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Mittwoch, 3. Juli 2024
Telekom-Kommentar E&W 6/2024

„Function-Creep“ genetisch angelegt

Dominik Schebach | 09.06.2024 | Bilder | |  Meinung
Vor einigen Tagen stolperte ich in meiner In-Box über einen interessanten Beitrag: Nach der Auswertung mehrerer Studien zu Smartphones und Smart Homes kamen Andreas Fürst, Nina Pecornik und Wayne D. Hoyer von der Universität Erlangen-Nürnberg, dem FAU-Institut für Betriebswirtschaftslehre sowie der McCombs School of Business an der University of Texas zur Erkenntnis, dass eine immer größere Anzahl an Funktionen an einem Gerät Kunden eher abschreckt.

Diese Einschätzungen der Endkunden wurden demnach von mehreren Faktoren beeinflusst. So erwarteten die Verbraucher, dass mit der steigenden Anzahl der Funktionen ein Produkt zwar leistungsfähiger, aber auch weniger benutzerfreundlich wird. Je weniger sich die Funktionen ähneln und je stärker sie miteinander verknüpft sind, desto schwieriger erschien den Verbrauchern die Bedienung eines Produkts. Umgekehrt, wenn sich die Funktionen sehr ähnlich sind, wurde die Benutzerfreundlichkeit deutlich höher bewertet. Dass die Konsumenten eher bereit sind, ein Produkt zu kaufen, dessen Benutzerfreundlichkeit sie höher einschätzen, versteht sich dabei von selbst.

Die Studie „How product complexity affects consumer adoption of new products: The role of feature heterogeneity and interrelatedness“, wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht, ist im Open Access verfügbar. Die Erkenntnis ist allerdings nicht nur für Unternehmen interessant, die den kommerziellen Erfolg eines Produkts sicherstellen wollen. Die Studie zeigt auch – wieder einmal – die Bedeutung eines guten Fachhandels auf, der die Komplexität von Produkten für den Endkunden reduziert.

Die Rolle des Vermittlers zwischen Hersteller und Konsument wird auch in Zukunft nicht aussterben. Dafür sorgt schon der Umstand, dass viele Entwickler offensichtlich nicht der Versuchung widerstehen können, immer mehr Funktionen in ihre Produkte hineinzupacken. Dieser „Function Creep“ ist anscheinend genetisch in ihnen angelegt. Aber gerade dann, wenn die Anzahl der verfügbaren Funktionen in einem Gerät immer größer wird, gewinnt die Bedarfsanalyse am POS zunehmend an Bedeutung. Der Verkäufer im Geschäft lotst den Kunden zum passenden Produkt, stellt die für den Kunden zentralen Funktionen in den Mittelpunkt und weist den Käufer oft auch gleich ein. In einer Zeit, in der immer weniger Konsumenten die Geduld aufbringen, sich die Bedienungsanleitung durchzulesen, ein nicht zu unterschätzender Nutzen des Fachhandels. Dieser wird selbst dann bestehen, wenn der Markt gesättigt ist. Schließlich werden die Kunden mit der Zeit mehr Funktionen ihrer Geräte entdecken und für sich erschließen wollen.

Das wirft interessante Fragen auf: Wie sieht es in Zukunft mit dem Selbstverständnis des Handels aus? Definiert er sich auch weiterhin darüber, dass er Produkte verkauft, oder wird der Service und Beratungsaspekt das definierende Element des stationären Handels? Aber auch auf der Seite der Hersteller und Produktentwickler tun sich Fragen auf: Steht in Zukunft der volle Funktionsumfang der Produkte sofort mit dem Kauf zur Verfügung, oder muss man sich – wie bei einem prominenten Fahrzeughersteller – die einzelnen Funktionen zukaufen? So oder so, die Rolle des Fachhandels wird sich weiter entwickeln.

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