Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Mittwoch, 8. Mai 2024
Offen gesagt

Geht’s noch?

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 12.11.2017 | | 4  Archiv
„Ich bin kein Koch, ich bin Techniker und meine Messergebnisse sagen mir, dass dieser Backofen einwandfrei funktioniert.“ (Bild: Tim Reckmann/ pixelio.de) „Ich bin kein Koch, ich bin Techniker und meine Messergebnisse sagen mir, dass dieser Backofen einwandfrei funktioniert.“ (Bild: Tim Reckmann/ pixelio.de)

Der „kleine“ Fachhandel hat‘s wirklich nicht leicht. Er hat es tagtäglich mit „vorinformierten“ Kunden zu tun, die auf Grund ihrer teils sehr einseitigen Internetrecherche davon überzeugt sind, Experten auf dem Gebiet des Zielgerätes zu sein. Zudem muss sich der EFH mit Onlineanbietern matchen, die keine Geschäfts- bzw Lagerflächen erhalten und Verkaufspersonal entlohnen müssen, und u.a. deswegen sehr preisaggressiv agieren können. Dazu kommen administrative und bürokratische Hürden am laufenden Band ... Was dann aber noch on top von manchen Herstellern bzw deren Mitarbeitern veranstaltet wird, schlägt dem Fass den Boden aus.

(Bild: Tim Reckmann/ pixelio.de)

Immer öfter werde ich mit Klagen von Händlern konfrontiert, dass viele Hersteller gemäß dem Motto „Wird wohl uma geh’n“ vorgehen und einfach nicht auf Händleranfragen reagieren, in der Hoffnung, dass sich das Problem von selber löst. So gibt es bei Produktreklamationen oft wochenlang keine Antwort seitens der Hersteller. Mit dem erbosten, jeden Tag aufs Neue im Geschäft stehenden Kunden, dem tagtäglich eine neue Erklärung aufgetischt werden muss, um ihn ruhigzustellen, wird der Händler vielfach alleine gelassen. Ebenso mit super angefressenen Kunden, die im Hochsommer keinen funktionierenden Kühlschrank haben, weil der nächste Garantie(!)-Reparatur-Termin erst in mehr als vier Wochen möglich ist. Als Erklärung meinte der Hersteller lapidar: „Wissen Sie, das ist in der Urlaubszeit halt so!“ Auf die Idee, dem Kunden für diese Zeit ein Leihgerät zur Verfügung zu stellen, kommt der Hersteller nicht. Nein, das muss schon der Händler machen und der Händler muss das Gerät (das er ja nur deshalb verleihen muss, weil der Hersteller sein Reparaturgeschäft nicht im Griff hat) ganz regulär kaufen – obwohl er keinen Cent damit verdient, sondern lediglich Schadensbegrenzung beim Kunden betreibt.

Lustig ist auch folgende Begebenheit: Der Techniker eines bekannten Herstellers erklärte im Zuge eines Servicefalls recht forsch, dass die Wäschegeräte dieser Marke nicht für Flüssigwaschmittel ausgelegt sind. Blöd nur, dass der Kunde besagtes Wäschegerät im Zuge einer Aktion gekauft hat, bei der der Hersteller einen gratis Jahresvorrat an Waschmittel dazulegte – in flüssiger Form wohlgemerkt. Ein anderer Techniker wiederum erklärte angesichts einer 20 Minuten lang gebackenen und dennoch immer noch blassweißen Tiefkühlpizza: „Ich bin kein Koch, ich bin Techniker und meine Messergebnisse sagen mir, dass dieser Backofen einwandfrei funktioniert.“ Klarerweise stand der Kunde am Tag danach beim Händler und regte sich zurecht darüber auf, als Trottel hingestellt zu werden.

Es gibt noch vieler solcher Episoden, die uns von Händlern aus ganz Österreich zugetragen wurden. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere Lieferant ja angesprochen und denen sei ans Herz gelegt: Die Fachändler reißen sich tagtäglich einen Haxn aus, um Eure Produkte an den Konsumenten zu bringen, sie sind Euer Sprachrohr zum Markt. Also behandelt sie fair und tischt nicht solche Blödheiten auf. Viele der kleinen FH stehen täglich 14 Stunden im Geschäft, sechs Tage die Woche und den Rest der Zeit sind sie dann auch noch mit den Gedanken bei ihrem Business. Des guten Verdienstes wegen machen sie es in den meisten Fällen mit Sicherheit nicht. Oft bleibt gerade genug zum Leben und trotzdem machen sie weiter, Tag für Tag, weil sie den Handel aus Leidenschaft betreiben!

Diesen Beitrag teilen

Kommentare (4)

  1. Geht noch schlimmer

    Was das ausgeschlagene Fass aber noch zum Überlaufen bringt, ist die Tatsache, dass Amazon, Hofer, etc. Nicht auf Garantiereparatur warten müssen. Da wird das Gerät einfach getauscht. Ich hab nachgefragt und als Antwort bekommen: das zahlt nicht die Industrie!! Dann kann aber nur die Spanne höher sein als im EFH. Wie sonst würden sich diese Firmen sonst bereit erklären, Kosten für die Industrie zu übernehmen????

  2. Nicht übertreiben…

    „Des guten Verdienstes wegen machen sie es in den meisten Fällen mit Sicherheit nicht. Oft bleibt gerade genug zum Leben und trotzdem machen sie weiter, Tag für Tag, weil sie den Handel aus Leidenschaft betreiben!“

    Ich fürchte diese Übertreibungen dass der Fachhändler es ja nicht wegen dem Verdienst sondern vorrangig wegen der Leidenschaft tut etc. werfen einen unguten Schatten auf die Thematik selbst. Alle Kritikpunkte lassen sich schlußendlich auf den Punkt „geringerer Verdienst als früher“ zurückführen.

    Man kann doch ruhig dazu stehen dass das „goldene Zeitalter“ nicht Aufgrund der Leidenschaft und Freude am Handeln sondern wegen dem Verdienst „goldig“ war. Man hat (unter anderem) sicher auch als Fachhändler vom breiten Unwissen der Kunden profitiert, durch die Vereinfachung der Geräte und die breitere Möglichkeit für Kunden sich über die Ware zu informieren ist dem Fachhandel sicher eine Stütze weggebrochen, gar keine Frage.

    Aber lassen wir bitte die Kirche im Dorf wenn es darum geht Sachen so zu benennen wie sie sind.

  3. Danke Fr. Bruckbauer

    Der Artikel spricht mir wirklich aus dem Herzen.
    Noch so eine Meldung der Industrie
    Das Problem kennen oder hatten wir noch nicht.
    Wir als kleiner Händler müssen uns mit Problemen abkämpfen die die Großen angeblich nicht kennen.
    Es gibt hierfür nur zwei Erklärungen
    1 Die verarschen uns
    2 Die sind echt so dämlich.
    3 Von dem Preiswahnsinn will ich hier gar nicht anfangen.
    Noch eine Bemerkung.
    Der Nachteil der Pension ist, das Alter, – der große Vorteil, nichts mehr mit diesen Brüdern zu tun haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden