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Samstag, 4. Mai 2024
Gedanken am Sonntagmorgen

Von aufsteigenden Grausbirnen & großer Sympathie

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 20.08.2017 | Bilder | | 2  Archiv
Es gibt Claims und Slogans die gehen direkt ins Hirn, berühren das Herz und lassen den Empfänger große Sympathie für das jeweilige Unternehmen empfinden... Es gibt Claims und Slogans die gehen direkt ins Hirn, berühren das Herz und lassen den Empfänger große Sympathie für das jeweilige Unternehmen empfinden...

Es gibt Claims und Slogans die gehen direkt ins Hirn, berühren das Herz und lassen den Empfänger große Sympathie für das jeweilige Unternehmen empfinden. Es gibt aber auch Claims, die unkontrolliertes Kopfschütteln hervorrufen. Slogans, die die Mentalität einer ganzen Nation bzw. die Sprachkultur eines Landes verändern können und manche treiben (theoretisch) sogar einen ganzen Berufsstand in den Ruin …

Es gibt Slogans (auch Claims genannt), die sich – aus nicht immer ganz nachvollziehbaren Gründen – so sehr in den Köpfen der Konsumenten einprägten, dass sie quasi als geflügelte Worte Einzug in die Alltagssprache gehalten haben. Ich denke da zB. an „da werden sie geholfen“ (Verona Feldbusch macht Werbung für eine Telefonauskunft) oder „Nicht immer, aber immer öfter“ (Clausthaler) oder „Es gibt immer was zu tun“ (Hornbach). Auch an „Ich bin doch nicht blöd“ (Media Markt) muss ich in diesem Zusammenhang denken und weil ich gerade bei den Elektroriesen der MSB bin, fällt mir ein: Saturn in Deutschland lässt für einige Wochen den (man glaubt es kaum: mittlerweile 15 Jahre alten!) Spruch „Geiz ist geil“ neu aufleben.

Ruinös

Dieser Claim hat Erstaunliches bewirkt: „Geiz ist geil“ hat damals (vor allem in Deutschland) eine neue Ära eingeläutet, eine neue Art der Mentalität heraufbeschworen. Plötzlich wurde es nicht mehr als unangenehm und beschämend empfunden geizig zu sein, ganz im Gegenteil, auf einmal stand man selbstbewusst dazu, war einer von vielen und geil dabei! Kritiker schrien auf. Die durch den Geiz-ist-geil-Slogan skizzierte Mentalität stehe für übertriebene Sparsamkeit der Käufer bzw. Verbraucher. Diese hätte zu einem verstärkten Preiswettbewerb von Herstellern und Händlern geführt, der wiederum zu aggressiver Marktpolitik, Dumpingpreisen und ruinösem Wettbewerb geführt hätte. Insbesondere kleine und mittelständische Fachhändler und Fachwerkstätten könnten sich gegen den Konkurrenzdruck nicht wehren. Discounter, Großmärkte und branchenfremde Anbieter würden ihre Marktmacht nutzen, um zu günstigeren Konditionen einzukaufen und diesen Preisvorteil an die Kunden weiterzugeben. Schließlich wurden auch Qualitätsprobleme und die zunehmende Verbreitung von Billigprodukten geringer Qualität mit der „Geiz-ist-geil-Mentalität“ in Zusammenhang gebracht …

Nun, ganz so dramatisch, weitreichend und ruinös würde ich den Einfluss des Saturn-Slogans nicht sehen. Aber ich bezweifle schon, ob die Idee, den „Geiz ist geil“-Claim neu aufleben zu lassen, wirklich so gut ist. Erweckt er heute bei vielen Menschen (vor allem bei mir) doch eher unkontrolliertes Kopfschütteln, als Kauflust. Aber die bei der MSB (ein Konzern, der sich seinen Werbeauftritt – wie Medien berichten – jährlich eine halbe Milliarde Euro kosten lässt) werden sich schon etwas dabei überlegt haben. Hoffentlich mehr als bei „Soo! muss Technik“, ein Slogan, dessen Bedeutung bis heute ein Rätsel für den grammatikalisch versierten Konsumenten darstellt. „Soo! muss Technik“ löst bei mir schlimmere Zustände aus, als „Geiz ist geil“. Ich bekomme eine Ganslhaut, wenn ich das höre; es tut mir richtiggehend weh, wenn ich diesen Satz sage. Dabei ist „Soo! muss Technik“ gar kein ganzer Satz, es ist eine Nullaussage – „ein Luftloch der Kommunikation“, wie in Der Zeit so schön geschrieben stand.

„Soo! muss Technik“ polarisierte ähnlich stark wie der „geile“ Vorgänger-Claim. Insbesondere Sprachwissenschaftlern stellte es die Grausbirnen auf. Die deutsche Sprache würde den Bach runtergehen und die Jugendlichen seien im Grunde daran schuld. Insbesondere jene aus städtischen Gebieten mit hohem Ausländeranteil, denn dort würden sich die Sprachen der unterschiedlichen Kulturen vermischen. Ein wesentliches Element dieser neuen Jugendsprache sei das Weglassen von „eher unwichtigen, nebensächlichen“ Wörtern. So sagen Jugendliche: „Ich gehe Berufsschule!“ Die Partikel „in“ und den Artikel „die“ schenken sie sich. Auch den Hilfszeitwörtern gehe es an den Kragen: „Was denn los hier?“ In diesem Fall müsse man sich eine Form von „sein“ dazu denken. Gleiches gilt für den Satz: „Ja, ich aus Favoriten.“ Auch besitzanzeigende Fürwörter wie „dein“ könnten entfallen. Das klingt dann in etwa so: „Hast du Handy mit?“

Saturn passte sich mit seinem neuen „Soo! muss Technik“-Claim dieser Entwicklung an und unterstützte damit ja im weitesten Sinne den von den Linguisten befürchteten Sprachverfall. Geiz war in der Vergangenheit geil und plötzlich stand nicht mehr der sparsame Biedermeier und „Schnäppchen“-murmelnde Raffzahn im Fokus des Elektroriesen, sondern technikaffine Jugendliche, auch mit Immigrationshintergrund, die die neuesten Elektrogeräte und Tech-Gimmicks einfach nur „Echt krass, Mann“ finden.

Ehrlichgesagt

Man merkt: Ich persönlich kann mich wenig für die beiden Saturn-Claims begeistern. So sehr sie allerdings polarisieren, eines muss man neidlos zugestehen: „Soo! Muss Technik“ und „Geiz ist geil“ haben werbetechnisch voll ins Schwarze getroffen. Es gibt glaube ich kaum jemanden, der damit nicht automatisch (und ungestützt), untrennbar den Elektroriesen Saturn in Verbindung bringt und genau das sollte ein Claim bewirken – so sollte es sein.

Gemäß der landläufigen Marketing-Meinung ist ein kraftvoller Slogan ein wesentliches Element jeder Markenstrategie. Er soll die Besonderheit der Marke auf den Punkt bringen und sich in den Köpfen festsetzen. Im Idealfall wird er (wie eingangs erwähnt) zu einem geflügelten Wort und erzeugt eine kommunikative Eigendynamik für die Marke. Überlegen Sie: Kennen nicht auch Sie zahlreiche Slogans, die so gut in Ihrer Erinnerung verhaftet sind, als hätte man sie erst gestern über den Äther geschickt? Wie wäre es mit „… frisst den Staub und schont den Teppich“ – na? Wissen Sie um welche Marke es hier geht? Oder „bewusst, robust, …“? Oder auch „… weiß, was Frauen wünschen“ und „Verlässlichkeit für viele Jahre“?  

Ein guter Claim

Unternehmensbotschaften sollten sich im Idealfall also in den Köpfen der Verbraucher verankern, oft ist die Realität allerdings eine andere: Es gibt wohl kein anderes Markenelement, bei dem man eine derart schwankende Qualität konstatieren muss wie bei der Formulierung von Slogans. Erschreckend viele Marken arbeiten mit schwachen Claims. Deren größtes Manko ist neben inhaltlicher oder formaler Schlaffheit die nicht vorhandene Markenanbindung. Man erkennt die beworbene Marke einfach nicht. Oder erinnern SIE sich welche Unternehmen hinter den Sprüchen „Keine halben Sachen“, „Feel the difference“ oder „Die Freiheit nehm‘ ich mir!“ stehen? (Dabei kennt die dazugehörigen Marken fast jeder, nämlich Tesa, Ford und Visa.)

Ein guter Claim ist Gold wert. Umso unverständlicher wenn Unternehmen ihre über Jahre in die Köpfe der Verbraucher getrommelten Slogans von heute auf morgen ändern und gegen nichtssagende Sprüche austauschen. Noch schlimmer wenn die Verbraucher die neue Botschaft dann nicht verstehen, oder noch schlimmer, gar nicht erst aussprechen können. So passiert vor kurzem, als ein großer Konzern seinen neuen Claim „Ingenuity for life“ vorstellte. Ich wusste im ersten Moment weder was es heißt, noch wie ich es richtig (und ohne mir dabei in die Wange zu beißen) ausspreche. Der Leiter der Unternehmenskommunikation des Unternehmens erklärte, dass man sich mit dem neuen Auftritt auf die wesentlichen Elemente der Marke besinnen will. Man wolle den Zielgruppen vermitteln, wofür der Konzern seit den „herausragenden Erfindungen seines Firmengründers“ steht: Ideenreichtum, Ingenieurskunst, Innovationskraft und gesellschaftlicher Mehrwert. All das stecke in diesen drei Wörtern „Ingenuity for life“ …

Ein guter Claim muss die wichtigste Aussage über das Unternehmen an den Kunden kommunizieren. Dazu zählen Werte, Versprechen und die Kernidentität, das Selbstverständnis, die Philosophie, Tradition und Vision, kundenseitig der Nutzen sowie erfüllte Wünsche. Natürlich kann das nicht in aller Länge und explizit funktionieren. Die Kunst beim Schaffen von Claims liegt darin, all diese Dinge möglichst implizit zu transportieren, oft in emotionaler Weise – und vor allem: verständlich.

Bilder
Es gibt aber auch Claims und Slogans, die unkontrolliertes Kopfschütteln hervorrufen und sogar die Mentalität einer ganzen Nation bzw Sprachkultur eines Landes verändern können. (Bild: Saturn)
Es gibt aber auch Claims und Slogans, die unkontrolliertes Kopfschütteln hervorrufen und sogar die Mentalität einer ganzen Nation bzw Sprachkultur eines Landes verändern können. (Bild: Saturn)
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Kommentare (2)

  1. Klassiker

    bei einer Lehrabschlussprüfung:
    Kennen Sie einen Slogan? Ja! Natürlich.

    Beim aktuellen Geiz ist Geil-Rückfall halte ich mich an den Werbspruch und habe Stacheldraht im Portemonnaie!

  2. claims & slogans

    einer der berühmtesten, unbeabsichtigt entstandenen, im marketing leider noch nie verwendung gefundenen und doch in den meisten köpfen drinnen – „haben fertig“ – von giovanni trappatoni

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