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Donnerstag, 9. Mai 2024
Hot!Die unendliche (Messe-)Geschichte

Paradoxe Intervention?

Andreas Rockenbauer | 15.11.2016 | |  Archiv

Wenn man sich so wie ich schon fast drei Jahrzehnte in dieser Branche bewegt, kann man sich angesichts der aktuellen (und ein wenig lächerlichen) Messediskussion – je nach Gemüt – ein verzweifeltes Kopfschütteln oder ein versonnenes Lächeln nicht verkneifen. Ich tendiere zu letzterem und freue mich darüber hinaus ein wenig darüber, dass ich die Entwicklung nicht gar so falsch eingeschätzt habe...

Zukunft passiert – das war nicht nur ein hervorragender Claim von Saturn ab Mitte der 1990er Jahre, sondern auch der (von Saturn geklaute) Titel der E&W-Coverstory zur Futura 2004. Logiker würden dazu trocken bemerken, dass es sich dabei um eine so genannte Tautologie – einen „no na”-Satz handelt, der immer wahr und daher uninteressant ist. Aber wir wollen da mal nicht so sein. Zukunft passiert – das muss man sich immer mal wieder ins Gedächtnis rufen, um dann festzustellen: „Ja, aber ich kann sie gestalten”.

Um als Unternehmer seine Chance zu wahren, zumindest einen kleinen Teil der Zukunft (mit)gestalten zu können, muss man sich mit dieser auseinander setzen. Wenn wir auch niemals genau wissen werden, was auf uns zukommt, können wir dennoch darüber nachdenken und rechtzeitig an verschiedenen Szenarien basteln. Für verantwortungsvolle Unternehmer ist das keine Option, sondern ein Imperativ.

Wenn man als Unternehmer jedoch ein (verantwortungsloser) Idiot ist, dann denkt man nicht über die Zukunft nach, sondern erwartet sie. Mit geschlossenen Augen und zugehaltenen Ohren, nicht mehr als Pilot, sondern bloß als Passagier. Da drängt sich sofort ein Bild in meinen Kopf: Bobby, mein Labradorrüde (übrigens weit davon entfernt, ein Idiot zu sein), dreht sich gerne auf den Rücken und streckt alle Viere von sich, sobald er eines Familienmitglieds ansichtig wird. Aber bei ihm ist das weniger eine Geste der hilflosen Zukunftserwartung als vielmehr Kalkül – er rechnet damit, dass sich sofort eine Hand Richtung Bauch bewegt, um diesen anschließend ordentlich zu kraulen. Bobby gestaltet damit zumindest einen Teil seiner unmittelbaren Zukunft, indem er die Reaktion seiner Umwelt in die von ihm gewünschte Richtung lenkt. Mit hervorragenden Erfolgsaussichten übrigens.

Vielen Unternehmern ist das Verhalten des Auf-dem-Rücken-liegens und Alle-Viere-von-sich-streckens vertraut. Allerdings nicht einer gezielten Lenkung der Umwelt wegen, sondern nur, um ängstlich das zu erwarten, was da auf sie zukommt. Inständig hoffend, dass es nicht allzu weh tun möge. Womit ich bei der aktuellen Messe-Diskussion bin, die bereits kurz nach Schluss der vergangenen AELVIS um eine Facette reicher wurde: Um die überraschend frühe Absage der BSH für die AELVIS 2017.

Die Grundidee der heurigen AELVIS-Premiere folgte einer ganz einfachen Überlegung: Dem Handel sollten Ideen präsentiert werden, wie Sortimente aussehen könnten, mit denen sich in Zukunft Geld verdienen lässt. Also: Was man als Händler tun kann, um sich auf die Veränderungen unserer Branche einzustellen und damit einen Teil der Zukunft aktiv zu gestalten.

Zugegeben, das hat in Salzburg nicht ganz geklappt, obwohl die Reed-Messe (bei allem Verbesserungspotenzial, das es ganz offensichtlich gibt) Aussteller sowie Besucher mit einer modernen und schönen Branchenmesse überraschte. Vom überzeugenden Eingangsbereich, der Idee des zentralen CHIP inklusive interessanter Vorträge, bis zur Farb- und Lichtgestaltung der Halle war das top.

Warum die AELVIS 2016 dennoch nicht der erhoffte durchschlagende Erfolg wurde? Weil zu wenige Händler da waren – das braucht man nicht schönreden. Aber es waren auch zu wenige Aussteller anwesend, die der Grundidee der Messe gefolgt wären. Waren nun zu wenige Händler da, weil zu wenige Aussteller es der Mühe Wert befunden hatten, sich dem Handel auf der AELVIS zu präsentieren?

Oder waren zu wenige Aussteller da, weil sie die Ignoranz vieler Händler antizipiert hatten und erst mal abwarten wollten? Beides vermutlich, obwohl die Händler den Ausstellern gegenüber stets einen entscheidenden Vorteil haben: Sie wissen schon vorab, welche Aussteller auf der Messe sein werden, während die Aussteller zum Zeitpunkt ihrer Buchung keine Ahnung haben, welche und wieviele Händler kommen werden.

Wie auch immer, rund um die AELVIS passierte heuer das, was man in der Prozesssteuerung einen Deadlock nennt: Jeder wartete darauf, dass sich der jeweils andere bewegte. Die logische Folge eines Deadlocks ist lähmender Stillstand. Das Paradoxe an der Situation ist, dass vor allem jener Teil der Industrie – etwa die großen Weißen – ziemlich geschlossen auf der AELVIS vertreten waren, eine solche Veranstaltung aufgrund ihrer Marktpräsenz jedoch am wenigsten benötigten.

Was die BSH mit ihrem „Nein” zur AELVIS 2017 jetzt ja auch demonstriert und womit viele potenzielle, jedoch abwesende Aussteller – einige davon bekannte Trittbrettfahrer, die immer „erst einmal abwarten” wollen – auf der Strecke bleiben werden. Und neben jenen auch viele Händler, die „ihrer” Branchenmesse das Wasser abgegraben haben, weil sie es nicht der Mühe Wert befanden, nach Salzburg zu kommen.

Die alles entscheidende Frage ist: Wie lässt sich eine solch unselige Dynamik nachhaltig durchbrechen, diese Abwärtsspirale nicht nur stoppen, sondern umkehren?

Kurz vor der Eskalation und der darauf folgenden Absage der AELVIS 2017 vergangene Woche, habe ich das vorgeschlagen, was in der Psychologie als paradoxe Intervention bekannt ist. Also ein brutaler Eingriff von außen, der vordergründig genau das fordert, was er hintergründig verhindern will.

Etwa: Die Ansage der Protagonisten, in Zukunft auf jegliche Branchenveranstaltung in Österreich verzichten zu wollen in der Hoffnung, dass sie damit einen intensiven Nachdenkprozess auslösen und jene Kräfte mobilisieren, die dann vehement auf eine Messe drängen. Das ist ein gewagtes Spiel, das jedoch derzeit ganz gut zu funktionieren scheint, wie die wieder erstarkten Bemühungen um eine ordentliche Frühjahrsveranstaltungen vermuten lassen.

Wichtig war, dass man sich vom Herbsttermin jetzt einmal verabschiedet hat, weil der zur Zeit gegen die starke IFA, und vor dem Hintergrund der immer globaler agierenden Lieferanten, kaum mehr zu behaupten gewesen wäre (was der AELVIS schon heuer u.a. die gesamte Media-Saturn-Gruppe als Besucher gekostet hat).

Jetzt muss man konstruktiv, und mit vereinten Kräften, an einer Veranstaltung im Frühjahr arbeiten, die meiner Meinung nach im Idealfall eine kombinierte Messe/Kongress-Veranstaltung sein sollte. In Österreich künftig auf eine Branchenveranstaltung zu verzichten, erscheint mir keine Option und wäre ein fatales Signal für die gesamte Branche.

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