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Mittwoch, 15. Mai 2024
Editorial E&W 12/2023

Betrübliche Aussichten

Wolfgang Schalko | 10.12.2023 | |  
Wir schreiben Anfang Dezember. Draußen liegt Schnee und nicht nur den Nostalgikern sollte beim Anblick der weißen Pracht zumindest ein bisschen warm ums Herz werden. Herzerwärmend ist ein gutes Stichwort, denn so fallen üblicherweise (und soweit irgendwie möglich) auch die Jahresrückblicke aus, die wir dieser Tage wieder überall zu lesen bekommen. Ich gebe zu, dass ich hier eigentlich keine Ausnahme machen und die beglückendsten Momente und Ereignisse des heurigen Jahren noch einmal in Erinnerung rufen wollte. Gewissermaßen als Gedächtnisstütze, da wir Menschen bekanntlich dazu neigen, uns das Negative wesentlich besser einzuprägen (nur der Form halber: aus evolutionären Gründen). Bloß: Mir mögen weder ausreichend viele Ereignisse noch ein ausreichend großes Einzelereignis in den Sinn kommen.

Natürlich ist es keineswegs so, dass 2023 nichts Positives und Erfeuliches passiert wäre – einiges davon finden Sie sehr prominent und ausführlich in der E&W-Dezemberausgabe, wie etwa die Neuauflage des Reparaturbonus, der vielen Betrieben in schwierigen Zeiten gute Zusatzumsätze beschert, oder die Klimafonds-Förderaktion zur Bekämpfung der Energiearmut, an der ElectronicPartner federführend beteiligt ist, oder das Rekordtempo beim Ausbau der Photovoltaik, das den Konjunktureinbruch am Bausektor zwar nicht völlig kompensieren, aber zumindest abfedern kann. Auf der anderen Seite ist es kein Geheimnis, dass die Elektrobranche – Handel wie Gewerbe – im Moment zu kämpfen hat. Das ist beispielsweise auf die hohe Inflation und die damit einhergehende Konsum- bzw. Investitionsflaute zurückzuführen. Wie prekär und angespannt die Lage auf allen Seiten tatsächlich ist, zeigt sich wohl am besten in den KV-Verhandlungen, die weder für den Elektrohandel noch die Elektrotechniker zu Redaktionsschluss in trockenen Tüchern waren.

Gemeinhin glauben die Menschen ja, die Arbeitgeber würden die Abschlüsse möglichst nach unten drücken wollen und die Arbeitnehmer – genau gegenteilig – so weit wie möglich nach oben schrauben. Ein Gespächstpartner aus der Branche, der in die Verhandlungen involviert war bzw. ist, schilderte mir gegenüber jedoch, dass es keineswegs so einfach ist. Denn was bedeutet beispielsweise ein niedriger KV-Abschluss? Neben geringeren Kosten für die Arbeitgeber auch eine geringere Attraktivität der Branche gegenüber anderen Berufen – was in Zeiten des akuten Arbeits- und Fachkräftemangels nicht unbedingt zweckdienlich ist. Oder was heißt es, untere Einkommensgruppen mehr zu stärken als die oberen? Neben mehr Kaufkraft für die Einkommensschwachen auch, dass höhere Qualifikation weniger belohnt wird, was den Anreiz zur Aus- und Weiterbildung nicht unbedingt fördert. Ich will diese Liste nicht endlos fortsetzen, sondern Sie gleich zur Conclusio des Verhandlers bringen: Wie man es auch anstellt, am Ende gibt es nur Verlierer. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich vieles bei näherer Betrachtung als wesentlich komplexer entpuppt, als es auf den ersten Blick scheint.

Und noch eine Entwicklung möchte ich an dieser Stelle erwähnen, weil auch sie sich vielleicht als noch tiefgreifender und bedeutender erweisen könnte, als sie sich zunächst darstellt – und nicht zuletzt auch deshalb, weil es Medien wie die E&W und elektro.at direkt betrifft. Die Rede ist von der digitalen Massenkommunikation und ihren Auswirkungen. Die Schriftstellerin Eva Menasse hat dazu kürzlich einen Essay verfasst, der das Problem wiefolgt umreißt: „E-Mails, Messengerdienste oder soziale Medien – alle bisher etablierten digitalen Formen verhalten sich grundlegend anders .Sie sind viel mehr als einfach technischer Fortschritt. Sie sind nicht bloß „unstofflich“, weil sie nur auf Bildschirmen erscheinen, nein, sie haben auch alle anderen entscheidenden Parameter verändert: durch ihre Geschwindigkeit, ihre Unmittelbarkeit trotz räumlicher Distanz, dadurch, dass sie unendlich vervielfältigbar und, last, but not least, prinzipiell unlöschbar sind. Digitale Kommunikation erzeugt fatale Illusionen von Gleichzeitigkeit und Nähe. Durch klassische Sinnestäuschung rückt einem die große, furchtbar komplizierte und gewalttätige Welt dauernd auf den Pelz.” Und weiter: „Im Falle des altmodischen Briefeschreibens wirkte die Zeit wie ein Airbag, der eine Menge Fehler und Katastrophen verhinderte. Niemand wird widersprechen, dass die Anzahl der zerrissenen, niemals abgeschickten Briefe die der zugestellten um ein Vielfaches überschreitet. Und die der aufbewahrten und erhaltenen, somit publizierbaren, sowieso. Aber dieser Airbag aus Zeit ist restlos vernichtet, nicht einmal etwas von der Dicke eines Bremsbelags ist übrig geblieben. Onlinekommunikation funktioniert fast so affektiv wie Sprechen: tippen, senden, weg – uneinholbar, nie wieder einzufangen.”

Ob wir wollen oder nicht, die moderne digitale Kommunikation betrifft uns alle. Und wenn nicht direkt, dann auf jeden Fall indirekt – denn das oben beschriebene Phänomen, dass einem Nachrichten und Schlagzeilen heute näher und wirkungsmächtiger erscheinen als in der Vergangenheit, beeinflusst die Stimmung, das Kaufverhalten und vieles mehr – von Ihnen und vor allem auch von Ihren Kunden. Bei einem Netzwerkabend der Österreichischen Marketing-Gesellschaft (ÖMG) ging es kürzlich um die Frage: „Hat die Wa(h)re Nachricht eine Zukunft? ”. Und daran anknüpfend: „ Welche Rolle spielt ein glaubwürdiges (Medien)-Umfeld für Kommunikationsbotschaften?“ Einen Satz aus der dort stattgefundenen Podiumsdiskussion habe ich als besonders einprägsam empfunden: „Saubere Nachrichten sind wie sauberes Trinkwasser. Wir brauchen beides, um zu überleben.“ Das macht mir als Zeitungsmacher nicht nur Mut, sondern ich sehe darin auch eine Handlungsanleitung bzw. einen Auftrag – nämlich dem ehrlichen und qualitativen Fachjournalismus treu zu bleiben. Selbst wenn wir manchmal den Eindruck haben, von den negativen (und unmittelbaren) Nachrichten überrollt zu werden: Es gibt immer auch gute Gründe, den Kopf nicht in den Sand zu stecken.

Und weil ich Ihnen den Jahresrückblick schuldig geblieben bin, möchte ich Ihnen wenigstens einen kleinen Ausblick auf 2024 geben: Um dem Stellenwert der Erneuerbaren Energien und der Energiewende gerecht zu werden, widmen wir diesem Themenkomplex ab sofort ein eigenes „Buch” in jeder E&W-Ausgabe – so wie auch den Hausgeräten oder der Telekom. Sie finden es ab Seite 65 in der demnächst erscheinenden E&W-Dezemberausgabe. Oder um es mit einer einprägsamen Volksweisheit zu sagen: Das Beste kommt immer am Schluss.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit, ein frohes Fest und alles Gute für 2024!

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