Super-GAU in der Hosentasche

Ich habe lange nach Worten gesucht, um das zu beschreiben, was mir jedes Mal wieder durch Kopf und Magen geht, wenn ich das lese bzw. ich darüber nachdenke, was Sie hier gleich selbst lesen können. Begriffe wie Farce, Ignoranz und Kurzsichtigkeit sind ebenso darunter wie der ziemlich derbe, aber in diesem Fall gerade deshalb passende Spruch, dass man gar nicht so viel fressen kann, wie man kotzen möchte.
Am 14. März, also vor nicht einmal zwei Wochen, fand ich folgende Presseaussendung der World Nuclear Association mit dem Titel „Globale Großunternehmen verpflichten sich zu historischer Unterstützung für die Verdreifachung der Kernenergie“ in meinem Postfach (Anm.: Aufgrund der inhaltlichen Tragweite gebe ich diese hier ungekürzt wieder):
Am Rande der CERAWeek 2025 in Houston schließen sich zum ersten Mal große Unternehmen zusammen, um ein bahnbrechendes, branchenübergreifendes Versprechen abzugeben, das die wesentliche Rolle der Kernenergie bei der Verbesserung der Energiesicherheit, der Widerstandsfähigkeit und der kontinuierlichen Bereitstellung sauberer Energie hervorhebt.
Die Gruppe, zu der auch Google, Amazon, Meta und Dow gehören, schließt sich 14 großen globalen Banken und Finanzinstituten, 140 Unternehmen der Nuklearindustrie und 31 Ländern an, die das Ziel der Verdreifachung der weltweiten Nuklearkapazität bis 2050 unterstützen.
Heute wurde durch eine branchenübergreifende Gruppe großer Energieverbraucher ein Versprechen unterzeichnet, das das Ziel unterstützt, die weltweite Atomkapazität bis 2050 mindestens zu verdreifachen. Dies ist das erste Mal, dass sich große Unternehmen außerhalb des Nuklearsektors zusammengeschlossen haben, um sich öffentlich für einen umfassenden und konzertierten Ausbau der Kernenergie zur Deckung des steigenden weltweiten Energiebedarfs einzusetzen. Sie fordern auch andere Energieverbraucher auf, das Ziel der Verdreifachung der Kernenergie zu unterstützen. Der gemeinsame Aufruf, der von der World Nuclear Association unterstützt wird, bringt globale Unternehmen zusammen, die erkannt haben, dass sie die saubere, sichere und reichlich vorhandene Kernenergie benötigen, um ihr zukünftiges Wachstum voranzutreiben und gleichzeitig die Ziele einer größeren Energieresilienz und -sicherheit zu erreichen. Diese Gruppe von Unternehmen erkennt die Unterstützung der Regierung an und setzt sich für einen gleichberechtigten Zugang zur Finanzierung der Kernenergie ein.
Zu den Gründungsunterzeichnern auf der CERAWeek gehören: Amazon, Google, Meta, Dow, Occidental, Allseas und OSGE. Es wird erwartet, dass das Versprechen in den kommenden Monaten mehr Unterstützung erhält, was das wachsende Interesse an der Kernenergie aus so unterschiedlichen Branchen wie der Schifffahrt, der Luftfahrt und der Öl- und Gasindustrie widerspiegelt.
Das Versprechen erkennt das Potenzial der Kernenergie an, über die herkömmliche Netzstromversorgung hinauszugehen und reichlich und kontinuierlich Energie zu liefern, um den Energieverbrauchern einen erfolgreichen und wettbewerbsfähigen Betrieb zu ermöglichen. Weiter wird hervorgehoben, wie die Kernenergie saubere Energie für eine verstärkte Elektrifizierung und eine Reihe von Wirtschaftstätigkeiten und industriellen Prozessen bereitstellen kann, darunter der Technologiesektor, Synergien mit der Öl- und Gasindustrie und die Bereitstellung von industrieller Prozesswärme – für die die Kernenergie die glaubwürdigste und skalierbarste saubere Quelle ist.
Während der CERAWeek trafen sich viele der Unternehmen mit politischen Entscheidungsträgern und der gesamten Nuklearindustrie, um darüber zu diskutieren, wie die Kernenergie in die zukünftigen strategischen Pläne ihrer Unternehmen passt, da sie eine reichhaltige und zuverlässige Energiequelle bietet, die für ihre wachsenden Aktivitäten benötigt wird. Dieses Versprechen verdeutlicht die Nachfrage und Unterstützung für Innovation, Investitionen und Zusammenarbeit, um die globalen Ziele der Industrie und der Länder zu erreichen.
Zitate von unterstützenden Organisationen
Lucia Tian, Leiterin der Abteilung für saubere Energie und Dekarbonisierungstechnologien, Google, sagte: „Wir sind stolz darauf, ein Versprechen zur Unterstützung der Verdreifachung der Kernkraftkapazitäten bis zum Jahr 2050 zu unterzeichnen, da die Kernkraft beim Aufbau einer zuverlässigen, sicheren und nachhaltigen Energiezukunft von zentraler Bedeutung sein wird. Google wird weiterhin mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um die Kommerzialisierung fortschrittlicher Nukleartechnologien zu beschleunigen, die rund um die Uhr die saubere Energie liefern können, die zur Deckung des wachsenden Strombedarfs auf der ganzen Welt erforderlich ist.“
Brandon Oyer, Leiter des Bereichs Energie und Wasser für Amerika bei Amazon Web Services, sagte: „Die Beschleunigung der Entwicklung der Kernenergie ist entscheidend für die Stärkung der Sicherheit unseres Landes, die Deckung des künftigen Energiebedarfs und die Bewältigung des Klimawandels. Amazon unterstützt das Versprechen der World Nuclear Association und ist stolz darauf, im letzten Jahr mehr als 1 Milliarde US-Dollar in Kernenergieprojekte und -technologien investiert zu haben, was Teil unseres umfassenderen Klimaversprechens ist, bis 2040 netto kohlenstofffrei zu sein.“
Urvi Parekh, Leiterin für globale Energie, Meta, sagte: „Mit dem Wachstum der globalen Wirtschaft ist der Bedarf an einer zuverlässigen, sauberen und widerstandsfähigen Energieversorgung von größter Bedeutung. Die Kernenergie mit ihrer Fähigkeit, kontinuierlich Strom zu liefern, kann dazu beitragen, diesen steigenden Bedarf zu decken. „Wir freuen uns, dass wir uns mit der Verdreifachung des Nuklearversprechens dieser organisationsübergreifenden Anstrengung anschließen können, um unser Engagement für die Kernenergie zu bekräftigen.“
Edward Stones, Geschäftlicher Vizepräsident, Dow Energy & Climate, sagte: „Energie ist das Lebenselixier der globalen Industrie. Daher sind Investitionen und die Ausweitung des Zugangs zu sauberer, zuverlässiger und wettbewerbsfähiger Kernenergie für den industriellen Fortschritt von entscheidender Bedeutung. Dow ist der Ansicht, dass die Kernenergie, insbesondere die vielversprechende Technologie der fortgeschrittenen kleinen modularen Kernenergie, eine langfristig wettbewerbsfähige Quelle für sichere, stabile und saubere Energie ist.“
Sama Bilbao y Leon, Generaldirektorin der World Nuclear Association, die die globale Atomindustrie vertritt und die Initiative für das Versprechen leitete, sagte: „Die beispiellose Unterstützung, die heute von einigen der einflussreichsten Unternehmen der Welt angekündigt wurde, um die globale Atomkapazität bis 2050 mindestens zu verdreifachen, ist ein klares Signal, politische, finanzielle und regulatorische Veränderungen zu beschleunigen, die eine rasche Ausweitung der Atomkraft ermöglichen.“ Die weltweite Verlagerung hin zu mehr Kernenergie zeigt, dass dies der einzige Weg ist, um die reichlich vorhandene, feste und saubere Energie zu liefern, die für Wachstum und Innovation in der Technologie, einer Vielzahl anderer Branchen und der gesamten Wirtschaft benötigt wird.“
Laurent Odeh, Vertriebsleiter von Urenco, das angereichertes Uran für bestehende und neu konzipierte Reaktoren liefert, sagte: „Es wird sehr viel schwieriger sein, Umweltprobleme zu lösen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung der Welt zu fördern, wenn es keine zuverlässige Grundversorgung rund um die Uhr gibt. Diese Unterstützung durch große Energieverbraucher ist ein weiteres Zeichen für die Regierungen, neue Nuklearprojekte zu ermöglichen, damit wir den Bau beschleunigen und den Energiebedarf der Industrie und der Öffentlichkeit decken können.“
Hinweis für Redakteure
Die Ankündigung erfolgt auf der Veranstaltung der World Nuclear Association auf der Innovation Agora am Mittwochabend. Wenn Sie an der CERA-Woche teilnehmen, können Sie sich hier für die Veranstaltung anmelden.
Die Kernenergie erzeugt 9 % des weltweiten Stroms aus 439 Leistungsreaktoren.
Neben der Stromerzeugung werden Kernreaktoren auch zur Entsalzung, Fernwärme und Prozesswärme eingesetzt, mit 750 Jahren Betriebserfahrung.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wird der weltweite Energieverbrauch weiterhin jährlich um etwa 4 % steigen.
Informationen zur Verdreifachung der weltweiten Kernenergiekapazität
Das Ziel, die Kernenergiekapazität bis 2050 zu verdreifachen, wurde erstmals auf dem Weltnuklearsymposium im September 2023 und in Partnerschaft mit Emirates Nuclear Energy Corporation im Vorfeld der COP28 in Dubai vorgestellt und hat die Unterstützung von 31 Ländern durch die Erklärung zur Verdreifachung der Kernenergie und von mehr als 140 Unternehmen der Nuklearindustrie durch ein begleitendes Versprechen der Branche erhalten. Vierzehn der weltweit größten Finanzinstitute unterstützten das Ziel im September 2024. Nun hat sich ihnen eine branchenübergreifende Gruppe großer Energieverbraucher angeschlossen, die sich auf einer Konferenz, die den gesamten Energiesektor umfasst, öffentlich für das gleiche Ziel ausgesprochen hat.
Die Initiative für das Versprechen großer Energieverbraucher wurde von der World Nuclear Association und ihren strategischen Partnern im Rahmen der Netto-Null-Nuklear-Initiative geleitet, darunter die Urenco Group, Mitveranstalter der CERAWeek, und die Cameco Corporation.
Wenn Ihr Unternehmen für sein künftiges Wachstum auf saubere, feste Energie angewiesen ist, ist es jetzt an der Zeit zu handeln. Schließen Sie sich uns an und setzen Sie sich für den Ausbau der Kernenergie ein, indem Sie das Versprechen großer Energieverbraucher unterzeichnen. Für weitere Informationen zur Teilnahme am Versprechen wenden Sie sich bitte an pippa.eames@world-nuclear.org
Informationen zur World Nuclear Association
Die World Nuclear Association ist die internationale Organisation, die die weltweite Atomindustrie vertritt. Ihre Aufgabe ist es, ein breiteres Verständnis der Kernenergie bei den wichtigsten internationalen Einflussnehmern zu fördern, indem sie maßgebliche Informationen bereitstellt, gemeinsame Standpunkte der Industrie entwickelt und zur Energiedebatte beiträgt sowie den Weg für eine Ausweitung des Kernenergiegeschäfts ebnet.
Weitere Informationen finden Sie unter world-nuclear.org
Schlichtweg frustrierend
So weit, so gut (bzw. schlecht). Natürlich könnte man das Ganze als feuchten Wunschtraum ein paar selbstgefälliger Lobbyisten abtun, aber insbesondere ein Aspekt lässt bei mir die Alarmglocken schrillen: Mit Google, Amazon und Meta gehören drei der mächtigsten (vielleicht sogar DIE mächtigsten) Technologie-Konzerne zu den Unterstützern des atomaren Irrwegs. Und aufgrund ihrer Bedeutung und ihres Einflusses auf unsere aller täglich Leben (beruflich wie privat) dürfte es schwer bzw. realistischerweise sogar eher unmöglich sein, hier nicht unfreiwillig zum Unterstützter dieses Wahnsinns zu werden. Eine aus meiner Sicht äußerst frustrierende Situation (Anm.: Meine Suche nach Auswegen und Alternativen läuft bereits – die Ergebnisse erwarten Sie im Nachfolgeartikel zu diesem Beitrag).
Bis dahin möchte ich Ihnen schon einmal ein paar Zahlen, Daten und Überlegungen mit auf den Weg geben.
Zunächst, wie ein solches Vorhaben zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen in der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) passt: Das EU-Recht verpflichtet alle großen Unternehmen und alle börsennotierten Unternehmen (mit Ausnahme börsennotierter Kleinstunternehmen), Informationen über ihre Risiken und Chancen, die sich aus sozialen und ökologischen Belangen ergeben, sowie über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Mensch und Umwelt offenzulegen. Die ersten Unternehmen müssen die neuen Regeln erstmals im Geschäftsjahr 2024 für Berichte anwenden, die im Jahr 2025 veröffentlicht werden. Details und weiterführende Informationen dazu findet man unter https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/betrieblich_umweltschutz/emas/nh-berichterstattung.html
Für einen tatsächlich höchst problematischen Aspekt halte ich, dass die EU in ihren Regularien die Kernenergie praktisch selbst für „grün“ erklärt hat (Wobei die Gegenrechnung von vermiedenem CO2-Ausstoß versus angehäuftem Atommüll meines Erachtens in keiner Weise aufgehen kann). Und so darf es auch nicht verwundern, dass unter diesem Deckmantel bei der UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) Ende 2023 rund 20 Staaten zum Ausbau der Atomkraft aufgerufen haben. Eine gemeinsame Erklärung kam unter anderem von der USA, Frankreich, Großbritannien sowie dem Gastgeberland Vereinigte Arabische Emirate. Ziel sei es, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern, hieß es. Damals wurde der Inhalt der obigen Presseaussendung quasi vorweggenommen: Verlangt wurde von der Staatengruppe, die installierte Leistung der Atomkraftwerke weltweit bis 2050 zu verdreifachen – verglichen mit dem Stand von 2020. Verbreitet wurde die Erklärung durch den US-Klimabeauftragten John Kerry. Zu den Unterzeichnern zählen auch Belgien, Finnland, Japan, Polen, Schweden und die Ukraine, nicht aber Russland und China. Kerry verwies auf Aussagen aus der Wissenschaft, wonach Klimaneutralität bis 2050 ohne Atomkraft „nicht erreichbar“ sei. In der Erklärung wurde auch gefordert, dass internationale Finanzinstitutionen den Ausbau der Atomkraft fördern sollen. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, der ebenfalls weitere Investitionen in die Kernkraft verlangte: Es wäre ein „Fehler“, die Atomenergie aufgrund von Problemen bei einigen Projekten abzulehnen, wie er der Nachrichtenagentur AFP sagte. (Als Lichtblick und denkerischer Gegenpol auf der COP28 dürfen übrigens jene fast 120 Staaten genannt werden, die das Ziel teilen, die Energieerzeugung aus Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen.)
Um all das überhaupt einordnen zu können, habe ich Wikipedia mit dem Begriff „Energiebedarf“ bemüht. Dort heißt es: „Der Weltenergiebedarf ist die Menge an Primärenergie, die weltweit von der Menschheit im Jahr benötigt wird. 2023 lag der Weltprimärenergiebedarf bei 619,63 Exajoule (EJ) (entspricht etwa 172,11 Petawattstunden (PWh) oder 14,780 Gigatonnen Öleinheiten). Bei der Nutzung dieser Energie wurden ca. 35,13 Mrd. Tonnen Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Im Jahr 2010 lag der Weltenergiebedarf bei 505 EJ (etwa 140 PWh).“ Und ein paar Zeilen weiter: „Die Internationale Energieagentur (IEA) ging im Jahr 2023 davon aus, dass die fossilen Energien (Erdöl, Erdgas, Kohle) bis 2030 ihren Höhepunkt des Verbrauchs erreichen werden, aufgrund von mehr erneuerbaren Energien. Weltweit werden Fördermaßnahmen aufgelegt, um erneuerbare Energien zu erschließen (siehe Energiewende nach Ländern). Die Sonne liefert 3.900.000 Exajoule/Jahr an die Erde, also rund das 5.000-fache des Weltprimärenergiebedarfes.“
„Strahlende“ Aussichten
Auf der Website der World Nuclear Association (https://world-nuclear.org/nuclear-reactor-database/summary) findet man einige weitere interessante Zahlen zur Nuklearenergie: 440 derzeit in Betrieb befindliche Reaktoren umfassen eine  Gesamtleistung von 398.680 Megawatt. Damit sorgen sie für 9% der globalen Stromproduktion (2,601,617 GWh – Stand 2023). Weitere 66 Atomreaktoren sind derzeit in Bau und sollen weitere 67.214 MW an elektrischer Energie liefern.
Laut der Umweltschutzorganisation Global2000 betreiben 12 der 27 EU-Staaten Atomkraftwerke in Europa. Mit 101 Reaktoren stehen hier ungefähr ein Viertel der weltweiten Reaktoren (1989 waren es noch 177 Reaktoren in der EU). Klar an der Spitze liegt hierFrankreich, wo 56 Reaktoren an 18 Standorten betrieben werden und fast zweit Drittel der gesamten Stromproduktion des Landes aus nuklearer Erzeugung stammen.
Zum Vergleich: In den USA sind momentan an 52 Standorten 54Kernkraftwerke mit 94 Reaktorblöcken und einer installierten Nettogesamtleistung von 96,952 GW am Netz. In China wurden Ende 2022 insgesamt 54 Reaktorblöcke mit einer installierten Nettogesamtleistung von 52,15 GW betrieben, womit China nach Anzahl und installierter Leistung hinter den USA und Frankreich auf Platz 3 des globalen rankings liegt. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt weitere 22 Reaktorblöcke im Bau, 46 wurden aktiv geplant und weitere 152 geprüft – jeweils mehr als in jedem anderen Land der Erde. Im Vergleich zu 2012 hatte sich die installierte Leistung mehr als vervierfacht und der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung wuchs bis 2021 auf 5%. In Russland sind insgesamt 34 Kernreaktoren mit einer Gesamtkapazität von 26,242 GW in Betrieb, sieben weitere Reaktoren mit einer Leistung von ca. 7,9 GW werden derzeit gebaut.
Wesentlich problematischer als der Bau von Atomkraftwerken ist bekanntlich deren Betrieb und erst Recht all das, was „nachher“ kommt – Stichwort Atommüll. Laut Wikipedia sind aktuell in 19 der 41 Länder, die Kernenergie nutzen, Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Betrieb. Dabei werden meist Abfälle mit kurzer Halbwertszeit (< 30 Jahre) in oberflächennahe Kammern in bis zu 10 m Tiefe eingelagert. Nach Beendigung des Einlagerungsbetriebs schließt sich eine ca. 300 Jahre lange Überwachungsphase an, während der die Nutzung des Geländes normalerweise eingeschränkt aber möglich ist. In Schweden und Finnland gibt es Endlager in Form von oberflächennahen Felskavernen in Tiefen von etwa 70 bis 100 m unter der Erdoberfläche. Für hochradioaktive und langlebige Abfälle wird weltweit zumeist die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen angestrebt. Derzeit gibt es gerade einmal sechs Endlager für hochradioaktive Abfälle (drei davon in Russland), in mehreren Staaten befinden sich solche Endlager in unterschiedlichen Phasen der Realisierung. In Finnland etwa befindet sich das geologische Tiefenlager Onkalo, als Teil des Endlagers Olkiluoto, seit September 2024 in einem Testbetrieb. Ab heuer sollen die Einlagerungsstollen mit verbrauchten Brennstäben befüllt werden.
Den Wikipedia-Eintrag zu Endlagerkonzepten sollte man sich dabei besonders auf der Hirnrinde zergehen lassen: Da Radioaktivität niemals auf Null zurückgeht, muss ein Vergleichsmaßstab herangezogen werden, um festzulegen, wie lange Atommüll sicher von der Biosphäre abgesondert bleiben muss. Bei der Einlagerung in tiefe geologische Formationen ist der allgemein akzeptierte Vergleichsmaßstab die Radioaktivität natürlicher Uranvorkommen. Je nach Art der betrachteten Uranlagerstätte kann ein längerer oder kürzerer Isolationszeitraum notwendig erscheinen. In Deutschland ist die Anforderung auf eine Million Jahre hinaufgesetzt worden: „In Anlehnung an Anforderungen des AkEnd (2002) sowie der Sicherheitskriterien (Baltes et al. 2002) wurde von einem notwendigen Isolationszeitraum, d. h. dem Zeitraum, für den die Schadstoffe im einschlusswirksamen Gebirgsbereich des Endlagers zurückgehalten werden müssen, in der Größenordnung von 1 Million Jahre ausgegangen.“
Angesichts dieses enormen Zeithorizonts, des Aufwands und der Kosten wäre es also wünschenswert, wenn man den Atommüll einfach „weg“ schaffen könnte – oder wie es das Nachrichtenportal RND.de in einer Kolumne auf den Punkt brachte: „Könnten wir den Atommüll nicht im Weltall entsorgen?“ Das klinge einfacher als es tatsächlich ist, klärte der dortige Redakteur die Leser auf, denn: Es bräuchte mehrere Raketen, um den Müll – es gibt 300.000 Tonnen von radioaktivem Atommüll auf der Erde – in Richtung Sonne zu transportieren. Die Kosten dafür werden auf mehrere Billionen US-Dollar geschätzt. Dazu komme ein hohes Risiko beim Raketenstart – die Folgen einer Raketenexplosion wären auf der Erde verheerend.
Ich habe mir auch das durch den Kopf gehen lassen: Die Chefs einiger führender globaler Tech-Konzerne sind ja erpicht darauf, lieber heute als morgen den Weltraum zu erkunden. Das nötige Kleingeld hätten sie wohl auch. Vielleicht könnte man den einen oder anderen ja als Flugbegleiter mit auf die Reise schicken…
Dankeschön für die Risiken und vor allem für das dann teuer sozialisierte strahlende Erbe an kommende Generationen!
Kurzsichtiger Profit rulez.