Ist dabei sein wirklich alles?
Ist dabei sein wirklich alles? ... frage ich mich mit Blick auf den jedes Jahr pünktlich in der zweiten Novemberhälfte einsetzenden Weihnachts-Shoppingwahnsinn, und ich überlege, wann das Ganze eigentlich wie begonnen hat ....Von wegen besinnliche Weihnachtszeit. Seit der Black Friday bei uns im Land Einzug gehalten hat, ist rein gar nichts mehr ruhig und besinnlich. Österreich befindet sich seit Mitte November im kollektiven Kaufrausch. Überall blinkt es in den grellsten Farben und klingelt es – aber nicht wegen der süßen Weihnachtsglöckchen, die überall hängen, sondern wegen der hektisch scheppernden Kassen, die vor lauter Kundenandrang gar keine Zeit mehr haben zwischen den einzelnen Bezahlvorgängen zuzugehen.
Ich weiß nicht mehr genau, wann der Black Friday nach Österreich kam. Ich kann mich allerdings noch sehr genau daran erinnern, wie auf der Wiener Mariahilferstrasse dagegen demonstriert wurde. Eine Gruppe von Leuten schleppte einen Sarg entlang Wiens größter Einkaufsstraße, davor schritt ganz priester-like ein schwarz gekleideter Mann, der einen Blumenkranz samt schwarzer Schleife trug. Darauf standen die Worte Wirtschaftlichkeit, Qualität, Service sowie Werte, und das ganze Spektakel sollte das symbolische Begräbnis dieser Begriffe darstellen. 2019 setzten auch die Händler aus Fürstenfeld ein Zeichen, in dem sie die Schaufenster ihrer Geschäfte verklebten und mit Sprüchen „gegen den Rabattwahnsinn“ versahen. Und auf der Mariahilferstrasse wurde sogar eine Statue aufgestellt – „Der letzte Konsument“, der aufzeigen sollte, dass wir mit diesem Konsum a la Black Friday unsere Lebensgrundlage zerstören. Heute wehren sich nur mehr wenige – bis keiner – dagegen. Im Gegenteil, es ist nicht mehr nur der Black Friday, der „gefeiert“ wird, dazu gesellten sich eine ganze „Black Week“, der „Singles Day“ und der „Cyber Monday“ mit anschließender „Cyber Week” (habe ich etwas vergessen?) Und es ist nicht mehr nur der Einzelhandel mit klassischen Konsumgütern, der sich mit in die Rabattschlacht schmeißt, nein, mittlerweile machen auch Gärtnereien, Bäckereien, Augenoptiker und – ich konnte es nicht glauben – selbst Apotheken mit. Sie alle verramschen irgendetwas, nur um auch dabei sein zu können.
Die Art, wie wir Menschen heutzutage konsumieren, macht vieles kaputt – die Umwelt, die Menschen (die viele der verramschten Produkte unter widrigsten Bedingungen erzeugen mussten), die Wirtschaft in Österreich, wodurch in der Folge ua. auch ein kleiner Einzelhändler nach dem anderen zum Aufgeben gezwungen und Ortschaften leergefegt werden. Doch wir Menschen gewöhnen uns an alles – je weiter entfernt, je weniger greifbar, desto schneller. Klimakapriolen, Umweltkatastrophen, Kriege, Wohlstandsverlust – wer nicht unmittelbar betroffen ist, die Konsequenzen nicht am eigenen Leib spürt, sieht irgendwann weg. Und das ist auch bei den Auswirkungen dieses kranken Konsums, dem die Menschen speziell jetzt in der Weihnachtszeit frönen, so.
Ich habe mir schon vor einiger Zeit selbst die Frage gestellt: Muss ich jeden Blödsinn zum billigsten Preis haben und unterstütze ich die großen (Online-)Anbieter, die vielfach ausbeuterisch, klimaschädlich und politisch fragwürdig agieren – oder kaufe ich überlegt, mit Qualität, und unterstütze die lokale Wirtschaft, die ganz nebenbei auch noch für eine funktionierende Nahversorgung und lebendige Dorf- und Stadtzentren essenziell ist? Ich habe für mich eine Antwort gefunden. Natürlich muss ich dadurch auf das eine oder andere verzichten, aber für ein gutes Gefühl tue ich das gerne. Ich würde mir wünschen, dass sich mehrere Menschen aus Konsumentensicht diese Frage stellen – und die richtige Antwort finden.
Kommentare