Qualifikation versus Quote

Als ich 2010 zur E&W kam und das Hausgeräteressort (redaktionell) übernahm, waren die Führungsetagen der Hausgerätehersteller nahezu ausschließlich mit Männern besetzt. Rückblickend fällt mir auf die Schnelle nur eine einzige Frau ein, nämlich Sandra Lubej, die Gorenje Österreich viele Jahre lang erfolgreich lenkte.
Heute präsentiert sich die Situation anders. Für die (derzeit noch in der Druckerei befindliche) E&W April-Ausgabe führte ich drei Interviews mit vier Geschäftsführern – drei davon sind Frauen: Sandra Kolleth, die Miele in den letzten sieben Jahren durch die Pandemie und alle daraus resultierenden Herausforderungen geführt hat. Ihre Nachfolgerin Monika Eder, die seit zwei Jahren beim Premiumhersteller tätig ist (ua. als Director Finance) und davor leitende Positionen bei Jaguar Land Rover innehatte. Dann sprach ich auch noch mit Claudia Memminger, die seit mittlerweile 10 Monaten die Geschicke von Nespresso in Österreich verantwortet. Und dann gibt es in der Hausgerätebranche auch noch Susanne Harring, GF von De’Longhi/ Kenwood, und Ulrike Pesta, CEO der BSH Hausgeräte. (Sorry, falls ich jemanden vergessen habe!)
Ich weiß nicht, warum der Frauenanteil in den letzten Jahren so stark gestiegen ist in den Führungsetagen. Doch ich finde es grundsätzlich gut, da es das ganze Business bunter und vielfältiger macht. Frauen und Männer haben unterschiedliche Herangehensweisen und Führungsstile und zu dem einen Unternehmen passt das eine besser und zum anderen Unternehmen das andere. Aber liegt es tatsächlich an den Qualifikationen? Oder geht es doch eher oft nur darum eine Quote zu erfüllen? … um als Unternehmen nicht ins frauenfeindliche Eck gestellt zu werden und vielleicht sogar einen Shitstorm zu riskieren (wie es ja zB. auch der Fall ist, wenn man nicht gendert).
Es wird in der Öffentlichkeit so viel über Gleichberechtigung und Chancengleichheit im Berufsleben diskutiert. Begriffe wie „Symbolwirkung“ und „verpflichtende Frauenquoten“ (in manchen EU-Ländern übrigens bereits eingeführt) werden ins Spiel gebracht. Meiner Meinung nach schießt das gewaltig am Ziel vorbei. Während vordergründig darüber diskutiert wird, welche Position mit welchem Geschlecht zu besetzen ist, und welche Außenwirkung das mit sich bringt, scheinen das Können, die Kenntnisse und Qualifikationen jedes einzelnen Individuums völlig an Bedeutung zu verlieren. Das geht in manchen Unternehmen sogar soweit, dass Bewerbungen von Männern für eine Führungsposition gar nicht zugelassen werden, sondern von vornherein feststeht, dass eine Frau an die Spitze MUSS – und umgekehrt. Soweit sollte es nicht kommen. Es sollte (wie in vielen Lebensbereichen übrigens) um das Individuum, seinen Charakter und seine Fähigkeiten gehen, und nicht um Klischees. Mann oder Frau? Reduziert ein Unternehmen die Bewerber lediglich auf ihr Geschlecht, dann beraubt es sich selbst vieler Chancen – riskiert schlimmstenfalls den eigenen Erfolg.
Wie auch immer …
… ob Miele, BSH, De’Longhi oder Nespresso: Wie ich mich in Gesprächen überzeugen konnte, ist jede einzelne Geschäftsführerin dieser Unternehmen hochintelligent, taff und einfühlsam dabei. Diese Frauen sind teamorientiert, kommunikativ, flexibel und anpassungsfähig, können aber auch beinhart sein – beste Voraussetzungen also für eine Führungsposition. Ich bin überzeugt, dass sie „das Kind schaukeln“ werden – jede einzelne von ihnen. Dabei beneide ich derzeit wirklich niemanden darum, ein Unternehmen zu führen. Wirtschaftlich waren die Zeiten nie volatiler, die Herausforderungen nie größer – umso mehr wünsche ich gleichermaßen allen Frauen und Männern in Führungspositionen viel Erfolg, Kraft und Durchhaltevermögen.
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