Mit dem Vorschlaghammer

Dass Trump mit seiner Vorgehensweise im Alleingang den globalen Welthandel aus den Angeln gehoben hat, ist bisher einzigartig. Aus einer Mischung aus eingebildeten Benachteiligungen und Kränkungen heraus hat er zudem eine besondere Art der Verhandlungsführung an den Tag gelegt. In etwa vergleichbar mit einem Rollkommando bei einer Schutzgelderpressung.
Dass dabei viel Porzellan zerschlagen wurde, haben Trump und sein Team aus Beratern und Techno-Milliardären offensichtlich bewusst in Kauf genommen. Das Erstaunliche an der Vorgehensweise ist, dass Trump dabei verbündete Staaten aggressiver angeht als Staaten, die den USA eigentlich nicht so freundlich gegenüber eingestellt sind. Aber – und das muss man auch sagen – der Wahnsinn mit den überschlagenden Meldungen, Richtungswechseln, Rückziehern und Nachschlägen hat Methode. Denn mit dem von ihm verursachten Chaos hat er vor allem kleinere Handelspartner wiederholt in die Defensive gezwungen. Diese müssen laufend reagieren und sind damit kaum in der Lage, eine eigene Strategie zu entwickeln. Und wahrscheinlich rechnete Trump damit, dass vor allem kleinere, exponiertere Staaten unter diesen Umständen lieber irgendeinen Deal annehmen, selbst wenn dieser sehr viel schlechter ist, als das Risiko langer Verhandlungen einzugehen.
„In etwa vergleichbar mit einem Rollkommando bei einer Schutzgelderpressung.“
Das offenbart ein sehr problematisches Verständnis von Partnerschaft und Verhandlungen. Offensichtlich nimmt Trump an, dass der Vorteil des einen immer auf Kosten des anderen gehe. So eine Partnerschaft ist ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich der Schwächere unterwirft. Das mag kurzfristig funktionieren, mittel- und langfristig sind solche Systeme zum Scheitern verurteilt. Denn Loyalität und Vertrauen werden mit so einer Verhandlungsführung und bzw. so einseitig gestalteten Beziehungen nicht gefördert. Stattdessen werden sich die benachteiligten Partner nach Alternativen umsehen – und je überheblicher die stärkere Partei auftritt, desto schneller wird dies geschehen. Mittel- und langfristig erfolgreiche Partnerschaften funktionieren, weil sie einen fairen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen schaffen – zum Vorteil aller Beteiligten. Verhandlungen müssen in dieser Hinsicht auch immer die Bedürfnisse aller Partner berücksichtigen und austarieren, sodass man sich am Ende in die Augen schauen und das Ergebnis mit einem Handschlag besiegeln kann. Das ist mühsam, langwierig und erfordert u.a. viel diplomatisches Geschick sowie ein Bekenntnis zu gemeinsamen Zielen. Das kann auch bedeuten, dass der stärkere Partner im Sinne des gemeinsamen Vorteils auch etwas zurücksteckt und den anderen Beteiligten etwas mehr Luft zum Atmen lässt. Dafür sind solche Partnerschaften langlebig und widerstandsfähig, weil sie eben zum Vorteil aller Beteiligten sind – und das auf vielen Ebenen. Das gilt nicht nur für Partnerschaften in der Wirtschaft, sondern auch zwischen Staaten. (Wer jetzt u.a. an die EU denkt, liegt nicht ganz falsch.)
Wer allerdings mit dem Vorschlaghammer im Porzellanladen verhandelt, erzeugt Widerstand. Der kann hart und abweisend sein, weil das Gegenüber sich in einer stärkeren Position sieht, oder zäh, hinhaltend und hinter einem unverbindlichen Lächeln verborgen bleiben. Aber er kostet, und je länger er andauert, desto besser können sich die Verhandlungsgegner organisieren und Alternativen ins Spiel bringen. Für Donald Trump wird das zu einem Problem. Denn er, seine politischen Unterstützer und seine Wähler „sind investiert“. Sie haben sich festgelegt und politisches Kapital eingesetzt. Wenn sie nun aufgeben, dann haben sie die Kosten ohne ein vorzeigbares Ergebnis. In solchen Situationen entsteht oft eine „Jetzt erst recht“-Haltung. Allerdings ist auch die Opposition nun investiert. Am radikalsten wohl die chinesische Führung. Deren Partei- und Regierungschef Xi Jinping würde im Falle des Einknickens vor den Forderungen der USA das Gesicht verlieren. Das würde wahrscheinlich nicht nur Xi das Amt kosten, sondern auch die Legitimität der Kommunistischen Partei Chinas untergraben. Wer autoritäre Systeme studiert hat, weiß, dieses Risiko wird die KPC nicht eingehen. Wie die beiden Kontrahenten wieder unbeschädigt von der Leiter kommen, kann ich mir derzeit nicht vorstellen.
Aber selbst, wenn die US-Regierung von heute auf morgen sagt, „Es war alles nicht so gemeint, wir wollten euch nur an den Verhandlungstisch bringen“, die Kosten bei den vielen betroffenen Unternehmen sind real. Denn unzählige Konzerne, deren Zulieferer und Logistiker sowie Kunden haben die vergangenen Monate im Krisenmodus verbracht und haben viele wichtige Investitionen nicht getätigt. Allein an diesen Folgen werden wir noch länger zu kauen haben. Damit nicht genug, wurde das System der globalen Lieferketten durch die Zollpolitik Trumps und den Gegenmaßnahmen Chinas wie dem Lieferstopp für Seltene Erden zerstört. Wenn ich heute elektronische Bauteile in Fernost oder den USA bestelle, dann kann ich mir nicht mehr so sicher sein, ob und zu welchem Preis sie geliefert werden. Unter diesen Umständen ein Geschäft zu planen, ist schwierig. Gleichzeitig ist der Aufbau alternativer Lieferketten ein langwieriges und teures Unterfangen. Sind die neuen Lieferketten allerdings einmal etabliert, dann wird das System auch nicht mehr in seine ursprüngliche Form zurückschwingen. Handfeste Auswirkungen hat auch der Vertrauensverlust auf internationaler Ebene. Wenn Donald Trump bestehende Handelsabkommen einfach so über den Haufen werfen kann, wer garantiert dann die Tragfähigkeit neuer Vereinbarungen.
Ob man unter diesen Umständen diese Kosten der Umstellung so einfach an die Endkunden weitergeben kann, wage ich trotzdem zu bezweifeln. So oder so müssen wir uns – als EU, als Volkswirtschaft, aber auch jeder einzelne Unternehmer – fragen, wie können wir uns möglichst schnell auf diese neue Situation einstellen. Geht es allerdings um Verhandlungsführung und Partnerschaft, dann sollte man auch in Zukunft den gemeinsamen Vorteil in den Vordergrund stellen – und jene „Geschäftspartner“ meiden, welche ein bestehendes System für kurzfristige, einseitige Vorteile über den Haufen werfen wollen.
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