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Sonntag, 22. Juni 2025
Editorial E&W 06/2025

Weihnachten im Frühling

Wolfgang Schalko | 08.06.2025 | Bilder | | 1  Meinung
Man muss unserer Regierung ein großes Danke aussprechen: Gerade einmal 100 Tage im Amt, darf man sich bei Vogelgezwitcher und frühsommerlichen Termperaturen förmlich an den Heiligen Abend versetzt fühlen. Denn Bundeskanzler Stocker & Co. sind jederzeit für eine Überraschung gut – und schon mehrmals wurde man in Zustände des Staunens versetzt wie sonst nur die Kinder unter dem festlich geschmückten Baum.

Einziger Pferdefuß: Wir erhalten keine Geschenke, sondern bekommen etwas weggestrichen – vorzugsweise Förderungen aller Art. Und noch etwas ist grundlegend anders: Während beim Weihnachtsfest bekannt ist, dass es am 24. Dezember stattfindet, und die Überraschung im Inhalt der Packerl besteht, ist bei der Regierung weitestgehend fix, was „drin” sein wird, jedoch stellt das Wann die große Unbekannte dar. Denn im Grunde war bzw. ist alles, was bis dato an Aufregern durch die Repubklik schwappte, seit dem Zustandekommen der Dreierkoalition im Regierungsprogramm nachzulesen. Also doch kein Christkind im Parlament. Und auch keine Engerl.

Spätestens mit dieser Erkenntnis sind wir also wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Und kommen noch einmal auf das Regierungsprogramm zurück: Darin ist die Abschaffung des Klimabonus ebenso explizit aufgeführt wie die Abschaffung des bestehenden Modells der Bildungskarenz, die Verlängerung und Anpassung des Energiekrisenbeitrag Strom sowie Fossile Energie, die Anpassung der Bankenabgabe, die vorzeitige Abschaffung des USt-Nullsteuersatzes für PV-Anlagen oder die Ausweitung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf E-Autos. Allesamt Maßnahmen, die unsere Branche direkt oder indirekt betreffen – aber zu behaupten, man hätte im Vorfeld von all dem nichts gewusst, zieht nicht. Was man allerdings tatsächlich bekriteln kann, ist das z.T. beinahe überrumpelnde Inkrafttreten mancher Maßnahmen – wie etwa beim Aus für die PV-Umsatzsteuerbefreiung. Das Argument, dass mit einer längeren Vorlaufzeit die Maßnahme an sich konterkariert worden wäre (wie jüngst auch beim Ende des Reparaturbonus), mag zwar inhaltlich korrekt sein, die feine englische Art ist aber dennoch nicht. Für viele der gesetzten Schritte sind zwar Evaluierungen bzw. z.T. sogar Nachfolgeregelungen vorgesehen, wann genau und in welcher Form diese kommen sollen, ist jedoch oft nur sehr schwammig formuliert und somit bis zu einem gewissen Grad offen.

An dieser Stelle noch ein kurzer Ausblick: Ganz grundsätzlich ist im Regierungsprogramm eine „Redimensionierung der Förderungen und Reform des allgemeinen Förderwesens in Österreich” vorgesehen, wobei eine noch einzurichtende „Förder-Taskforce“ die Förderinstrumente evaluieren und effektiver gestalten soll. Zudem wird ab 2025 eine steuerfreie Prämie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zu 1.000 € (ohne Kollektivvertragsbindung) eingeführt und bereits ab 1. Juli die in Unternehmerkreisen wohl bereits bekannte NoVA-Befreiung für alle N1-Fahrzeuge (leichte Nutzfahrzeuge). 2026 soll ein attraktives „Arbeiten im Alter“-Modell folgen (Endbesteuerung der Zuverdienste mit 25% und Befreiung von SV-Beiträgen), ab 2027 dann eine Erhöhung des Gewinnfreibetrags auf 50.000,- € sowie die steuerliche Begünstigung von Überstunden bzw. Zuschlägen. Ich kann jedem nur nahelegen, die gut 200 Seiten zumindest einmal grob zu überfliegen – nicht wegen der literarischen Güte, sondern weil jeden von uns zahlreiche Punkte des Regierungsprogramms direkt betreffen. Dann kann auch jeder selbst beurteilen, ob und inwieweit der Titel „Jetzt das Richtige tun.” passend ist. Darüber hinaus bieten manche Themenfelder durchaus noch Spielraum für die Umsetzung. Das gilt in besonderem Maße für Bereiche Bürokratie/Entbürkratisierung und Finanzpolitik/Sparzwang. Wobei man der aktuellen Regierung – gerade auch in Hinblick auf das EU-Defizitverfahren – eines nicht anlasten kann: „Koste es, was es wolle” hat von Anfang an zu schön geklungen, um finanzierbar zu sein.

Natürlich muss es zulässig sein, als Privatperson ebenso wie als Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter, Forderungen an die Regierung zu stellen. Eine solche könnte etwa lauten, keine „österreichischen Lösungen” anzupeilen. Darunter versteht man bekanntermaßen bei positiver Auslegung das Erzielen eines Kompromisses, der für alle Beteiligten/Betroffenen eineigermaßen tragbar ist, bei negativer Interpretation schlichtweg eine Entscheidungsschwäche. Als Beispiele für solche typisch österreichischen Lösungen können etwa der Verkauf von Kika/Leiner an Rene Benkö (mit bekanntem Ausgang) oder die Umgestaltung der Mariahilfer Straße in Wien gelten (wobei sich die anfängliche Aufregung hier mittlerweile gelegt hat). Nicht damit zu verwechseln und daher als höchst erstrebenswert einstufen würde ich hingegen den Pragmatismus: Darunter versteht man (laut Wikipedia), vereinfacht gesagt, eine Herangehensweise bzw. „ein Verhalten, das sich nach situativen Gegebenheiten richtet, wodurch das praktische Handeln über die theoretische Vernunft gestellt wird. Das hieße für unsere politische Führung beispielsweise, ökologische Maßnahmen nicht mit grüner Parteipolitik zu verwechseln, alles, das eine soziale Komponente enthält, der SPÖ zuzuschreiben oder beim Stichwort Migration sofort in blaue Argumentationsmuster zu verfallen. Es würde auch nicht bedeuten, Kosten die man als gestrichene Förderung eingespart hat, automatisch als längerfristigen Gewinn für das Staatswesen zu verbuchen. Und es müssten daraus folgend einige durchaus knifflige Überlegungen angestellt werden. Entbürokratisierung ist in vielen Bereichen notwendig und definitiv sinnvoll – man sollte aber nicht vergessen, dass Bürokratie auch Kontrolle bedeutet und erst das Erfassen von Daten, Vorgängen, etc. einen Überblick ermöglicht. Natürlich ist die „Zettelwirtschaft” oft zeitraubend und mühsam – aber ich habe kürzlich in einer Ö1 Radiosendung gehört, dass gerade einmal 48% aller Neugeborenen auf unserem Planeten registriert werden (mit Geburtsurkunde o.Ä.). Das hat mir doch zu denken gegeben.

Und noch etwas stößt mir sauer auf: Das Herumschwirren inhaltsloser Worthülsen sowie – und eigentlich noch viel schwerer wiegend – der inflationäre Gebrauch von Begriffen, der zu deren Verwässerung bzw. Bedeutungslosigkeit führt. Gleichzeitig sollte der endlich der Mut aufgebracht werden, auch sprichwörtliche „Heilige Kühe”zu schlachten (wie zum Beispiel das längst überfällige Dieselprivileg) und Dinge aus der oben genannten pragmatischen Perspektive zu betrachten. Diesbezüglich möchte ich mit den Worten eines Verkehrsexperten aus einem Ö1 Radiokolleg zum Thema gleichberechtigter Verkehr schließen: „Welcher Idiot geht im rechten Winkel über die Straße – man geht flüssig, also schräg, von A nach B.”

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Kommentare (1)

  1. Leider schlachtet man die Heiligen Kühe wieder einmal nicht. Wo es besonders im Argen liegt: „Pflege, Gesundheit, Bürokratie, Pensionen, Bildung, Föderalismus, Gemeinden, Integration, Asyl etc. etc. “ Das Budgetdefizit wird heuer jenseits der 5% liegen, vielleicht geschönt bei 4,9%. Traurig, diese Unfähigkeit.

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