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Montag, 10. November 2025
Von Jugend- und Boomerworten des Jahres

Potz Blitz und ei der Daus, Digga!

Stefanie Bruckbauer | 26.10.2025 | Bilder | |  Meinung
Seit 2008 wird Jahr für Jahr (mit einer Ausnahme) danach gesucht und auch für 2025 ist die Wahl bereits geschlagen: Das Jugendwort des Jahres ist „das crazy“, das den Gewinner aus 2024, nämlich „Aura“, beerbt, und ich frage mich: Wie repräsentativ und sinnvoll ist die jährliche Entscheidung?

Seit mittlerweile 17 Jahren wird unter der Leitung des Langenscheidt Verlags das Jugendwort des Jahres ermittelt – offiziell, um Trends in der Sprache von Teenagern ausmachen zu können. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Langenscheidt Verlag damit kommerzielle Werbezwecke verfolgt, genauer gesagt Eigenwerbung macht.

So wird gekürt

Doch wie kommt es überhaupt zum Jugendwort des Jahres? Jedes Jahr können ab Mai Worte online eingereicht werden. Aus allen Einsendungen filtert die Jury die Top 10 heraus, wobei es – wie Langenscheidt betont – „nur echte Jugendsprache ins nächste Level schafft“. Ab Juli kann wieder online abgestimmt werden. Die Begriffe mit den meisten Stimmen kommen ins Finale. Im Herbst wird dann schließlich das neue Jugendwort gekürt.

(Bild: Piyapong Saydaung, pixabay.com)

Ich störe mich ja an der Aussage, dass es „nur echte Jugendsprache“ in die Auswahl schafft. Warum? Weil ich ehrlich bezweifle, dass die Einreichungen tatsächlich nur von Jugendlichen kommen. Wäre es wirklich so, dann würden die jungen Leute laufend „tacken“, also auf dem Klo sitzen und Nachrichten schicken. Sie würden in ihrer Freizeit „fernschimmeln“ und sich wegen ihrer sozialen Isoliertheit „vong“ korrekter Grammatik her schwertun. Klingt, als wären sie faul und dumm. Zumindest impliziert das ein Großteil des Vokabulars, das Langenscheidt bei der Schlacht ums Jugendwort für die Jugend bestimmt hat. Wobei: Immerhin traut man jungen Menschen politisches Wissen zu. Denn sie schmeißen ja angeblich auch mit Ausdrücken wie „trumpeten“ oder „merkeln“ um sich.

ICH denke, dass diese Neologismen auf jung getrimmte Wortgespinste sind, die das Denkniveau Jugendlicher reduzieren. Wobei manche davon ja fast schon intellektuelle Herausforderungen darstellen. Bei „Akh“, „SYBAU“, „Lowkey“ und „lit“ fragt man sich doch, ob junge Menschen jetzt in Programmiersprache kommunizieren. Selbst mit „Ahnma“-Taktik ((er)ahne das Mal) gelingt das Enträtseln nicht. Eine Schlussfolgerung wäre, dass die Jury Unverständlichkeit mit Originalität verwechselt.

Mittlerweile bin ich überzeugt, dass diese ganze Jugendwort-Angelegenheit weniger das Sprach- und Denkniveau der Jugend von heute repräsentiert, als viel mehr das, was sich Erwachsene darunter vorstellen. Und letztens wurde diese meine Annahme bestätigt. Ich habe nämlich die 15-jährige Tochter meiner Freundin gefragt. Genauer gesagt habe ich ihr die Gewinnerworte der Jahre 2024 und 2025 vorgelegt und sie hat mich daraufhin mit hochgezogener Augenbraue und halb in Falten gelegter Stirn (zu ganzfaltig ist sie in ihrem Alter noch nicht in der Lage) angesehen und gesagt: „Kein Mensch sagt ‚Schere‘, ‚SYBAU‘ oder ‚Tuff‘! … Was bedeutet das überhaupt?“

Die Gewinner – Teil 1

(Screenshot Langenscheidt.de)

Gewonnen haben 2025 übrigens „das crazy“, gefolgt von „goonen“ und „checkst du“. „Das crazy“ wird (angeblich) verwendet, wenn man nicht weiß, was man antworten soll oder keine Lust auf eine richtige Antwort hat. Es bedeutet je nach Kontext so viel wie „aha“ oder „krass“. „Checkst Du“ bedeutet laut Langenscheidt-Initiatoren so viel wie „verstehst du?“ und wird verwendet, um in einem Gespräch sicherzugehen, dass der Andere zugehört hat. „Goonen“ googeln Sie bitte selbst! Ich weiß gerade nicht wie ich es halbwegs anständig formulieren soll … 😉

Weitere Kandidaten in den Top 10 sind „tot“ (bezeichnet laut Langenscheidt eine peinliche, uncoole oder schlicht langweilige Situation), „SYBAU“ (die Abkürzung für ‚Shut your bitch ass up‘ (= halt deine dumme Fresse), die häufig in Kommentaren im Internet verwendet wird und aggressiv oder ironisch gemeint sein kann), „Schere“ (bedeutet ‚sorry, mein Fehler‘), „Rede“ (ein Ausdruck starker Zustimmung, quasi ein verbaler Applaus), „Lowkey“ (bedeutet ‚ein bisschen‘, ‚unauffällig‘ oder ‚unterschwellig‘) und „Digga(h)“ (ein Ausdruck für ‚Bro‘, ‚Bruder‘, ‚Kumpel‘ oder einfach irgendwen). Letzterer Begriff, also „Digga(h)“, hält sich übrigens hartnäckig zumindest seit 2021 in den Top 10 des Jugendwort des Jahres-Rankings, hat es in diesem Zeitraum allerdings nie auf Platz 1 geschafft.

Die Gewinner – Teil 2

Wie auch immer man dazu steht: Für den Veranstalter ist die Wahl zum Jugendwort des Jahres in jedem Fall eine gelungene Aktion – immerhin ist ihm Jahr für Jahr die mediale Aufmerksamkeit sicher. Und für noch jemanden ist die ganze Sache ein Gewinn, nämlich für die Eltern und Großeltern. Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie sie sich schon im Vorfeld die zur Auswahl stehenden Vorschläge zu Gemüte führen, im Glauben, so zu erfahren, was angeblich beim Nachwuchs so alles abgeht, zumindest wortmäßig.

Am wenigsten mit dem ganzen TamTam anfangen können vermutlich die Jugendlichen selbst. Verständlich, nachdem es wahrscheinlich weder ihre Sprache noch ihr Ranking ist. Trotzdem sollten die jungen Leute die teils schwachsinnigen Wortspiele nicht „unfly“ (uncool) nehmen. Besser begegnet man den Werken von Sprachkünstlern und Verlags-Kaufleuten mit Humor. Lachen befriedigt bekanntlich mehr als Ärgern – „isso, Bro“!

Erinnerungen

Wir haben früher viel gescrabbelt und dabei öfters darüber diskutiert, ob „ur“ als eigenständiges Wort gilt bzw. ob es Punkte dafür gibt. (Bild: Okan Akgül, Pixabay.com)

Mich erinnert die jährlich stattfindende Wahl ja an meine eigene Jugend. Worte, die wir nutzten (und unsere Mütter damit regelmäßig zur Verzweiflung brachten, a la ‚Mei, wo des Kind des nur her hat!?‘) waren unter anderem „leiwand“, „ur“, „Oida“ oder „geil“. So ein Wortwechsel zwischen zwei jungen Burschen hätte damals wie folgt lauten können: „Oida“, ich habe „Nullbock“ auf den „Looser“. Der „schnallt“ nie was! Viel „cooler“ wäre, mit der „geilen Tussi“ „abzuhängen“ und zu „chillen“. Dann könnte ich auch gleich „abchecken“ ob sie „mit mir gehen“ will, aber wahrscheinlich steht die „Braut“ nur auf „Checker“ mit „Kohle“ … oder so in der Art 😉

Witzig

Witzig finde ich ja, dass seit vergangenem Jahr auch das „Boomerwort des Jahres“ gesucht wird. Zur Erinnerung: „Boomer“ sind zwischen 1946 und 1964 Geborene (die Jahreszahlen divergieren je nach Quelle).

Auf jeden Fall wurde die Aktion vom 24-jährigen Levi Penell initiiert, der die Abstimmung als ironische Gegenreaktion zum Jugendwort des Jahres ins Leben gerufen hat. Der TikTok-Star meinte, er habe keine Lust mehr darauf, dass alte Leute das Jugendwort des Jahres suchen. Stattdessen solle nun die Jugend das Boomerwort des Jahres wählen. Ziel sei es, ein Wort zu küren, das aktuell viel zu selten benutzt wird. „So was wie Kokolores oder schnabulieren“, schlug Penell vor.

Mehr als 15.000 Votings wurden angeblich abgegeben und gewonnen hat dieses Jahr „Baujahr“ anstelle von „Geburtsjahr“. Die Plätze zwei bis sechs belegen:

  • „Mein lieber Herr Gesangsverein“
  • „Schabernack“
  • „Trick 17“
  • „Rechner“ statt „Computer“ und
  • „Firlefanz“.

Ich bin zwar kein Boomer, kenne aber trotzdem alle diese Begriffe – im Gegensatz zu den laut Langenscheidt Verlag „gängigen“ Jugendwörtern, von denen mir maximal ein Bruchteil schon mal zu Ohren gekommen oder überhaupt verständlich ist.

Auf die Frage nach dem Warum das Ganze, erklärte Penell übrigens: „Da haben wir als Jugend mal den Spieß umgedreht und nicht mehr uns von Boomern erklären lassen, was Jugendsprache sein soll, sondern wir als Jugendliche haben mal den Boomern erklärt, was Boomersprache ist.“ Zum „Boomerwort des Jahres“ 2024 hat es im Übrigen „Sportsfreund“ geschafft. Auf Platz 2 folgte „Papperlapapp“ und der Ausdruck „Schnabulieren“ erhielt Bronze. Ich sage dazu nur: Sapperlot, Potz Blitz und ei der Daus, Digga! 😉

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