „Yogamaus“, „Kinomaus“ oder „Kaffeemaus“ – „Maus“ wird fast beliebig mit diversen anderen Begriffen kombiniert.
… apropos „Kaffeemaus“
Wie ich auf das Thema komme? Ganz einfach: Letztens nahm ich an einem Kurs teil und da fragte mich die deutlich jüngere Kursleiterin: „Magst Du auch einen Kaffee, Maus?“ Ich war etwas irritiert. Fast schon emotional desorientiert und ein wenig überfordert ob der plötzlichen Intimität. Womit hatte ich es verdient, ihre Maus zu sein? Ich schwankte zwischen Geschmeicheltsein (Yööhh, für wie jung hält sie mich? 🤗 Oder mag sie mich einfach schon so sehr?) und kurzfristigem Vor-den-Kopf-gestoßen-sein (haben die jungen Leute denn gar keinen Respekt mehr?). Inzwischen weiß ich: Nichts davon ist der Fall. Heute nennt einfach jeder jeden bzw. jede jede Maus. Glücklich schätzen können sich dabei all jene, die nicht einfach nur Standardmaus sind, sondern vielleicht sogar Super-, Spitzen- oder Mega-Maus, sprich: eine Superlativmaus. Ja, …. eines steht für mich fest: Die Vermausung greift um sich.
Aber zurück zur Frage nach dem Warum: Im Grunde sind Mäuse, kleine, flinke, graue Nagetiere, die wuselig, wie sie sind, eigentlich ziemlich niedlich wirken – zumindest solange bis sie Löcher in Wände und Verschalungen beißen, um dort ihre Nester zu bauen und Nachwuchs großzuziehen, bis sie Lebensmittelvorräte entdecken, alles verschmutzen und im schlimmsten Fall sogar Krankheiten verbreiten. Aber bis dahin sind Mäuse putzig und entzückend. Schon Walt Disney & Co haben dieses Gefühl transportiert, ob Bernard & Bianca, Feivel der Mauswanderer oder Stuart Little – sie alle sind hilfsbereit, clever und einfach nur süüüß. In der deutschen Literatur sind Mäuse metaphorische Symbole für Kleinheit, Bescheidenheit, Niedlichkeit und Klugheit. Wenn man heute also Maus genannt wird, so Experten, sei das keine abwertende Verniedlichung, kein Kleinmachen, sondern viel mehr eine empathische Geste und ein Zeichen von Verbundenheit. Kleine, flauschige, niedliche Wesen, rufen in uns Gefühle wie Liebe, Zuneigung und Schutz hervor – Bedürfnisse, die wir alle haben.
Aber ist das wirklich der Grund, warum der Kosename Maus neuerdings so inflationär benutzt wird? Ein bisschen einen fahlen Beigeschmack hat er ja schon, was aber vermutlich an einem gewissen Baulöwen liegt und seinem Zwang, sämtlichen Partnerinnen Tiernamen zu verpassen – von Spatzi, Bambi, Katzi und Kolibri war alles dabei. Die allererste – Anfang der Neunziger – war allerdings Christina. Nur wenige kennen sie unter diesem Vornamen. Stattdessen ist sie (obwohl längst vom mittlerweile verstorbenen Namensgeber geschieden) für die ganze Welt schlicht „Mausi“ und ich weiß nicht ob es am Menschen oder am verharmlosenden, eben doch irgendwie kleinmachenden Tiernamen liegt, aber wirklich ernstgenommen haben diese Frau doch nur wenige …?
Peinlich oder nicht?
Kosenamen in der Öffentlichkeit sind ja auch peinlich – oder etwa nicht? Man muss hier unterscheiden, finde ich. Vor allem Bezeichnungen wie Moppelchen, Pummelchen, Dickerchen, Pupsi, Stinkerle, Muschi, Hasenpups oder (mein Highlight!) Schnurzelpups (übrigens alles Begriffe, die bei unseren deutschen Nachbarn durchaus gerne Verwendung finden und die mir zeigen: Was Spitznamen angeht, kennt Peinlichkeit keine Grenzen 😁 ) gehören ins Schlafzimmer oder auf die Couch mit zu vielen Kissen und Plüschtieren. Aber nicht ganz so „private“ Kosenamen, die trotzdem alle irgendwie etwas Persönliches, (wie der Fachmann sagt) „Nähesprachliches“ mit sich bringen, dürfen den Weg aus den eigenen vier Wänden ruhig rausfinden – und das haben sie bereits getan. Heute verpasst man (wie eingangs schon geschrieben) auch guten Freunden Kosenamen, ich spreche liebe Freundinnen zB. manchmal mit „Hübsche“ oder „meine Puppe“ an. Natürlich handelt es sich vorwiegend um positiv besetzte Namen, bzw. um solche, die bei den meisten Menschen Assoziationen wie sympathisch, lieb, süß hervorrufen. Das schafft nämlich Bindung. Zicke, Dickkopf oder Diva zählen da nicht unbedingt dazu. Maus aber für viele eben schon.
Interessant ist, dass im Gegensatz zu früher nicht mehr nur Frauen „Mäuse“ sein können. Und nachdem wir in einer Zeit leben, in der vieles thematisiert wird, was eigentlich gar nicht thematisierenswert ist (zumindest nicht in der Öffentlichkeit), und so viele Dinge zer-interpretiert werden, sehen einige Leute eine tiefere Bedeutung darin. Sie orten angesichts der alters- und geschlechtsübergreifenden Verwendung des Begriffes „Maus“ nämlich „eine Abkehr vom klassischen Männerbild“. Soll heißen: Auch erwachsene, coole Männer dürfen sich heute gegenseitig „Maus“ nennen (die Kaulitz-Zwillinge Bill und Tom machen es medienwirksam vor). Die „Maus“ sei ein Ausdruck liebevoller Annahme, unabhängig von Geschlechterrollen, so Experten. Dass Männer ebenfalls als „Mäuse“ bezeichnet werden können, zeuge „von einem allgemeinen Wandel – das Sanfte und Weiche müsse nicht mehr als Schwäche gelten“.
Ja. Soweit so gut. Soll doch jeder machen was er für richtig hält. Ich persönlich bin ja nicht so der große Maus-Fan. Einzig die 4-jährige Tochter meiner guten Freundin wird von mir manchmal so genannt … weil sie eben (Achtung Klischee!) so klein, süß, wuselig und vor allem blitzschnell sein kann, wie der graue Nager 😊 Ich bin da eher die Süße. Soll heißen (… und da muss ich jetzt kurz ein wenig ausholen): Wie wir nun erfahren haben, bekommen vor allem jene Menschen von uns Spitz- und Kosenamen, die uns besonders am Herzen liegen und zu denen man ein ganz spezielles Vertrauensverhältnis hat – und das ist keine Frage des Alters. Viele Paare bewahren sich diese Besonderheit auch über Jahre oder sogar Jahrzehnte. Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2021 verwendet noch ein Viertel aller Paare, die bereits länger als 15 Jahre zusammen sind, ausnahmslos einen Kosenamen, um den Partner anzusprechen. Auch ich zähle dazu. Wir sind mittlerweile seit mehr als 21 Jahren zusammen – und er ist immer noch jeden einzelnen Tag „mein Süßer“ 😍
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