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Samstag, 4. Mai 2024
Dinge, die mich wahnsinnig machen

Menschenverstand? Fehlanzeige!

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 26.11.2017 | Bilder | | 2  Archiv
Eine neue Seuche macht sich breit und sie befällt immer mehr Menschen. (Bild: Susanne Berghoff/ pixelio.de) Eine neue Seuche macht sich breit und sie befällt immer mehr Menschen. (Bild: Susanne Berghoff/ pixelio.de)

Eine neue Seuche macht sich breit und sie befällt immer mehr Menschen. Die Betroffenen bewegen sich schlurfenden Schrittes, völlig geistesabwesend, mit glasigen Augen, hängenden Schultern und gesenktem Kopf, bucklig und mit krüppelhaft anmutend, zusammengekrampften Händen durch unsere Welt. Es ist beängstigend! Und für alle Nicht-Befallenen ist es vor allen Dingen eines: Gefährlich! (Bild: Susanne Berghoff/ pixelio.de)

Sie fühlen sich fast überall wohl, ihren Lebensraum können sie nahezu allerorts haben – sofern es dort Verbindungen und Netze gibt. Dort, wo sie auf andere Lebewesen treffen, werden sie allerdings zur GefahrDie Smombies! Mir scheint, es gibt immer mehr davon und sie machen mich WAAAAHNSINNIG!

Eine Definition 

Ein Mensch, der nur noch auf sein Smartphone starrt und von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, ist ein so genannter „Smombie„. Smombie ist eine Kombination aus Smartphone und Zombie und der Langenscheidt-Verlag fand diese Wortschöpfung so gut, dass er sie sogar zum Jugendwort des Jahres 2015 kürte. 

Das Jugendwort des Jahres wird schon seit einigen Jahren via Online-Abstimmung gewählt und es finden sich immer wieder ein paar echte Highlights darunter, wie ich finde. So zB. das Verb „merkeln„, das so viel bedeutet wie „nichts tun, keine Entscheidung treffen, keine Äußerung von sich geben“. Auch das Wort „Dia Bolo“ für ein hässliches Selfie finde ich äußerst kreativ. Die „Jugendwort des Jahres-Wahl“ steht immer wieder in der Kritik (u.a. weil bezweifelt wird, ob junge Leute tatsächlich so reden …) und ein einziges Mal gab es sogar die Situation, dass ein Wort wieder von der Nominiertenliste gestrichen wurde. Es handelte sich um den Begriff „Alpha-Kevin„, der so viel bedeutete wie „der Dümmste von allen“. Dem Veranstalter lag es allerdings fern, konkrete Personen zu diskriminieren, und so wurde der „Alpha-Kevin“ wieder vom Stockerl gestoßen.

Exkurs Ende

Aber nun zurück zum eigentlichen Thema: Fast alle kennen die Geschichte vom Hans-Guck-in-die-Luft. Seit dem Jahr Achtzehnhundertundirgendetwas mahnte diese Episode aus dem Struwwelpeter ganze Generationen von Kindern, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, um nicht zu Stolpern oder Stürzen. Und es gibt auch kaum Fußgänger, die entzückt den Flug der Vögel beobachten, während sie die Fahrbahn überqueren. Passanten, die gebannt auf das Display ihres Smartphone starren und Nachrichten lesen oder schreiben, während sie gesenkten Hauptes den Verkehr gefährden und behindern, gibt es hingegen immer mehr – kommt mir vor, und ich scheine richtig zu liegen …

2016 gab es in Österreich laut Kuratorium für Verkehrssicherheit 1.560 Unfälle mit Fußgängern im Straßenverkehr durch Ablenkung – 16 Personen starben. Die Quote der zwei Hauptursachen für Fußgängerunfälle, nämlich Ablenkung und Unaufmerksamkeit, stieg in den letzten zwei Jahren um +7%. Am häufigsten abgelenkt sind Österreicher, die tratschen. Auf Platz zwei, der am meisten Abgelenkten, sind tippende bzw. lesende Smartphonenutzer, und auf Platz 3 finden sich musikhörende Handynutzer.

Auch die US-amerikanische Governors Highway Safety Association (GHSA) veröffentlichte in einem Bericht Forschungsergebnisse, die eine Zunahme von ablenkten Fußgängern bestätigen. Es wird geschätzt, dass im Jahr 2010 in den USA bis zu zwei Millionen (!) Fußgängerunfälle mit der Nutzung von Mobiltelefonen zusammenhingen. Untersuchungen in sechs europäischen Hauptstädten zeigten darüber hinaus, dass rund jeder sechste Fußgänger (17%) inzwischen vom Smartphone abgelenkt ist und beim Überqueren der Straße auf unterschiedlichste Weise ein Handy nutzt. Rund 14.000 Fußgänger wurden für die Studie beobachtet. Von denen, die mit den Gedanken nicht auf der Straße, sondern am Handy waren, tippten die meisten Text ein, telefonierten – „oder taten sogar beides gleichzeitig“, heißt es in der Studie (wie auch immer das funktionieren mag!?). Andere trugen Ohrstöpsel oder Kopfhörer, was darauf schließen lässt, dass sie vor allem Musik hörten – und nicht auf den Straßenverkehr. Übrigens: Während weibliche Fußgänger schwerpunktmäßig Texte tippen (ich dachte, sie telefonieren viel eher mehr), hören Männer vor allem Musik. Wie auch immer, im Grunde ist es völlig egal – ob telefonieren, Musik hören, Apps nutzen oder Textnachrichten tippen: Es sorgt für riskante Ablenkung und gefährdet andere Menschen, wie mich zB.

Unfair

Ich finde es unfair! Autofahrer dürfen während der Fahrt keinesfalls telefonieren! Es sei denn, sie verwenden eine Freisprecheinrichtung. Dem Fahrer ist es also per Gesetz nicht erlaubt, ein Handy zu nutzen, wenn er es dafür aufnehmen oder halten muss. Dabei ist es unerheblich, um welche der zahlreichen Funktionen eines modernen Handys es geht. Nicht mal das Gerät in die Hand nehmen und ein nerviges Geklingel abstellen ist erlaubt. Für Fehlverhalten muss man zahlen. Auch SMS-lesen und das Mobiltelefon dazu aus der Mittelkonsole nehmen, ist ordnungswidrig. Dasselbe gilt im Grunde für Autofahrer, die das Handy hochnehmen, um einen Blick auf die Uhrzeit am Smartphonedisplay oder auf die vom Handy-Navi vorgeschlagene Route zu werfen. Ebenfalls untersagt: Notizen lesen, die man sich vorher auf seinem Gerät gemacht hat. Und übrigens: Auch das Radfahren mit dem Smartphone am Ohr ist verboten. Radfahrer, die mit einem Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung am Lenker erwischt werden, müssen zahlen. 

Für Verkehrsteilnehmer, die auf Schusters Rappen unterwegs sind, gelten solche Regelungen allerdings nicht. Fußgänger dürfen ihr Handy selbstredend zu jeder Zeit auf der Straße zücken, telefonieren, SMS lesen und beantworten, im Internet surfen, Youtube-Videos anschauen, schlechte Witze über WhatsApp versenden oder intime Details, die keinen Menschen interessieren (wie zB den eigenen Verdauungsverlauf), auf Facebook posten, etc … Die Straßenverkehrsordnung macht da KEINE Einschränkungen! Smombies dürfen das! Ist das fair? Ich finde, dass von diesen Typen eine echte Gefahr ausgeht! Wer kennt das nicht: Man muss mit dem Auto oder mit dem Fahrrad eine oftmals von Quietschen und Rauch begleitete Vollbremsung hinlegen und als Fußgänger reaktionsschnell Haken schlagen, um nicht niedergerempelt oder gar über den Haufen gerannt zu werden. Und wehe man reagiert auf so eine Begegnung mit Belehrung, Vorwurf bzw. Standpauke, oder erwartet gar eine Art der EntschuldigungIch garantiere Ihnen: Sie werden enttäuscht. Denn das Einzige was Sie bekommen werden (sofern der Smombie überhaupt wahrnimmt, was rund um ihn herum passiert – wovon in den meisten Fällen nicht auszugehen ist), ist eine rotzfreche, meist gar nicht jugendfreie Antwort. Das ärgert mich zwar, aber es überrascht mich nicht wirklich. Denn von jemandem derart asozialen, der gemäß dem Motto „Schei… auf den Rest der Welt“ in sein egozentrisches Weltbild versunken, mit Kopfhörern über den Ohren und ins Smartphone vertieft, nach draußen geht und dabei seine Mitmenschen stört, behindert und gefährdet, ist nicht zu erwarten, dass er den Regeln eines harmonischen Zusammenlebens entsprechend, höflich um Entschuldigung bittet. 

Symptom- statt Ursachenbekämpfung

Leider ist es heutzutage in immer mehr Bereichen so, dass wir nicht die Ursachen bekämpfen, sondern die Symptome. Und so werden in manchen Gegenden Deutschlands Bodenampeln (!) getestet, um die Fußgänger der „Generation Kopf unten“ auf den Verkehr aufmerksam zu machen, sodass diese nicht mehr so oft bei rot über die Strasse laufen. In Österreich wurden diesen Herbst (vorerst nur im Zuge von Aktionen des KFV, aber wer weiß ob das nicht irgendwann auf Dauer eingeführt wird!?) doch allen Ernstes Airbags an Laternenmasten an hochfrequentierten Kreuzungen angebracht! … Hätte ICH die Befugnis, würde ich den Smombies ja das Handy auf Lebenszeit abnehmen, ich würde ihnen den rechten (bei Linkshändern, den linken) Arm dauerhaft nach hinten auf den Rücken binden oder sie sonst irgendwie brandmarken, sodass sie bis ans Lebensende leiden und sich dabei genieren müssen! Nachdem das in einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich allerdings nicht wirklich erlaubt (und von mir auch nicht unbedingt ernst gemeint) ist, würde ich mich auch mit einer saftigen Geldstrafe für die Smombies zufriedengeben und diesen Schritt ging man angeblich in der hawaiianische Hauptstadt Honolulu. Dort trat nämlich ein neues Gesetz in Kraft, nach dem es Nutzern verboten ist, beim Überqueren der Straße auf Smartphones, Tablets oder andere mobile Geräte zu schauen. Bei Missachtung des Gesetzes drohen empfindliche Strafen. Der Bürgermeister wollte solche Vorgaben laut eigenen Angaben eigentlich gar nicht verabschieden, aber es mangle vielen Bürgern einfach an gesundem Menschenverstand … 

Bilder
Ein Mensch, der nur noch auf sein Smartphone starrt und von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, ist ein so genannter „Smombie
Ein Mensch, der nur noch auf sein Smartphone starrt und von seiner Umwelt nichts mehr mitbekommt, ist ein so genannter „Smombie". Smombie ist eine Kombination aus Smartphone und Zombie und der Langenscheidt-Verlag fand diese Wortschöpfung so gut, dass er sie sogar zum Jugendwort des Jahres 2015 kürte. (Bild: Wikipedia, A_Peach from Berlin, Germany - Caution! Smombie!, CC BY 2.0)
In Österreich wurden im Zuge einer Aktion des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Airbags an Laternenmasten an hochfrequentierten Kreuzungen angebracht. (Foto: APA/ Helmut Fohringer)
In Österreich wurden im Zuge einer Aktion des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Airbags an Laternenmasten an hochfrequentierten Kreuzungen angebracht. (Foto: APA/ Helmut Fohringer)
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Kommentare (2)

  1. Traurig aber wahr…

    Wobei wir uns bisher über die Amerikanischen Verhältnissen belustigt haben (keine Tiere in der Mikrowelle trocknen, Dinge im Spiegel sind näher als sie scheinen…). Und nun braucht auch unsere Generation-Z(ero) (oder wo sind wir aktuell?) Bodenampeln, Fußgänger erkennende Ampeln um 5000€ (statt einem Knopf zum drücken), WLAN Störsender in Restaurants,… und Verbote zur Handy-Nutzung.

    Früher fraß den Unvorsichtigen der Säbelzahntiger… heute der Rammschutz des SUV.

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