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Montag, 10. November 2025
Editor's ChoiceAus der E&W 10/2025: Robert Pfarrwaller und Bianca Dvorak im Gespräch

Bundesgremium: „Man hört uns jetzt besser zu”

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 23.10.2025 | |  Interview, Menschen, Wissen
Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller und Bundesgremialgeschäftsführerin Bianca Dvorak setzen ihre Tätigkeit an der Spitze der Interessenvertretung fort. Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller und Bundesgremialgeschäftsführerin Bianca Dvorak setzen ihre Tätigkeit an der Spitze der Interessenvertretung fort. Rückblickend sprechen Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller und Bundesgremialgeschäftsführerin Bianca Dvorak von einer „intensiven” Funktionsperiode und die neue dürfte nicht minder herausfordernd werden. Dafür sorgen einerseits die immer noch spürbaren „Nachwehen” der Covid-Pandemie sowie andererseits eine ganzer Reihe neuer und teils höchst akuter Problemfelder, allen voran die hohe Inflation in Verbindung mit anhaltender Rezession. Angesichts des schwierigen Umfelds schlägt sich der Elektro- und Einrichtungsfachhandel recht wacker – und die Interessenvertretung verspricht weiterhin vollen Einsatz für bessere Rahmenbedingungen.

Schon ein Schnelldurchlauf der vorigen Funktionsperiode zeigt, dass die Beschreibung „intensiv” sehr treffend ist: Geschäftsschließungen infolge der Covid-Pandemie, eine regelrecht explodierende Nachfrage, die Lieferketten-Problematik, der rapide Einbruch des Marktes bis hin zur wirtschaftlichen Rezession – begleitet von enormen Kostensteigerungen v.a. im Energiebereich – prägten das Bild. Dazu kamen die Neuregelung der Speichermedienvergütung, die erratische Stop-and-Go-Förderpolitik des Bundes (u.a. bei PV-Anlagen und dem Reparaturbonus), diverse EU-Gesetzesvorhaben und einiges mehr. Als Konsequenz verzeichnet der Einrichtungsfachhandel noch immer ein negatives Wachstum, im Elektrofachhandel hat sich die Situation einigermaßen stabilisiert. Das gilt auch für die Mitgliederzahl, die wie vor fünf Jahren bei rund 14.000 liegt. Deutlich gesunken ist indes die Zahl der Lehrlinge: 1.542 waren es per 31. August 2025 – ein Drittel (!) weniger als noch vor fünf Jahren.

Trotz – oder gerade wegen – der großen Herausforderungen gehen Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller und Bundesgremial-GF Bianca Dvorak zuversichtlich in die neue Funktionsperiode. Denn in vielen Bereichen kann man nahtlos an die bisherige Arbeit anknüpfen, zugleich ist vieles gerade „im Werden”.

E&W: Wie hat sich die Ausgangslage im Vergleich zur vorigen Funktionsperiode verändert?

Bianca Dvorak: In den letzten fünf Jahren hat die Komplexität ganz massiv zugenommen, sodass wir heute viel mehr fachliches Know-how im Team des Bundesgremiums brauchen. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen und für Unternehmen besteht die Gefahr, dass sie von dieser Komplexität – vieles wird ja mittlerweile gefühlt doppelt und dreifach geregelt – zusehends überfordert sind. Unsere Aufgabe sehe ich darin, die Informationsflut so zu lenken und die komplexen Materien so zu übersetzen, dass unsere Mitglieder damit auch etwas anfangen können – aber natürlich auch so, dass es noch richtig ist. Denn ich kann alles in zwei Sätzen erklären, doch dann stimmt‘s halt oft nicht mehr.

Was sind die aktuellen Herausforderungen des Elektro- und Einrichtungsfachhandels?

Robert Pfarrwaller: Wir haben zu hohe Personalkosten, die von der – durch die überhöhten Energiepreise hausgemachten – Inflation weiter angeheizt werden. Es ist im Moment einfach insgesamt zu teuer, daher müssen wir wieder zu jener vernünftigen Balance zurückfinden, die Österreich immer ausgezeichnet hat – Stichwort Sozialpartnerschaft. Was den Staatshaushalt betrifft scheint es derzeit tendenziell so, dass der Weg in die fremde Tasche leichter ist als der Weg in die eigene Geldbörse – der Staat könnte auch stärker bei sich sparen. Weiters gilt es, einen fairen Wettbewerb zu den internationalen Plattformen sicherzustellen, sodass Amazon, Temu & Co. wirklich auch querbeet sämtliche Gebühren und sonstige Belastungen mitzahlen. Wir sollten zudem den Bürokratieaufwand nicht unterschätzen, den Lieferkettengesetz, Entwaldungs-Verordnung, Batteriebegleitgesetz, etc. mit sich bringen, da sie den Elektrohandel unmittelbar betreffen. Und was ebenfalls bleiben wird, ist der Fachkräftemangel.

Welche Themen haben für das Bundesgremium jetzt Priorität?

Die bereits seit 2023 laufende, branchenübergreifende Initiative „Join the Future” von Bundesgremium, Bundesinnung, OVE, FEEI und Österreichs Energie soll junge Menschen zum Eintritt in die Elektrobranche animieren.

Pfarrwaller: Wir müssen uns dem Thema Elektroaltgeräte intensiver widmen, weil auch die Belastungen auch größer werden – z.B. in Hinblick auf die Problematik mit Bränden, die von Batterien oder Akkus verursacht werden. Allerdings ist das kein reines Thema des Elektrohandels, ganz im Gegenteil sind Geräte mit eingebauten Batterien im klassischen Elektrohandel sogar eher unterrepräsentiert. Vieles kommt da über den Spielzeughandel, den Baustoffhandel, den Maschinenhandel und – ein Riesenbrocken – von den elektrischen Zigaretten, die oft einfach im Hausmüll entsorgt werden. Positiv ist hier zu sehen, dass es im Moment wirklich einen proaktiven Dialog mit der Politik und den entsprechenden Behörden gibt. Die Bereitschaft, zuerst den Weg zu den Betroffenen zu suchen, war in den letzten vier Jahren ganz klar unterentwickelt – siehe Reparaturbonus, wo ursprünglich der gesamte Elektrohandel „draußen” war. Da hört man uns jetzt besser zu. Zudem müssen wir den Fokus weiter auf Energieeffizienz, energetische Sanierung und den Umbau des Energiesektors haben. Klima- und Umweltschutz sind auch nachhaltige Belebungen der Wirtschaft.

Vieles passiert mittlerweile auf europäischer Ebene. Wie funktioniert die Arbeit der Interessenvertretung in Richtung Brüssel?

Dvorak: Hier gliedert sich unsere Arbeit in zwei Schienen: Auf der einen Seite gibt es unser WKÖ-Büro in Brüssel mit einer eigenen Abteilung sowie seit dem Sommer das neue Haus der Österreichischen Wirtschaft, das auch heimischen Unternehmern offen steht und von diesen genutzt werden kann. Auf der anderen Seite sind wir über die Sparte Handel schon seit Jahrzehnten im Branchenverband EuroCommerce vertreten, der die Interessen von nationalen Handelsverbänden und führender Handelsunternehmen bündelt – da können wir natürlich unsere Positionen einbringen. Darüber hinaus sind wir über den VEG (Bundesverband des Elektrogroßhandels) auch Mitglied bei der EUEW (European Union of Electrical Wholesalers), bei der die Aktivitäten zur Interessenvertretung in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet wurden und wo wir unsere Positionen direkt einbringen können. Ich persönlich bin ein Fan dieser Fachverbände, da sie die Möglichkeit bieten, von den politisch Verantwortlichen auf EU-Ebene tatsächlich wahrgenommen zu werden – und Österreich ist da im Verhältnis zur Größe des Landes sogar überproportional vertreten.

Eines der wichtigsten Ziele war der intensivere Kontakt und Austausch mit den Landesgremien – ist das gelungen bzw. wie soll es weitergehen?

Pfarrwaller: Der regelmäßige Austausch soll natürlich beibehalten bzw. sogar intensiviert werden, speziell in Hinblick auf die Gesetzesflut – wie gerade aktuell bei der Rücknahme von PV-Modulen, von der praktisch alle betroffen sind und zu der wir gemeinsam mit der Bundesinnung ein Merkblatt herausgebracht haben. Die Situation wird sich bei der Batterien-VO noch zuspitzen, denn es handelt sich da wie dort um eine langfristige Materie – wenn man die Lebensdauer von Batteriespeichern mit 10-15 Jahren ansetzt – und auch bei Batterien ist der Inverkehrbringer automatisch in der Verpflichtung. Hier wollen wir auch über die Grenzen blicken und von den Erfahrungen anderer Länder lernen.

Bei der jüngsten Klausur haben wir außerdem die Fokussierung der Gremien bzw. die entsprechende Arbeitsteilung sehr ausführlich besprochen. Wir als Bundesgremium sehen eine der wesentlichen Aufgaben darin, die grundsätzliche Interessenvertretung – Koordination, Strategie, Blick aufs Ganze, Kontakt mit den Stakeholdern, etc. – wahrzunehmen und gleichzeitig unsere Landesgremien sowie die weiteren Verbände informiert zu halten. Der direkte Kontakt und enge Austausch mit den Mitgliedern sowie das Transportieren oder „Übersetzen” der spezifischen Themen ist hingegen eher Aufgabe der Landesgremien. Darüber hinaus müssen wir auf landespolitischer Ebene insgesamt stärker aktiv werden, weil z.B. wesentliche Dinge wie die österreichische Bauordnung (OIB) föderal organisiert sind, die Hauptentscheidungen also in den Ländern getroffen werden. Ebenso bei der europäischen Gebäuderichtlinie EPBD, die den heimischen Gebäude-Sektor bis 2040 CO2-frei machen soll, wo z.B. die Implementierung der gesamten Haustechnik-Regeln den Ländern überlassen wird.

In der vorigen Funktionsperiode wurden einige Initiativen wie die (Lehrlings-)Webinare oder der LinkedIn-Auftritt gestartet. Was ist in dieser Hinsicht geplant?

Pfarrwaller: Wir werden die Ausbildung definitiv weiter forcieren, noch mehr Webinare anbieten und auch den LinkedIn-Auftritt bzw. die gesamte Social-Media-Arbeit noch ein bisschen intensivieren. Und wir wollen unseren Einfluss in der Kammer verstärkt geltend machen, so wie jetzt schon bei den diversen Zukunftsthemen. Wir haben in den letzten Jahren durchaus die Vorteile gesehen, die der Schulterschluss mit den anderen Verbänden bringt und welche Wirkung sich erzielen lässt, wenn Elektroindustrie, -handel und -gewerbe mit einer Stimme sprechen.

Wie die eingangs genannten Zahlen zeigen, bleibt die Lehrlingssituation in der Elektrobranche angespannt. Welche Schritte wird das Bundesgremium ergreifen?

Pfarrwaller: Einer der Gründe, warum wir uns z.B. bei der branchenübergreifenden Initiative „Join the Future” engagieren, ist genau in dieses Loch hineinzustoßen, Lehrlinge nicht nur für den Elektrotechnikberuf, sondern auch für den Elektrohandel zu mobilisieren. Mit ungefähr 110 Millionen Klicks ist die Kampagne bisher toll gelaufen und wurde daher auch soeben verlängert.

Dvorak: Wobei nicht nur der Elektrohandel, sondern die gesamte Sparte Handel massiv mit rückläufigen Lehrungszahlen zu kämpfen hat. Es ist offensichtlich ein Zeichen der Zeit, dass die Lehre gerade nicht so angenommen wird.

Pfarrwaller: Es ist uns dabei durchaus bewusst, dass wir bei der Lehre im Elektrohandel einen gewissen Aufholbedarf haben. In der neuen Funktionsperiode werden wir uns sicher damit beschäftigen, wie weitere Ausbildungswege nach der Lehrabschlussprüfung aussehen könnten – in Anlehnung an den Handwerksberuf, wo man vom Gesellen dann weitergehen kann zum Meister und auch dahinterliegend noch weitere Ausbildungen absolvieren kann, denn daran fehlt es im Moment ein wenig beim Handel. Man muss auch dazusagen, dass es hier ein Stadt-Land-Gefälle gibt und dass gerade die etwas größeren Betriebe Lehrlinge nicht nur im Elektrohandel, sondern in den unterschiedlichsten Disziplinen ausbilden. Wir wollen daher auch noch stärker den Schulterschluss mit Unternehmen wie Media Markt, ElectronicPartner, Expert oder RED ZAC suchen, weil es dort eine hohe Konzentration gibt und wir gemeinsam versuchen sollten, die Attraktivität der Lehre zu erhöhen.

Ein artverwandtes Thema ist das Thema Unternehmensnachfolge bzw. -übergabe…

Pfarrwaller: Das ist auch, aber nicht nur ein Handelsthema. Wobei wir als Riesen-Vorteil die regionale Struktur in Österreich haben: Immer noch betreiben viele Elektriker in den Orten auch einen kleinen Handel, womit sie als klassische Nahversorger gelten. Wir müssen dafür sorgen, dass das weiterhin so bleibt und die Elektriker auch in Zukunft die Lust am Handel verspüren. Weil die Elektrobranche außerdem ein bisschen überaltert ist, gilt es umso mehr, junge Leute für unsere Branche zu begeistern – durch Imageverbesserung oder eben Initiativen wie „Join the Future”.

Abschließende Frage: Wird 2025 ein „gutes” Jahr für den EFH?

Pfarrwaller: Wenn man auf die Konjunkturentwicklung schaut, hoffen wir, dass es im nächsten Jahr zumindest wieder ein kleines Plus im Elektrohandel gibt. Was wir wirklich brauchen und somit das wichtigste Thema, das wir auch in unseren politischen Aktivitäten strapazieren, ist jedoch, den Bausektor nachhaltig zum Laufen zu bringen. Denn ohne Ankurbelung und Mobilisierung des Neubaus wird es nicht zu einem substanziellen Marktwachstum kommen. Wir haben in Österreich die Situation, speziell in der Elektrotechnik und bei den Geräten, einer relativ hohen Abhängigkeit vom Neubau, der 60% in diesem Segment treibt – und demgegenüber nur 40% die Sanierung. Über 50% des österreichischen BIPs sind von der öffentlichen Hand getragen. Das ist ein ungesundes Verhältnis und es fehlt also insbesondere an Privatinvestoren – ganz abgesehen davon, dass wir die Kosten sehr genau im Auge haben müssen, damit diese nicht noch weiter durch die Decke gehen.

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