Wunschdenken statt Realität
(© Pixabay)
Die neue Screenforce-Studie will beweisen, dass TV noch immer unverzichtbar ist. Doch ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt: Während Social Media und Streaming bei jungen Zielgruppen boomen, wird das klassische Fernsehen immer mehr zum Auslaufmodell. Was das für Werbetreibende bedeutet und warum der Elektrohandel dennoch profitiert.Ein Sprichwort besagt: Totgesagte leben länger. Genau dieses Bild passt zur aktuellen Screenforce-Studie, die beweisen will, dass Fernsehen noch längst nicht am Ende ist. Klar: Die Zahlen mögen auf den ersten Blick beeindruckend wirken. Angeblich sehen 66 % der 16- bis 69-Jährigen wöchentlich fern, die tägliche Nutzungsdauer liegt bei über zwei Stunden. Und selbst in der jüngsten Zielgruppe zwischen 16 und 29 Jahren schaltet noch „fast die Hälfte“ wöchentlich ein. Die Studie verkauft das als Erfolg. In Wahrheit klingt es eher nach einem letzten Aufbäumen. Denn wenn die eine Hälfte noch fernsieht, bedeutet das gleichzeitig auch: Die andere Hälfte schaut schon gar nicht mehr. Das hat unmittelbare Folgen. So werden Werbetreibende in Zukunft ihre Budgets zunehmend dorthin richten, wo die jungen Zielgruppen tatsächlich ihre Zeit verbringen: nämlich auf Plattformen wie Meta, TikTok oder YouTube. Während TV früher bei der wichtigsten Werbegruppe der 30 bis 49-Jährigen beinahe 100 % Reichweite hatte, sind es heute nur noch 58 %. Umso verwunderlicher ist es, dass die Studie diese dramatischen Veränderungen kaum abbildet.
Die Realität schaut anders aus: Junge Menschen finden ihre Inhalte längst in sozialen Medien oder auf Streaming-Plattformen. Hier liegt die wöchentliche Nutzung bei bis zu 97 % (Social Media) bzw. 73 % (Streaming). Dort gibt es weniger Werbung, mehr Vielfalt und Inhalte, die sich individuell anfühlen. Live-Events, Sport und Nachrichten bleiben die letzten echten Alleinstellungsmerkmale für das lineare Fernsehen. Ob das reicht, um die kommenden Generationen zu binden, bleibt fraglich. Dass klassisches Fernsehen bei der jüngeren Zielgruppe nur noch eine Nebenrolle spielt, wird auch deutlich, wenn man sich die Zahlen der Bewegtbildstudie über die Jahre genauer ansieht. Sie zeigt: In der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen macht klassisches TV nur noch 51,4 % des jährlichen Bewegtbildkonsums aus. Zum Vergleich: 2016 waren es noch 74,9 %. Die Nutzung von Plattformen wie YouTube, Netflix oder Amazon Prime Video sowie von Social Media hingegen ist von 19,4 % im Jahr 2016 auf 46,7 % im Jahr 2025 gestiegen.
Für den Elektrohandel ist diese Entwicklung ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bleibt der Fernseher weiterhin das meistverkaufte Heimgerät. Mehr als 90 % besitzen einen TV, auch große Bildschirme ab 55 Zoll sind gefragt, und viele Konsumenten investieren nach wie vor mehrere hundert Euro in ein neues Modell. Dieses „Big Screen“-Erlebnis kann also kein Smartphone oder Laptop ersetzen. Andererseits hängt die Attraktivität der Geräte unmittelbar am Image des Mediums. Wenn Fernsehen in den Augen junger Zielgruppen an Bedeutung verliert, wandelt sich auch das Kaufmotiv. Dann geht es nicht mehr primär um das lineare TV-Erlebnis, sondern um Streaming, Gaming oder die Nutzung als smarter Bildschirm für On-Demand-Inhalte. Hier liegt die eigentliche Herausforderung für die Branche: Ob Kunden lineares Fernsehen schauen, streamen oder zocken, spielt für den Handel am Ende keine Rolle. Denn entscheidend ist nur, dass sie ein Gerät kaufen. Wer jedoch weiterhin nur den klassischen TV-Konsum betont, riskiert den Anschluss an die junge Kundschaft zu verlieren.


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