Die Veränderung der Arbeit

Die Story habe ich schon vor einiger Zeit hier erwähnt. Als in den USA in den 20er die Telekommunikation ihren endgültigen Durchbruch feierte, nahm auch die Anzahl der Mitarbeiterinnen in den Vermittlungen exponentiell zu. Das Wort ist korrekt gegendert. In den Vermittlungsstellen saßen fast nur junge Frauen, zeitweise waren 2% der US-Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren in der Telefonvermittlung beschäftigt. Damals existierten Berechnungen, wann der überwiegende Anteil der Frauen in den USA in den Vermittlungsstellen von AT&T arbeiten würden. Bevor es so weit kam, stellte AT&T allerdings auf die automatisierte Vermittlung um und das Berufsbild „Fräulein von Amt“ verschwand in den folgenden Jahrzehnten wieder.
Die Telefongesellschaften nutzten für die Umstellung eine Technologie, welche eigentlich schon in den 1880ern entwickelt worden war. Bis sich die automatische Wählvermittlung allerdings durchgesetzt hatte, dauerte es allerdings. Der Leidensdruck war lange Zeit noch nicht groß genug und das Geschäftsmodell musste erst angepasst werden, wie US-Wirtschaftsjournalist Timothy Taylor in seinem Blog The Conversable Economist ausführte.
Taylor zielte in seinem Blog-Beitrag auf die verschwundenen Jobs ab, und dass die betroffenen Frauen daraufhin in andere Bereiche auswichen. Wir stehen heute allerdings weltweit vor dem Phänomen, dass uns in vielen Branchen die Arbeitskräfte ausgehen. Und immer häufiger werden in diesem Zusammenhang als Lösung Künstliche Intelligenz und Robotics genannt. Einer der führenden Staaten in diesem Zusammenhang ist die Volksrepublik China, wo Fabriken in einem atemberaubenden Tempo automatisiert werden. Ein höheres Verhältnis von Robotern zu menschlichen Arbeitern in den Fabriken gibt es nur noch in Südkorea und Singapur.
Gefördert wird diese Umstellung in der Industrie durch staatliche Politik und Investitionen, welche die Rolle Chinas als Industriesupermacht auch in Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge absichern sollen. Wie allerdings US-Reporter Keith Bradsher in seinem Beitrag in der New York Times berichtete, beschränkt sich diese Umstellung nicht nur auf die großen Werke der chinesischen Auto- oder Elektronikindustrie. Auch in den kleinen Zulieferbetrieben Chinas ziehen vermehrt Roboter ein, wie Bradsher schrieb. Und hier kommt die KI ins Spiel. Denn diese kleinen Unternehmen können natürlich nicht die komplexen Maschinen programmieren. Der Aufwand wäre zu groß. Stattdessen lernen die Roboter durch das Beobachten der Mitarbeiter. Die Kosten für einen entsprechenden Roboter werden in dem Artikel mit 40.000 Dollar angegeben.
Wie ich diese Zahl gelesen habe, musste ich selbst einmal tief Luft holen. Denn an ähnlichen Technologien wird auch in Europa gearbeitet. z.B. bietet der deutsche Hersteller KUKA KI-fähige Roboter für diverse Anwendungen an. Aber der Preis ist eine ganz neue Kategorie. Hier wird impliziert, dass ein chinesisches KMU für den Gegenwert eines mittelgroßen Neuwagens einen Roboter kaufen kann, der im Betrieb selbstlernend Arbeiten wie Schweißen oder Stanzen sowie Montagetätigkeiten übernimmt – und das 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Und inzwischen experimentieren chinesische Unternehmen bereits mit humanoiden Robotern, welche sich noch flexibler einsetzen lassen. Und sie sind dabei nicht allein.
Die Folgen auf dem Arbeitsmarkt werden sich vorerst in Grenzen halten, da viele Branchen unter einem Mangel an Mitarbeitern leiden. Auf der anderen Seite wird mir bei der Vorstellung, dass viele Jobs noch während meiner Berufstätigkeit durch selbstlernende Roboter ersetzt werden können, durchaus mulmig. Wo ziehen wir die Grenze? Welche Jobs sollen niemals von Robotern übernommen werden, welche können wir sofort abgeben und wie sieht in Zukunft die Zusammenarbeit zwischen menschlichen Mitarbeitern und Robotern aus? Wer „bildet“ die Roboter aus und wie sorgen wir dafür, dass auch in Zukunft noch die notwendigen Facharbeiter ausgebildet werden, die dort eingreifen, wo Roboter nicht mehr weiterkommen, bzw. auch neue Produktionsprozesse gestalten und festlegen? Und welchen Wert hat in dieser Umgebung die menschliche Arbeitskraft?
Einfach mehr zu arbeiten, wird uns hier nicht weiterbringen. Und auch ein Maschinensturm wird uns nicht helfen. Vielmehr müssen wir smarter arbeiten und uns genau ansehen, wie die unterschiedlichen Branchen mit der Integration von Robotern und KI umgehen. Dabei müssen wir allerdings auch die Vorstellung über Bord werfen, dass der Einsatz von Robotern kein Thema für KMUs ist. Vielmehr werden uns in Zukunft Roboter und KI in allen Bereichen unserer Arbeitswelt begegnen – und diese Zukunft hat schon begonnen.
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