Temu & Shein: Handelsverband fordert Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz nach französischem Vorbild

Ziel des Gesetzes ist es, den ökologischen und sozialen Auswirkungen von extrem billig produzierter und schnell konsumierter Mode entgegenzuwirken. Konsumanreize sollen reduziert und ein Bewusstseinswandel bei der jungen Zielgruppe angestoßen werden. Der Gesetzentwurf richtet sich insbesondere gegen die beiden Fernost-Plattformen Shein und Temu.
„Der französische Gesetzentwurf wird im September in einer parlamentarischen Kommission weiterverhandelt und anschließend der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt. Das finale Gesetz könnte somit noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Ultra-Fast-Fashion ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich: Sie fördert Überkonsum, bedient sich verbotener arbeitsrechtlicher Standards, belastet die Umwelt massiv und gefährdet die Existenz europäischer Modeunternehmen“, sagt HV GF Rainer Will.
HV empfiehlt nationalstaatliche Gesetzesinitiative mit drei Sofortmaßnahmen
Analog zum französischen Vorgehen empfiehlt der Handelsverband für Österreich folgende drei Sofortmaßnahmen:
- Strafzahlungen für besonders umweltschädliche Produkte: Ultra-Fast-Fashion-Produkte, die häufig mit giftigen Chemikalien belastet sind, sollen mit einem Strafzuschlag von mindestens 5 Euro belegt werden.
- Werbeverbote: Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Temu, Shein oder AliExpress sollen künftig in Österreich nicht mehr werben dürfen, weder über klassische Kanäle noch über Social Media. Das Werbeverbot soll auch heimische Influencer umfassen, die Produkte solcher Anbieter bewerben.
- Handling Fee: Alle B2C-Paketlieferungen aus Drittstaaten sollen mit einer Abgabe von mindestens 2 Euro belegt werden.
Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz soll europäische Anbieter stärken
„Das Ziel unserer Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetzesinitiative ist es ausdrücklich, Fernost-Plattformen wie Shein, Temu und AliExpress zu regulieren – nicht jedoch europäische Händler und Hersteller mit stationärer Präsenz in Österreich. Im Gegenteil, europäische Unternehmen, die sich bereits seit vielen Jahren mit nachhaltiger Produktion und Kreislaufwirtschaft beschäftigen, müssen durch diese neuen Rahmenbedingungen gestärkt werden“, erklärt Rainer Will. Und: „Rund 90% der auf Fernost-Plattformen angebotenen Produkte entsprechen nicht den geltenden europäischen Normen. Es ist völlig unbegreiflich, warum diese Marktplätze in der EU nicht längst gesperrt wurden. Würde ein österreichischer Händler zu 90% gesundheitsgefährdende Fake-Produkte verkaufen, müsste er von Amts wegen sofort schließen.“
US-Zölle gegen China: dramatische Umlenkungseffekte nach Europa, Temu wächst um +63%
Überfällig ist aus Sicht des Handelsverbands auch die Abschaffung der EU-Zollfreigrenze von 150 Euro. Die EU-Kommission will diesen Schritt allerdings erst 2028 vollziehen – „viel zu spät!“, sagt Will. „Die USA haben ihre Zollfreigrenze bereits Anfang April 2025 abgeschafft und erheben jetzt auf jedes China-Paket Zoll sowie eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr.“ Damit ist das Geschäftsmodell für Temu und Co in den USA faktisch tot.
„Jene Umlenkungseffekte nach Europa, vor denen der HV bereits vor drei Monaten gewarnt hatte, sind mittlerweile tatsächlich eingetreten. Während die amerikanischen Verkäufe von Temu um 36% und jene von Shein um 13% sanken, sind die Europa-Zahlen regelrecht explodiert. Shein wuchs im Mai in der EU um 19% , Temu sogar um 63% im Vergleich zum Vorjahr“, schlägt der HV GF Alarm. Diese Entwicklung illustriere auch die Dringlichkeit der Umsetzung des Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetzes in Österreich sowie der Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze auf EU-Ebene.
„Deemed Importer“: Plattformhaftung für die korrekte Warendeklaration & Versteuerung
Die Aufhebung der 150-Euro-Zollfreigrenze allein werde die Herausforderungen im E-Commerce nicht lösen und müsse daher von einem Reformpaket begleitet werden, so Will weiter. „Der Handelsverband setzt sich sowohl dafür ein, bestehende Pflichten von Onlinehandelsplattformen konsequent durchzusetzen, als auch das Haftungsregime im Hinblick auf sehr große Marktplätze weiterzuentwickeln. Zusätzlich zum Anti-Ultra-Fast-Fashion-Gesetz müssen die Befugnisse der Marktüberwachungsbehörden ausgeweitet werden, damit sie geeignete Maßnahmen direkt gegenüber Onlineplattformen ergreifen können, wenn kein verantwortlicher Wirtschaftsakteur greifbar ist.“
Abschließend meint Will: „Wir fordern, dass Onlineplattformen wie Temu als fiktive Einführer oder ‚deemed importer‘ für die Einhaltung fiskalischer Vorschriften für die von ihnen vermittelten Produkte verantwortlich sind. Diese Plattformhaftung für die korrekte Warendeklaration muss auch die korrekte Berechnung und Entrichtung von Einfuhrabgaben wie Einfuhrumsatzsteuer und Zoll umfassen. Wir sprechen hier von millionenfacher aggressiver Steuervermeidung.“
Kommentare