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Samstag, 4. Mai 2024
Bettgeschichten - Teil 1

Zwischen den Zeilen…

Hintergrund | Andreas Rockenbauer | 20.08.2017 | Bilder | |  Archiv

Mir braucht kein Junkie erzählen, wie schwer es ist, an einer geöffneten Apotheke vorbeizugehen. Oder Frauen, dass Schuhgeschäfte einen nicht kontrollierbaren Reflex auslösen – als würden diese unsichtbare Fangarme ausstrecken, um sie in ihr Inneres zu befördern.

Ich verstehe das nur zu gut. Nicht, dass ich meinen Körper gerne mit pharmazeutischen Produkten vollpumpe (ich bediene mich da lieber bei Flüssigem aus dem Weinkeller) oder eine wie immer geartete Affinität zu Schuhen hätte, aber mir ist es so gut wie unmöglich an einer Buchhandlung vorbeizugehen, ohne diese „nur mal eben ganz kurz“ von innen zu inspizieren. Und ein Buch zu kaufen. Oder gleich mehrere.

Was Bücher anbelangt, sagt man mir gewisse pathologische Neigungen nach und ich gebe zu, dass zahlreiche Indizien für diese These sprechen. Was das mit meinem Bett zu tun hat, möchte ich gerne erzählen. Und mit dieser Beichte gleich eine Serie starten, die regelmäßige Fortsetzungen bekommen wird…

Genaugenommen hat das, über das ich jetzt berichten möchte, nicht direkt mit meinem Bett, sondern vielmehr mit dem Nachtkästchen daneben zu tun – und in diesem Sinn dürfen Sie auch keine Bett-, sondern Nachtkästchengeschichten erwarten. (So rasch kann man 90% seiner Leser verlieren…)

Nun zu meinem Nachtkästchen: Auf diesem steht – neben einer überdimensionalen Nachttischlampe – nein, kein Radiowecker. Den darf ich da nicht stehen haben, weil meine Frau… Aber das ist eine andere Geschichte. Was sich ausnahmslos immer auf meinem Nachtkästchen befindet (neben besagter Lampe) sind – Bücher. Viele Bücher. Und das, obwohl mir meine Frau vor einiger Zeit eine Schlankheitskur der etwas anderen Art verordnet hatte. Die einfache Order: „Maximal drei Bücher, der Rest muss ins Bücherregal.” Sie ahnen es schon – ich halte mich nicht daran. Aber nicht aus Prinzip, oder um meine Frau zu ärgern. Es geht einfach nicht anders, es sind immer mehr als drei. Viel mehr.

Manche liegen lange da, manche nur ganz kurz. Manche werden bis zur letzten Seite gelesen, manche werden schon nach wenigen Seiten wieder zugeklappt und kurze Zeit später „angelesen” wieder in einem meiner vielen Bücherregale verstaut. Meine Frau kann nicht verstehen, warum da so viele Bücher (herum)liegen müssen, und ich habe aufgehört, ihr das erklären zu wollen. Vermutlich, weil ich den Zwang in mir verspüre, dass das so sein muss, ohne selbst genau zu verstehen warum.

Vielleicht, weil ich mich mit Büchern rund um mich herum einfach sauwohl fühle, vielleicht, weil sie irgendwie Freunde sind, oder mir eine Art von Sicherheit geben, deren Wesen sich mir noch nicht so richtigs erschlossen hat. Aber eigentlich ist das auch völlig egal, die Bücher sind da – und basta.

Ich möchte ab diesem Sonntag immer wieder darüber berichten, was sich gerade auf meinem Nachtkästchen befindet und warum. Welches Buch den anderen gerade die Show stiehlt oder welches schon Staub ansetzt und dennoch nicht ins Bücherregal muss. Oder welches schon auf der Abschussliste steht und ganz sicher bald verschwinden wird.

Derzeit liegen acht Bücher auf meinem Nachtkästchen und ich würde behaupten, dass das ganz guter Durchschnitt ist.

Letzter Saibling – Ein Altaussee-Krimi (Herbert Dutzler; Haymon)

Tagebuch I (Henry D. Thoreau; Matthes & Seitz Berlin)

Die siebte Sprachfunktion (Laurent Binet; Rowohlt)

Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung (Hartmut Rosa; Suhrkamp)

Eierlikörtage – Das geheime Tagebuch des Henrik Groen, 83 ¼ Jahre (Henrik Groen; Piper)

The Road to Reality – A complete Guide to the Laws of the Universe (Roger Penrose; Vintage)

Ein Trottel kommt selten allein (Michael Niavarani; Amalthea)

Das Einstein Enigma (J.R. Dos Santos; Luzar Publishing – Kindle eBook)

 

Letzter Saibling

Ich liebe das Salzkammergut und – seit kurzem – auch die Krimis von Herbert Dutzler. In dieser Serie von Altausseer-Krimis sind bislang sechs Bücher rund um den schrulligen Inspektor Gasperlmaier erschienen, Letzter Saibling ist der dritte Band. Es war reiner Zufall, dass ich vor einigen Monaten auf das zweite Buch der Serie – Letzter Gipfel – in der Hotelbibliothek meines Bad Ausseer Lieblingshotels Die Wasnerin gestoßen und sofort hinein gekippt bin, in die wenig komplizierten Geschichten, die aber ganz gut etwas von dem Lokalkolorit verströmen, das dem Ausseerland so eigen ist.

Nachtkastel-Prognose: Wird in wenigen Tagen von meinem Nachtkästchen verschwunden sein – ausgelesen. 

 

Tagebuch I

Henry David Thoreau (amerikanischer Schriftsteller und Philosoph) war mir schon lange ein Begriff – vor allem durch seinen berühmten Selbstversuch in einer einsamen Hütte am Walden-See (siehe elektro.at am Sonntag vom 23. Juli) und dem daraus entstandenen Buch (Walden – oder Leben in den Wäldern). Durch eine Ö1-Serie über Thoreau anlässlich seines 200. Geburtstags am 12. Juli wurde mein Interesse wieder geweckt und ich habe mir Teil 1 seiner Tagebücher gekauft. Perfekt zum Schmökern…

Nachtkastel-Prognose: wird noch längere Zeit da liegen und in kleinen, aber regelmäßigen, Dosen genossen werden.

 

Die siebte Sprachfunktion

Ein Geheimtipp für philosophieinteressierte Krimi-Leser. Das Buch (übrigens mit dem Prix Interallié und dem Prix du Roman Fnac ausgezeichnet) beginnt mit einem Autounfall, bei dem der Philosoph (und strukturalistische Semiotiker) Roland Barthes in Paris vor den Augen von Michel Foucault von einem bulgarischen Wäschelieferanten überfahren wird. Anschließend stellt sich heraus, dass der Unfall vermutlich keiner war und eine absurde Schnitzeljagd nach den Mörder durch mehrere Länder beginnt. Mit von der Partie: Francois Mitterand, Jacques Derrida, Umberto Eco uvam. Ein Leckerbissen!

Nachtkastel-Prognose: Wird wohl kurz vor, oder kurz nach Letzter Saibling wieder ins Bücherregal wandern – selbstverständlich ausgelesen.

 

The Road to Reality

Das ist nicht ganz einfache Kost (ist eine Untertreibung) und eigentlich nicht fürs Nachtkästchen geeignet. Schon aufgrund seines Umfangs von 1.099 Seiten… Der Autor Roger Penrose ist ein bekannter englischer Mathematiker und theoretischer Physiker und beschäftigt sich in diesem Monumentalwerk mit allen Themen, die einer wie er als Basiswissen zum Verständnis unserer Welt zählt. Allso alles, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält… Das Buch ist sehr gut geschrieben und trotz des hohen Anspruchs ausgesprochen lesbar. Vor (viel) Mathematik sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen.

Übrigens: Die deutsche Teilübersetzung Der Weg zur Wirklichkeit (Spektrum-Verlag) verschwand rasch wieder ins Bücherregal und musste der englischen Originalausgabe weichen, weil dort auf mageren 357 Seiten (742 Seiten weniger als das Original) die besten Kapitel der Originalausgabe fehlen – enttäuschend!

Nachtkastel-Prognose: Das ist wohl ein Buch, das mich für den Rest meines Lebens beschäftigen wird (selbst bei einer optimistischen Prognose, was meine Lebenserwartung betrifft). Ob es so lange auf meinem Nachtkästchen bleibt, oder ich es lieber ins Arbeitszimmer übersiedle, weiß ich noch nicht. In jedem Fall wäre es ein Kandidat für die einsame Insel. Ich liebe es! Auch wenn das Eine oder Andere zu hoch ist für mich…

 

Eierlikörtage

Ich habe vor einer Woche in der Buchhandlung ein paar Absätze gelesen – und schon war es gekauft. Zuerst dachte ich, dass das bitterböse und SEHR lustige Tagebuch über einen 83jährigen in einem Altersheim ein gut gemachter Fake ist. Aber nein, der Autor hat tatsächlich seine Altersheim-Tagebücher veröffentlicht (mittlerweile ist auch schon ein weiterer Band erschienen)! Hendrik Groen – 83 Jahre alt – über die Eierlikörtage: ”Kein Satz ist eine Lüge, aber nicht jedes Wort ist wahr.”

Damit Sie sich etwas vorstellen können, ein ganz kurzer Auszug:

”Von allen Sinnesorganen arbeitet meine Nase noch am besten. Das ist hier nicht immer ein Segen. Es riecht nach alten Menschen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind fand, dass es bei Oma und Opa immer so komisch roch. Ein unbestimmter Geruch, der sich mit dem Duft von Zigarren verband. Feuchte Kleider, die zu lange in einer Plastiktüte lagen. Es ist nicht bei allen Bewohnern gleich schlimm. Aber bei manchen Besuchen steck ich mir Wattebäusche in die Nasenlöcher. Schön tief, damit es niemand sieht. Den Umstand, dass die Luft nur noch selten mit Zigarettenrauch verpestet wird, scheinen viele zum Freibrief zu nehmen, umso unbekümmerter Fürze zu lassen – und um die Mundhygiene ist es auch nicht immer zum Besten bestellt. Als ob sie nur noch Abfall zu essen bekommen würden.”

Nachtkastel-Prognose: sorgt bei mir regelmäßig für Heiterkeitsanfälle vor dem „Licht aus und nicht schnarchen” und wird bald ausgelesen sein.

 

Ein Trottel kommt selten allein

Nun ja, ich weiß nicht recht. Ich halte Michael Niavarani für einen herausragenden Kabarettisten und mag ihn sowohl auf der Bühne als auch im TV. Mit seinem neuesten Buch bin ich – nach durchaus vielversprechendem Beginn – noch nicht recht warm geworden. Ich bin mir nicht sicher, was sich hier für eine Story entwickeln soll. Wenn ich wenigstens das Gefühl hätte, dass der „Nia” selbst das wusste als er an seinem Buch arbeitete, dann wäre mir leichter. Aber überzeugt bin ich auch davon (noch) nicht.

Nachtkastel-Prognose: Schau ma mal…

 

Resonanz

Den Autor kenne ich von mehreren Ö1-Sendungen und der Mann hat tatsächlich etwas zu sagen. Hartmut Rosa ist studierter Philosoph, Politikwissenschaftler und Germanist und Professor für Soziologie in Jena und breitet sich in seinem über 800 Seiten starken Werk über ein Thema aus, das mich selbst schon seit langem bewegt und das ich in Bälde ansatzweise in einem Editorial verarbeiten möchte.

Auszug aus dem Klappentext: „Am Anfang des Buchs steht die Behauptung, dass sich die Qualität des menschlichen Lebens nicht in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten angeben lässt. Stattdessen müssen wir unseren Blick auf die Beziehung zur Welt richten, die dieses Leben prägt und die dann, wenn sie intakt ist, Ausdruck stabiler Resonanzverhältnisse ist.” Klingt ein bisschen abgefahren, ist es aber eigentlich nicht. Gute Idee, gute Beispiele, gut geschrieben. Ich mag es.

Nachtkastel-Prognose: Wird noch länger da liegen, aber immer wieder mit Genuss zur Hand genommen. Immerhin habe ich jüngst jemanden getroffen, der behauptet hat, es bis zur letzten Seite gelesen zu haben. Das ist auch mein Ziel.

 

Das Einstein Enigma

Am Anfang war ich etwas skeptisch, weil das Buch in seiner Aufmachung ein bisschen billig daher kommt. Aber das tut ihm unrecht. Interessantes Thema, spannend zu lesen. Auszug aus dem Verlagstext: „Der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha soll ein Geheimmanuskript Albert Einsteins entschlüsseln: Die Gottesformel – die vermeintliche Bauanleitung für eine billige Atombombe, mit der Israel das Physik-Genie einst beauftragt habe. So gerät Tomás zwischen die Fronten von Iran und CIA. Tatsächlich geht es jedoch um die fundamentalen Fragen nach der Entstehung des Universums, dem Sinn des Lebens und Gott. Eine spannende Reise in die Welt von Wissenschaft und Religion. Denn im Rahmen seiner Ermittlungen kommt Tomás einem der größten Rätsel der Welt auf die Spur: dem wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes.”

Nachtkastel-Prognose: Wird rasch bis zum Ende gelesen. Mit Genuss und Spannung!

Fortsetzung folgt.

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Am Nachtkästchen: Kein Radiowecker, aber immer ein Haufen Bücher...
Am Nachtkästchen: Kein Radiowecker, aber immer ein Haufen Bücher...
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