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Sonntag, 18. Mai 2025
Streitpunkt Schuhe

An oder aus – das ist die Frage

Über den Rand | Stefanie Bruckbauer | 27.04.2025 | Bilder | |  Meinung
Ich schätze, dass ein Großteil der Leser schon mal mit dieser Thematik konfrontiert war. Es ist kein wichtiges Thema, kein lebensrelevantes, das den Alltag bestimmt, aber es kann dennoch zu komischen Situationen führen, zu einem unangenehmen Gefühl und einer seltsamen Stimmung.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein formelles Treffen. Ein kurzes Klingeln an der Haustür. Der Gastgeber öffnet und begrüßt die Gäste mit einem bestimmten „Bitte ziehen Sie die Schuhe aus!” Verdutzt schaut die Frau ihren Mann an: Er trägt einen dunklen Anzug, sie ein festliches Cocktailkleid. Meint der Gastgeber das wirklich ernst? Beide zögern und überlegen innerlich: Brav die Schuhe ausziehen oder einfach anlassen? Schwierige Situation, denn der Gastgeber ist ein beruflicher Kontakt, ein potentieller Kunde sogar. Doch eine innere Stimme flüstert: Eigentlich wäre es besser, jetzt wieder nach Hause zu fahren …

Alle barfuß? Für Fußfetischisten wahrscheinlich ein Traum!

Die Frage, ob Gäste die Schuhe ausziehen sollen, bzw. ob man als Gastgeber darauf bestehen darf, dass Gäste die Schuhe ausziehen, wenn sie das Zuhause anderer besuchen, beschäftigt offenbar viele Menschen. Und dieses Thema polarisiert, wie ein Blick ins Netz zeigt. Da gibt es die Befürworter, die ihr Zuhause gerne als strassenschuhfreie Zone halten. Und da gibt es die Gegner, die in ihrer Argumentation oft auch recht scharf vorgehen. Nur wenn eine gesundheitliche Notwendigkeit der Gastgeber vorliege, könne man der Aufforderung die Schuhe auszuziehen aus Rücksichtnahme Folge leisten. Ansonsten sei es „eine grobe Unhöflichkeit, die Gäste zu zwingen, sich in dem Intimbereich der Füße zu entblößen. Der Gast ist König und wird so akzeptiert, wie er ist“, heißt es da zum Beispiel.

Sehr klare Worte gibt es auch von dieser Person: „Ganz eindeutig: nein, die Schuhe werden nicht ausgezogen. Man stelle sich bitte mal eine Dame im Cocktailkleid in Pantoffeln oder ähnlichem vor. Es ist sogar eine Unmöglichkeit vom Gastgeber, zu verlangen, die Schuhe auszuziehen, und wenn darauf bestanden wird, sollte man höflich erklären, dass man dann leider nicht bleiben könne.“

Es geht auch noch deutlicher: „Diese Forderung (Anm.: die Schuhe auszuziehen) halte ich für völlig unerträglich, unakzeptabel und kleingeistig und ist in unserem Haus völlig ausgeschlossen! Im Gegenteil: Wir ersuchen Gäste sogar, die Schuhe tunlichst anzubehalten!“ Einer schrieb, dass das Schuhe ausziehen müssen „einfach nur eklig und erniedrigend“ sei und an anderer Stelle hieß es: „Allein die Tatsache, dass man gebeten wird, die Schuhe auszuziehen sagt bereits alles über die Gastgeber. Ich denke, niemand der etwas von echter Gesellschaft und wirklichem Stil versteht, wird solche Bekannte haben.“

Überhaupt scheinen viele Schuhe-im-Haus-Befürworter sehr vehement hinter ihrer Einstellung zu stehen, wie auch das Statement dieses Herrn beweist: „Persönlich finde ich die Aufforderung die Schuhe auszuziehen eine absolute Zumutung. Sie signalisiert Unreinheit in welcher Form auch immer – und eine penetrante Pedanterie – des Einladenden. Die angebotenen Hotelbadeschlappen anzuziehen finde ich noch viel schlimmer. Das sieht, gleich an wem, dermaßen lächerlich aus, dass es schon fast grotesk ist.“ Auch ich kannte jemanden, der großer Fan des Strassenschuhe-im-Haus-Tragens war – in fremden Häusern sowie im eigenen. Spannend fand ich die Erklärung, die da lautete: „Ich finde es extrem unhygienisch und grauslig, wenn Leute mit Socken oder vielleicht sogar schlimmstenfalls barfuß durch Wohnräume gehen.“ Manch Strassenschuhe-im-Haus-Befürworter ortet ja Fussfetischismus, wenn man seine Gäste bittet die Schuhe auszuziehen: „Die wollen ihre weiblichen Gäste doch nur gerne mal in Nylons sehen“, schreibt einer. Viele behaupten von sich, fix den Besuch abzusagen bzw. am Stand umzukehren, wenn sie gebeten werden, die Schuhe auszuziehen.

Manche bieten ihren Gästen auch Schuhüberzieher, sogenannte Galoschen, an. Das sieht meines Erachtens schlimmer aus, als würde man bloß in Socken gehen 😉

Meine Recherche im Netz zeigt: Die Strassenschuhe-im-Wohnraum-Befürworter sind eindeutig die radikalere Gruppe. Jene, die keine Schuhe Zuhause wollen, zeigen sich viel versöhnlicher und lösungsorientierter. So bieten manche, um die Situation zu entschärfen, „kleine Putzsets“ am Eingang an, damit sich die Gäste eventuellen Schmutz von den Schuhen entfernen können. Teppiche würden „dann natürlich zusammengerollt“. Lediglich die Damen kriegen den Hinweis, im Wohnzimmer mit Parkett-Fußboden äußerst vorsichtig aufzutreten, um eben jenen zu schonen. Für andere Gelegenheiten werden günstige Gäste-Hauspatschen (ähnlich jenen, die man aus Hotels kennt) in verschiedenen Farben und Größen besorgt. Und manche bieten auch Überzieher an, wie man sie u.a. von Booten kennt. Da müssen die Schuhe gar nicht erst ausgezogen werden, sondern sie bekommen einfach dieses „Kunststoff-Sackerl-mit-Gummizug-Verhüterli“ übergestülpt, was meines Erachtens dann noch viel schlimmer aussieht, als würde man lediglich in Socken gehen.

Outing

Dieses Thema spaltet die Menschen offensichtlich in zwei Lager und ich oute mich jetzt: Ich gehöre zum Lager derjenigen, die ihre Gäste darum bitten die Schuhe auszuziehen. Erstens weil wir fast zur Gänze einen unbehandelten, (zu) heiklen Holzboden haben und ich nicht möchte, dass er irgendwelche Spuren (zB von Kieselsteinchen in der Sohle) davonträgt oder Verschmutzungen, die sich ins Holz und die Spalten drücken und nicht mehr so leicht zu entfernen sind. Auch die Teppiche unterm Esstisch und im Wohnzimmer sind eher von der heiklen Sorte – auch da möchte ich Dreck nicht auf Knien, in Kreisen schrubbend mühselig entfernen müssen.

Und zweitens, weil mir ungemein vor der Vorstellung graust, dass mein Gast zuvor auf der Strasse entweder in Hundekotreste gestiegen ist oder in Reste von Erbrochenem oder in Spuke (fällt Ihnen auch auf, dass Leute wieder vermehrt auf die Strasse spucken? Ich dachte diese Unart hat in den 90iger Jahren aufgehört) und das bei uns im Haus verteilt. Wobei: Der allergrößte Teil unserer Freunde, Bekannten und generell Gäste, zieht die Schuhe ohnehin ungefragt aus, wenn sie zu uns kommen. Die meisten davon, weil sie es in ihrem Zuhause genauso handhaben. Manche erkundigten sich beim ersten Besuch, wie wir es denn gerne hätten, und richten sich seitdem danach. Nur ganz vereinzelt mussten wir einen Gast darauf hinweisen, die Schuhe im Haus bitte auszuziehen.

Das mag ich übrigens gar nicht: Leute, die wie selbstverständlich mit Strassenschuhen in ein fremdes Haus oder in eine Wohnung latschen, weil sie davon ausgehen, dass das jeder akzeptiert und für jeden ok ist. Ich empfinde es als ein Mindestmaß an Höflichkeit zumindest zu fragen, wie es in dem Haushalt, in den ich eingeladen bin, gehandhabt wird. Es stimmt schon: Trage ich ein schönes Kleid bzw. ein von der Schulter bis zur Sohle abgestimmtes Outfit, dann sieht es mit Socken oder Schlapfen an den Füßen komisch aus. Aber ganz ehrlich: ich bin dann ja nicht am Opernball, außerdem sind die Füße ja eh unterm Tisch, sodass sie selten zu sehen sind. Und darüber hinaus bin ich wegen den Leuten und einem netten Abend da, und nicht wegen einer Modeschau.

Das sagt der Knigge

Es hat mich dann interessiert: Wie lauten eigentlich die Benimmregeln dazu? Und wer könnte das besser beantworten als der Knigge? Die Antwort hat mich zum Teil überrascht. Eine Expertin in Sachen höfliches Miteinander erklärt nämlich: „Als Gast dürfen Sie davon ausgehen, dass Sie Ihre Schuhe anbehalten dürfen und sollen, wenn Sie das Haus eines anderen betreten. Schuhe sind ein fester Bestandteil Ihrer Garderobe. Sollten Sie gerade von einem Spaziergang über schlammigen Waldboden kommen oder starker Schneematsch Ihren Weg gekreuzt haben, dann haben Sie nach Möglichkeit Ersatzschuhe dabei (na klar! Immer!), die Sie vor Betreten des Hauses oder im Flur anziehen. Wenn Sie als Gastgeber auf dem Ablegen der Schuhe bestehen, halten Sie in jedem Fall saubere, ungetragene Hausschuhe oder rutschfeste Socken bereit.“ Ganz wichtig in diesem Zusammenhang seien saubere, ungetragene Hausschuhe, denn: „Einem Gast getragene Hausschuhe anzubieten ist eine grobe Unhöflichkeit. Darauf muss sich niemand einlassen. Im Zweifelsfall brechen Sie Ihren Besuch an dieser Stelle einfach ab.“

Und wie ist das aus Sicht des Gastgebers? Wäre es sehr unhöflich darauf zu bestehen, dass die Gäste die Schuhe ausziehen? „Der Gastgeber hat das Hausrecht inne und kann bestimmen wie Sie sich in seinem Haus bewegen. Höflich ist es allerdings, den Gast bereits bei der Einladung darauf hinzuweisen, dass Straßenschuhe im Haus nicht erwünscht sind, damit er selbst Vorkehrungen treffen kann“, sagt die Expertin, die übrigens zwischen Freunden und Fremden unterscheidet. Freunde und Verwandte werden sich mit der Forderung die Schuhe auszuziehen sicherlich eher arrangieren als Fremde, sagt sie. „Je näher man sich steht, desto wenig unangenehm mag es sein, sich mit entblößten Füßen vor dem anderen zu präsentieren. Die Schuhe auszuziehen ist schon eine sehr private, wenn nicht gar intime Geste. Deshalb sollte man dies niemals von Personen verlangen, von denen man sich Vorteile erhofft oder die man beeindrucken möchte.“

Forschung

Sie fragen sich vielleicht, wie ich überhaupt auf dieses Thema komme. Ganz einfach: In mein Mailpostfach flatterte letztens ein Bericht, in dem basierend auf Forschungsergebnissen empfohlen wurde, die Strassenschuhe aus hygienischen und gesundheitlichen Gründen am Eingang auszuziehen. Demnach würden die Schuhsohlen draußen nämlich mit zahllosen, nicht immer sichtbaren Chemikalien, Allergenen und Giftstoffen, etc. in Kontakt kommen, die daran kleben bleiben und ins Haus getragen werden, wenn man die Schuhe anlässt. Eine Analyse aus dem Jahr 2023 habe ergeben, dass mehr als die Hälfte aller Staubpartikel in Innenräumen aus dem Freien stammen, hereingetragen durch Straßenschuhe. Die Forscher warnten, dass alles von Blei bis hin zu Fäkalien im Schuhwerk enthalten sein könne.

Studien legen nahe, die Strassenschuhe aus hygienischen und gesundheitlichen Gründen am Eingang auszuziehen. Demnach würden die Schuhsohlen draußen nämlich mit zahllosen, nicht immer sichtbaren Stoffen in Kontakt kommen, die daran kleben bleiben und ins Haus getragen werden, wenn man die Schuhe anlässt.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 ergab, dass an Schuhsohlen sogar zum Teil „lebensbedrohliche Krankheitserreger“ kleben könnten. „An über einem Viertel der untersuchten Schuhsohlen war Clostridium difficile nachweisbar, ein Bakterium, das hoch ansteckend ist und Entzündungen im Dickdarm, Durchfall und Magenschmerzen verursachen kann“, hieß es dort mit dem Hinweis, dass solche Infektionen auch tödlich verlaufen können. Man könnte möglicherweise auch Escherichia coli (kann Darm- und Harnwegsinfektionen verursachen) einschleppen oder Staphylococcus aureus, was unter anderem die Ursache für Hautinfektionen, Lungenentzündungen und Gelenkentzündungen sein kann.

Insbesondere Teppichböden würden Schmutz aus dem Freien aufnehmen und als Staubfänger und -quelle fungieren, fand eine Studie aus dem Jahr 2020 heraus. „Die Keime, die man ins Haus trägt, können tagelang oder länger auf dem Fußboden leben. Wenn man dann den Boden und im Anschluss das Gesicht berührt, können die Keime in den Körper gelangen”, erklärte ein Forscher. Und es geht noch schlimmer, die Keime würden nämlich nicht nur am Fußboden haften bleiben, sondern es sei wahrscheinlich, dass Luftströme und Gehen über den Boden die Mikroorganismen aufwirbeln. „So können sie über die Luft übertragbar werden, das heißt, es ist möglich, dass man sie einatmet. Sie können sich aber auch auf andere Gegenstände, zum Beispiel Kleidung, absetzen. Als Staub in der Wohnung finden die Mikroorganismen ihren Weg sogar in Lebensmittel und Getränke“ …

SO, bevor ich den Hypochondern und Verschwörungstheoretikern unter uns noch mehr Stoff für abstruse Annahmen und Hypothesen liefere  ( 😉 ), schließe ich mit diesem Thema ab, ziehe davor aber noch ein Fazit. Schuhe anlassen oder ausziehen – wie auch immer man dazu steht: Wenn man keinen Streit und keine Mißstimmung will, sollte man die Einstellung des jeweils anderen einfach akzeptieren und sich schlicht aus Höflichkeit nach den Wünschen des Gegenübers richten. Rechnen Sie damit, dass dieses Thema bei Einladungen zur Sprache kommt und bereiten Sie sich für den Fall der Fälle vor (also entweder, dass Sie am Stand umkehren und auf ein Alternativprogramm für diesen Abend zurückgreifen müssen, oder, dass Sie schon im Vorfeld ein Outfit wählen, das auch mit Socken unwiderstehlich aussieht). Und zum Schluss noch ein Tipp von mir, wenn Sie eingeladen sind: Tragen Sie vorsichtshalber intakte, nicht abgewetzte Socken ohne Löcher. Sollten Sie Nylonstrümpfe tragen oder barfuß in den Schuhen stecken, achten Sie darauf, dass Ihre Füße (und Fußnägel) sauber und einigermaßen gepflegt sind und – wenn geht – nicht streng riechen. So können Sie gar nicht erst in eine unangenehme Situation kommen, sollten die Gastgeber ein Schuhe-aus-Kommando aussprechen 😊

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