Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Dienstag, 22. April 2025
Editorial E&W 4/2025

Wer vertritt hier wen und was?

Wolfgang Schalko | 06.04.2025 | Bilder | |  Meinung
Das Ergebnis ist schlichtweg ernüchternd: Rund drei Viertel der österreichischen Unternehmer agieren fremdbestimmt. Zumindest, wenn es um die Vertretung ihrer Interessen in bzw. durch die WKÖ geht. Lediglich 26,5% der Wahlberechtigten haben bei der Wirtschaftskammerwahl 2025 ihre Stimme abgegeben. Ein trauriger Tiefststand, der einige grundsätzliche Fragen aufwirft. Und nein, das soll jetzt kein WKÖ-Bashing werden.

Die aktuelle WK-Wahl muss deshalb als Beispiel herhalten, weil es kaum ein anderes derart plakatives gibt und weil es sich dabei um etwas handelt, dass Sie und mich – uns alle als Unternehmer – gleichermaßen betrifft. Folgendes wurde auf der WKÖ-Website zum Wahlergebnis veröffentlicht: „Gewählt wurde in 593 Wahlkörpern. Dabei konnten insgesamt 774.249 Wahlrechte ausgeübt werden. 204.996 Stimmen wurden abgegeben. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 26,5 Prozent. Gegenüber den Wahlen 2020 bedeutet das ein Minus in der Wahlbeteiligung von 7,2 Prozentpunkte.” So weit, so gut. Blickt man zurück ins Jahr 2020, zur vorigen WK-Wahl, war dort bei der Ergebnisbekanntgabe zu lesen: „Gewählt wurde in 587 Wahlkörpern – in 270 Wahlkörpern gab es Friedenswahlen. Dabei konnten insgesamt 692.877 Wahlrechte ausgeübt werden. 233.430 Stimmen wurden abgegeben. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 33,7 Prozent. Gegenüber den Wahlen 2015 bedeutet das ein Minus in der Wahlbeteiligung von 5,2 Prozent.” Anders ausgedrückt: 2015 lag die Wahlbeteiligung noch bei 38,9 Prozent – ein Wert, auf den sie von über 40 Prozent im Jahr 2010 gefallen war. Und noch einmal anders ausgedrückt: Innerhalb von 10 Jahren ist der WKÖ rund ein Drittel ihrer aktiven Wähler abhanden gekommen. Wenig verwunderlich also, dass direkt im Anschluss an die heurige Wahl die Legitimationsfrage gestellt wurde. Wieder einmal. Aber so laut wie noch nie.

Damit hat die Wirtschaftskammer mit einem Problem zu kämpfen, das aus dem (partei-)politischen Alltag bestens bekannt ist: Vom eigenen Tun fühlt sich ein Großteil der zu Vertretenden – Mitglieder, Staatsbürger, etc. – nicht repräsentiert. Was Frust und Widerwillen weiter steigert und die Negativspirale der Polit- und Handlungsverdrossenheit munter am Laufen hält. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist meines Erachtens eine der momentan am dringendsten gefordeten Künste – auf Seite der Volks- ebenso wie auf jener der Interessenvertreter. Was wiederum nicht nur die Wirtschaftskammer betrifft, sondern eine ganze Reihe von Verbänden und Organisationen. Im Unterschied zu den sonst zumeist auf Freiwilligkeit und/oder persönlicher Überzeugung basierenden Zusammenschlüssen, trägt die Wirtschaftskammer allerdings die Last der Zwangsmitgliedschaft. Diese sorgt in Zeiten, wo Selbstbestimmung und „Macher-Mentalität” groß geschrieben werden, bei vielen Betroffenen reflexartig für Widerstand. Dabei wird nur allzu gerne vergessen, welche Funktionen die WKÖ erfüllt, welche Leistungen sie für ihre Mitglieder erbringt und wie die Wirtschaftswelt ohne sie aussehen würde. „Besser!”, würden die gerade erwähnten Reflex-Widerständler wohl rufen. Definitiv anders, bisweilen chaotisch, würde ich viel eher vermuten und denke dabei an geschützte Gewerke wie die Elektrotechnik. So betrachtet steht die WKÖ für einen Begriff, der dieser Tage öfter durch die Medien geht: die regelbasierte Ordnung. Was passiert, wenn man diese von heute auf morgen und völlig planlos übjer den Haufen wirft, lässt sich als skurriles Schauspiel derzeit im Heimatland des „lustigsten” aller Donalds beobachten.

Die Frage, wie die die Wirtschaftskammer ihr Dasein in Zukunft rechtfertigen kann, sollte also dringenst angegangen werden, um die noch vorhandene Basis nicht auch noch zu vergraulen bzw. zu verlieren. So einschneidend der Rückgang bei der Wahlbeteiligung auch gewesen sein mag – mehr als 200.000 abgegebene Stimmen von Unternehmern sind jedenfalls auch nicht nichts. Und so schwer es angesichts der vielen konträren Interessenslagen und Standpunkte innerhalb der Wirtschaftskammer auch sein mag, gilt es eine Linie zu finden und darauf aufbauend für Glaubwürdigkeit zu sorgen. Denn nur so lässt sich Vertrauen herstellen – und Vertrauen wiederum ist das Um und Auf eines jeden repräsentativen Systems (und das sind die meisten hierzulande).

An dieser Stelle habe ich mir die Frage gestellt, ob die Repräsentation als Modell vielleicht grundsätzlich ausgedient haben könnte. Doch was wären mögliche Alternativen? Nicht nur das politische System Österreichs oder die Organisation der Wirtschaftskammer beruht auf diesem Prinzip, sondern bei näherer Betrachtung auch der Handel oder das Medienwesen, sofern man sich einer bestimmten Gruppe (=Kunden bzw. Leser) verpflichtet fühlt. Wende ich mich als Kunde an den Fachhändler meines Vertrauens, dann in der Annahme, dass dieser meine Interessen und Bedürfnisse besser in ein Produkt bzw, eine Lösung zu übersetzen weiß als ich selbst oder irgendjemand sonst. Der Händler steht also für die bestmögliche Erfüllung des Kundenwunsches. Dieses Prinzip macht manche und manches äußerst schlagkräftig, während dort, wo weitreichende Kompromisse eingegangen werden müssen oder sich inhärente Interessenskonflikte im Wege stehen, eine entsprechende Schwächung die logische Konsequenz ist. Das Sprichwort, dass ein guter Kompromiss ein solcher ist, der alle Beteiligten unzufrieden macht, gilt also definitiv nicht immer.

Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf können Sie sich den Berichten und Artikel der nächste Woche erscheinenden E&W-Ausgabe 4/2025 widmen, für die wir nichts Geringeres als die Zukunft der erneuerbaren Energie unter die Lupe genommen haben – anhand der beiden Messen e-nnovation Austria und WEBUILD Energiesparmesse sowie dem PV-Kongress des Bundesverbands Photovoltaic Austria. Schließlich repräsentieren diese Veranstaltungen die Entwicklungen eines Sektors, dessen essenzielle Bedeutung längst außer Zweifel steht und der – mehr als billiges Gas oder ein verzweifeltes Festhalten am Verbrennermotor – den Wohlstand und die Soueränität Österreichs bestimmen wird. Dahingehend haben wir auch das Programm der neuen Bundesregierung auf den Prüfstand gestellt.

Ich bin überzeugt davon, dass es für den Einzelnen – als Mensch wie auch als Unternehmen – weiterhin Sinn macht, seine Interessen in die Hände von Repräsentanten zu legen. Von diesen wiederum erwarte ich ein konstruktives Ringen um eben diese Individuen. Und hätte dafür persönlich gerne stets zwei konkrete Fragen beantwortet: Wohin gehen wir? Und: Wofür stehen wir?

Bilder
Diesen Beitrag teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden