Wenn die Dunkelflaute ihr Haupt hebt

Wie die E-Control laut den offiziellen Zahlen für 2023 und den vorläufigen für 2024 feststellte, sei Österreich demnach vom Nettoimporteur zu -exporteur geworden. Entscheidend dafür waren ein gutes Jahr für die Wasserkraft und der überaus starke Ausbau der Photovoltaik. Allein im Jahr 2024 kamen rund 2.100 Megawatt an PV-Leistung hinzu, womit die installierte PV-Gesamtleistung nun bei rund 8.600 Megawatt liegt.
Wenn solche Zahlen veröffentlicht werden, dann dauert es meist nicht lange bis die offiziellen Bedenkenträger ihre warnende Stimme erheben und laut die mangelnde Grundlastfähigkeit der Erneuerbaren – speziell Wind- und Sonnenenergie – beklagen. Die Dunkelflaute hebt ihr Haupt. Jene – meist regional begrenzte Wetterlage im Spätherbst oder Winter mit eingeschränkter Stromerzeugung aus PV und Windkraft – muss dann als Argument für einen Stopp oder zumindest die Verzögerung des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren herhalten.
Dabei wird eines allerdings vergessen. Die Grundlastfähigkeit der konventionellen Energieerzeuger steht ebenfalls auf tönernen Füßen. In den vergangenen Jahren hatten wir deswegen so viel Strom aus der grundlastfähigen Wasserkraft, weil die heimischen Flüsse viel Wasser führten. Das kann sich allerdings schlagartig ändern, wenn einmal nach einem milden bzw. trockenen Winter längere Zeit kein Regen fällt. Kommt dann noch ein heißer Sommer hinzu, dann wird auch die sonst so verlässliche Wasserkraft nicht mehr den Grundbedarf decken. Dieses Szenario ist angesichts des Klimawandels nicht aus der Luft gegriffen.
Aber auch die sonst als grundlastfähig gepriesenen kalorischen Kraftwerke – egal ob Gas oder Kohle – werden dann die Lücke nicht verlässlich füllen können, weil diesen Kraftwerke in so einem Szenario schlicht das Kühlwasser zu warm ist oder wegen des niedrigen Wasserstands der Flüsse überhaupt fehlt. Wegen solcher Probleme mussten in den vergangenen Jahren in Deutschland, Frankreich und Italien immer wieder Gas-, Kohle und Kernkraftwerke zurückgefahren oder ganz abgeschaltet werden. Nach einer schnellen Wikipedia-Recherche war das in den vergangenen zehn Jahren überregional zumindest drei Mal jeweils über mehrere Wochen in West- und Südeuropa der Fall.
Der einzige Stromversorger, welcher während dieser Hitzeperioden zumindest untertags – dann aber auf die Minute planbar – den Strom für die in diesem Zeitraum besonders „hungrigen“ Klimaanlagen lieferte, war ausgerechnet die als unzuverlässig verschriene Photovoltaik. Womit das Argument der Versorgungssicherheit auf den Kopf gestellt wird. D.h. aber auch, wir müssen die Erneuerbaren Energien ausbauen, weil uns der Klimawandel dazu zwingt. Es ist nicht nur ethisch der korrekte Weg, er ist auch wirtschaftlich notwendig und langfristig finanziell vernünftig.
Das zeigt aber auch, dass die Gegner der Energiewende, welche immer wieder mit der schwankenden Ausbeute der Erneuerbaren argumentieren, mit zweierlei Maß messen. Dass ganze Kraftwerk-Parks mit vielen GW-Erzeugungskapazität bei einer Hitzeperiode europaweit buchstäblich auf dem Trockenen sitzen, wird von den Vertretern der Fossilen ignoriert. Ich glaube allerdings, dass viele dieser Menschen weniger eine innige Beziehung zu Kohle oder Erdgas haben, sondern eher die Veränderung an und für sich scheuen. Auch wenn die zügige Umstellung – meiner Meinung – der einzig erfolgsversprechende Weg ist.
Wir wissen inzwischen, dass die mit der Energiewende verbundenen technischen Probleme lösbar sind. Die Herausforderungen bleiben dabei groß – keine Frage. Die Entkoppelung von Erzeugung und Verbrauch wird sich nur durch eine Kombination aus einem europäischen Netzausbau, kurz- und mittelfristiger Stromspeicherung sowie einer Flexibilisierung des Verbrauchs lösen lassen. Das kostet und erfordert politischen Willen. Aber wir kommen um diese Kosten eben nicht herum. Wir können sie auch nicht mehr in die Zukunft verschieben. Denn das oben beschriebene Problem wird mit jedem Jahr größer. Aber wenn wir diese Investitionen so oder so tätigen müssen, dann sollten wir auch den politischen Willen für diesen Umbau unseres Energiesystems aufbringen und diese Veränderung auch konsequent als Chance nutzen, anstatt darauf zu warten, dass China den nächsten europäischen Industriezweig vom Platz schießt. Und dabei sollten wir uns auch nicht von Lobbyisten einer sterbenden Industrie bremsen lassen.
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