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Mittwoch, 23. April 2025
Gedanken zum „Tag der Handschrift“

Eine fast vergessene Kunst

Über den Rand | Stefanie Bruckbauer | 23.03.2025 | Bilder | |  Meinung
Am 23. Jänner war „Tag der Handschrift“. Mit diesem Tag soll an eine verlorene Kunst erinnert werden. Das Schreiben mit der Hand wird heutzutage ja oft als altmodisch abgetan – insbesondere in einer Welt, in der vieles per Klick oder mit einem Wisch auf einem digitalen Display erledigt werden kann. Damit einher geht auch, dass immer weniger handschriftliche Briefe verfasst werden und das finde ich sehr traurig, denn so ein handgeschriebener Brief ist so viel mehr, als bloß Worte auf Papier ...

Goethe schrieb Briefe an seinen Freund Schiller. Von Hand versteht sich. Ich frage mich: Würde er heute leben, würde er das auch tun? Oder würde er Schiller schnell ein WhatsApp senden? Oder vielleicht eine Sprachnachricht aufnehmen? Wahrscheinlich wäre es so ….

Heute schreibt kaum mehr jemand Briefe. Wobei … falsch … das Finanzamt verschickt recht gerne Briefe, auch die Kirchenbeitragsstelle oder auch die Bundespolizeidirektion, wenn man das Tempolimit wieder Mal als nett gemeinte Anregung, nicht aber als einzuhaltende Notwendigkeit erachtet hat 😉 Aber ich spreche von einer anderen Art von Briefen, von Briefen die man – im Gegensatz zu den eben genannten – gerne liest und aufbewahrt, weil sie etwas ganz Besonderes sind.


Würden Goethe und Schiller im Heute leben – würden sie sich dann statt Briefen WhatsApp-Nachrichten schreiben?

Von Vertraut bis Wildfremd

Ich komme aus einer Zeit, da wurden noch viele Briefe geschrieben. Sie hatten – noch viel früher – eine wichtige Funktion, denn über weite Strecken zu kommunizieren war nicht anders möglich – außer man telefonierte und das war teuer. Damals gab es auch noch sogenannte Brieffreundschaften – teils mit Wildfremden, die man sich über so eine Art Plattformen (früher waren es wohl eher Register) „aussuchen“ konnte. Gemeinsam hatte man die Lust am Schreiben, die Neugier auf andere Menschen und den Reiz am Fremden.

Ich hatte im Laufe meiner Jugend mehrere Brieffreunde und ich erinnere mich noch so gut, wie sehr ich mich immer auf die Antwortschreiben des jeweils anderen gefreut habe. Wie aufgeregt ich war, wenn der Postbote diesen sehnsüchtig erwarteten Brief zugestellt hat, wie es war, das Kuvert aufzureißen und zu lesen, wie es dem Brieffreund ging und was er sonst noch so zu erzählen hatte. Kaum gelesen, setzte ich mich hin und schrieb eine Antwort, brachte sie zur Post und das Spiel mit dem Warten, der Vorfreude und der Spannung ging von vorne los.

Es hatte einen unheimlich großen Reiz, mit einer zunächst völlig fremden Person zu kommunizieren. Ohne zu wissen, wie sie aussieht oder wie ihre Stimme klingt. Ohne Vorurteile, völlig unbefangen. Der einzige Hinweis auf die Persönlichkeit war zunächst die Handschrift. Es war ein Unterschied ob die Zeilen mit einer Sauklaue hingenudelt wurden, oder ob es sich um eine sorgfältige Handschrift handelte.

Viel wichtiger als diese „Abenteuervariante“ mit Wildfremden war jedoch die Korrespondenz mit Menschen, die mir wirklich etwas bedeute(te)n. So hielt ich eine meiner ersten großen Jugendlieben – zumindest eine Zeit lang – mittels Briefkonversation aufrecht. Ich habe ihn bei einem Aufenthalt in Spanien, wo ich einige Wochen zwecks Sprachstudium verbrachte, kennengelernt. Er konnte kaum Deutsch oder Englisch, ich war des Spanischen auch nicht wirklich mächtig, aber wenn das Interesse am Anderen da ist, dann kann man auch ohne dieselbe Sprache zu sprechen kommunizieren. Als ich dann nachhause musste, brach eine Welt zusammen. Wir versprachen einander, uns laufend zu schreiben, was wir auch getan haben – wie gesagt, zumindest eine Zeit lang. Denn, irgendwann kamen keine Briefe mehr aus Spanien. Geblieben ist immerhin die Sprachkenntnis. Ich habe nämlich alle Briefe auf Spanisch geschrieben, und damit ich mich mit massenhaft Grammatikfehlern nicht lächerlich mache, habe ich nahezu jedes Wort mit Hilfe des Langescheidt Wörterbuchs übersetzt. Wenn man das eine Zeitlang macht, bleibt ganz schön etwas hängen. Am Ende schaute dann zwar nicht die große Liebe heraus, aber ich konnte ganz passabel Spanisch … ein paar Jahre wenigstens. Heute habe ich das allermeiste leider wieder vergessen 🙁

Träger von Erinnerungen

Ein physischer Brief wird oft aufbewahrt, mehrmals gelesen und über die Jahre hinweg geschätzt. Es ist ein Träger von Erinnerungen.

Aber zurück zum Thema: Handgeschriebene Briefe sind nicht nur Kommunikationsmittel. Sie sind auch Träger von Erinnerungen. Ein physischer Brief wird oft aufbewahrt, mehrmals gelesen und über die Jahre hinweg geschätzt. Es ist wie ein greifbares Zeugnis von Beziehungen, Momenten und Emotionen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt geteilt wurden.

Auch ich habe alle Briefe, die ich im Laufe meines Lebens bekommen habe, gesammelt. Das ist mittlerweile eine ganze Mappe mit Liebesbriefen, Abschiedsbriefen, traurigen, lustigen und „Ich denke an Dich“-Briefen, die ich nun – anlässlich dieses Kommentars – nach langer Zeit wieder Mal in die Hand genommen und darin geschmökert habe. Ich erinnerte mich plötzlich wieder an Menschen, zu denen ich irgendwann einmal Kontakt hatte, und die für mich immerhin einen so hohen Stellenwert hatten, dass ich mich hinsetzte, um ihnen zu schreiben. Menschen, vor denen ich teils mein Seelenleben ausgebreitet habe – und umgekehrt … in einem Brief schreibt man (ich) ganz andere Dinge, als würde man mit seinem Gegenüber bloß „reden“ oder eine digitale Nachricht schicken. Das händische Schreiben von Briefen öffnet (zumindest bei mir) eine Türe zu meinem Inneren, und es kommen Dinge hervor, die ich wahrscheinlich niemals aussprechen würde. Es ist mehr als nur Worte auf Papier – ein handgeschriebener Brief ist ein Fenster zu den Gefühlen und Gedanken des Absenders.

Einem digitalen Schreiben so eine persönliche Note zu verleihen ist kaum möglich. Die Wahl der Worte, der Druck des Stifts sowie die einzigartige Führung desselbigen auf Papier, und sogar die eigenhändige Unterschrift verleihen einem physischen Brief eine Authentizität, die elektronische Kommunikation oft vermissen lässt. Mails, SMS, Whatsapp-Nachrichten können niemals den Stellenwert von Briefen erreichen. Klar kann man auch digital schreiben, diese Worte haben für mich allerdings eine andere Wertigkeit. Oft eilig getippt, mehr Kürzel, als ausformulierte Worte. Keine ganzen Sätze, keine Satzzeichen, meist viele Tippfehler und jede Menge Emojis, um den wenigen Worten zumindest ein bisschen Gefühl zu verleihen. Das ist gut und sehr praktisch, um schnell etwas zu kommunizieren … es ist aber etwas gänzlich anderes als ein handschriftlicher Brief.

Heute

Ich bekomme heute fast keine persönlichen Briefe mehr – aber nur fast. Denn ich kenne Leute, die mir – zB. zu besonderen Anlässen – ein paar handgeschriebene Worte schenken. Es handelt sich nicht zwangsläufig um einen Brief, es kann auch eine Karte sein oder eine Widmung in einem Buch (die auf Grund ihres Umfangs und Inhalts mehr einer ganzen Nachricht gleicht).

Es ist sehr besonders für mich, mit ein paar handgeschriebenen Zeilen überrascht zu werden. Es rührt mich zutiefst zu wissen, dass sich jemand vorgenommen hat MIR zu schreiben. Dass sich der jemand die Zeit genommen und hingesetzt hat; sich Gedanken über mich gemacht, diese formuliert und mit der Hand niedergeschrieben hat. Der Schreiber eines Briefes denkt üblicherweise über jeden einzelnen Satz nach, er überlegt was er sagen will und wie er es am besten formulieren soll. Er befasst sich über die gesamte Dauer des Schreibens mit dem Adressaten. Das ist in meinen Augen eine unheimlich große Wertschätzung dem anderen gegenüber.

So ein Brief kann zeigen, wie sehr man gemocht und wertgeschätzt wird, wie wichtig man dem anderen ist – manchmal sogar mehr als gesprochene Worte. Diese sind oft schnell dahingesagt, und kaum ausgesprochen, auch schon wieder verflogen. Das geschriebene Wort hat hingegen Bestand. Es bleibt solange der Brief aufbewahrt wird.

Zwei interessante Entwicklungen

Letztens habe ich zwei interessante Dinge gelesen. Zum einen gibt es scheinbar eine wachsende Gemeinschaft von Menschen, die die Einzigartigkeit und Authentizität von handgeschriebenen Briefen wieder zu schätzen wissen, und sich bewusst dafür entscheiden, ihre Gedanken und Gefühle wieder handschriftlich auf Papier zu bringen – ob in persönlichen Briefen zwischen Freunden, Liebeserklärungen, Dankesbriefen und sogar formellen geschäftlichen Korrespondenzen. Die Handschrift wird scheinbar als Mittel zur Differenzierung und Wertschätzung wiederentdeckt – zumindest von manchen.

Auf der anderen Seite wurde im Zuge einer Studie (einer norwegischen Universität) herausgefunden, dass die jungen Generationen, ab der „Gen Z“, die Fähigkeit verlieren, handschriftliche Texte zu verfassen –  eine Fähigkeit, die die Menschheit seit immerhin mehr als 5.000 Jahren besitzt und weitergibt. Mehrere hundert Schüler aus mehr als 30 Schulen wurden untersucht, mit dem Ergebnis: 40% (!) der Schüler hätten die Fähigkeit zum handschriftlichen Verfassen von Texten in Folge der Digitalisierung eingebüßt. Zudem gehe auch die Fähigkeit sich verständlich auszudrücken bei Angehörigen der Generation Z zunehmend verloren.

Bestätigt wird diese These seitens einer türkischen Universität, die da meint, dass sogar Universitäts-Studenten die Kenntnis grundlegender Schreibregeln fehlt. Die Studenten seien in eine digitale Welt hineingeboren worden, haben schon früh mit Bildschirmen und Tastaturen zu tun. Ihnen fehle jegliche Praxis im Verfassen von handschriftlichen Texten. Hinzu komme das Problem, dass den jungen Leuten die Kenntnis fehle, um komplexere Gedanken in Texten zu formulieren. Den Grund des Übels orten die Professoren im Einfluss von Social Media.

Darauf angesprochen, kamen auch die Studenten zu Wort. Eine meinte beispielsweise, dass das Problem in der Art liegt, wie Schule funktioniert. Seit der Grundschule hätte man nur Tests geschrieben, aber nie Aufsätze, außer es sei unbedingt notwendig gewesen. Dazu hätten die sozialen Medien eine eigene Sprache, alles sei verkürzt und werde mit Emojis ausgedrückt. Eine andere Studentin erklärte, dass sie früher noch viel geschrieben hatte, heute allerdings kaum noch. Und Fähigkeiten, die man nicht nutzt, verkümmern nun mal.
(Anmerkung: ABER – es ist nicht alles schlecht, wie im Zuge dieser Untersuchungen auch herausgefunden wurde. Die Fähigkeit, Konzepte in weniger als zehn Wörtern zusammenzufassen, sei nämlich gestiegen.)

Mein Fazit

Die zunehmende Digitalisierung hat uns effizienter gemacht – aber auch distanzierter. Es scheint, als ob wir die Kunst des Briefeschreibens inmitten der rasanten Technologiewelle vergessen hätten. Nicht falsch verstehen: Die Geschwindigkeit und Bequemlichkeit digitaler Kommunikation haben zweifellos ihren Platz. Die einzigartige Wärme eines handgeschriebenen Briefes wird allerdings oft übersehen. Ein handgeschriebener Brief trägt eine persönliche Note, die durch keine E-Mail-Signatur und kein Emoji ersetzt werden kann. Es ist wie ein Stück Seele, das auf Papier festgehalten wird, und diese Kunst darf nicht in Vergessenheit geraten!

Natürlich kann man sich die Frage stellen, warum wir uns die Zeit nehmen sollten, einen Brief mit der Hand zu schreiben, wenn eine schnelle Nachricht am Display ausreicht. Die Antwort liegt in der Tiefe der Verbindung, die durch die Handschrift entsteht. Es geht darum, nicht nur Worte, sondern Gefühle zu übermitteln – eine Nuance, die uns in der digitalen Hektik oft abhandenkommt. Die Welt mag, wird und sollte sich weiterentwickeln – aber die Fähigkeit, unsere Gedanken auf Papier zu bringen, darf dabei nicht verloren gehen … ist zumindest meine Meinung.

Nachwort

Wie ich oben geschrieben habe, gibt es dem Vernehmen nach, eine wachsende Gemeinschaft von Menschen, die den handschriftlichen Brief wieder für sich entdeckt haben. Bei diesen Menschen handelt es sich aber offenbar nicht um Dänen. Die staatliche Post in Dänemark stellt ab nächstem Jahr nämlich die Briefzustellung ein – komplett. Die öffentlichen Postkästen werden bereits sukzessive abgebaut … Nach 400 Jahren (!) können im mittlerweile hoch digitalisierten Dänemark also schon bald keine Briefe mehr versandt werden.

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