Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Sonntag, 5. Mai 2024
Alexa, Siri, und der Rest des Eisbergs

Lösung sucht Problem oder weg mit dem Hirn

Multimedia | Wolfgang Schalko | 28.01.2018 | |  Archiv

Die Branche ist getrieben – Innovationen werden gefordert und geliefert, deren Taktfrequenz und Volumen stetig steigend und zu den beiden wichtigsten Messen für Consumer Electronics, der IFA und der CES, in besonderem Maße. So auch heuer bei der kürzlich zu Ende gegangenen CES, wo Sprachsteuerung/-assistenz, drahtlose Vernetzung und künstliche Intelligenz zu den bestimmenden Themen zählten – oder anders betrachtet das Auslagern von Wissen und Kompetenz an technische Geräte einen neuen Höhepunkt erreichte…

Wie eingangs erwähnt wird rund um Messen und ähnliche Großereignisse besonders intensiv über Innovationen gesprochen. Künstliche Intelligenz (KI), autonomes Fahren, Sprachsteuerung bzw Sprachassistenzsysteme, Smart Home, Augmented Reality und viele artverwandte Begriffe schwirren umher. Nicht zuletzt, um in allen möglichen Bereichen (nachvollziehbarerweise) größtmögliche Kompetenz zu demonstrieren. Durchwegs auch mit dem Anspruch, ein neues Must-Have, die nächste State-of-the-Art-Technologie o.Ä. zu sein – denn die Industrie muss verkaufen: ihre Produkte, ihre Konzepte, ihre Trends.

Ich will an dieser Stelle gar nicht näher auf all die „Errungenschaften” eingehen, die da heute als unabdingbar angepriesen werden, sondern nur einige kurze Denkanstöße geben, die mir beim Nachlesen, Betrachten und Ausprobieren all der „smarten” (what else?) Dinge ab und an durchs Oberstübchen schießen. Ausprägungen wie die Sprachsteuerung/-assistenz werden u.a. mit Komfortgewinn argumentiert – doch bei genauerer Betrachtung passen nicht sie sich an den Nutzer an, sondern es muss sich der Nutzer erst nach der Technologie richten, damit er einen „Mehrwert” (tatsächlich?) daraus erzielt. Ich will mich hier auch keineswegs als Fortschrittsverweigerer oder Veränderungsgegner positionieren, aber nicht wenige Dinge haben sich deshalb gehalten bzw. bestehen in ihrer aktuellen Form, weil sie schlichtweg gut (und zumindest einige wohl auch noch länger durchaus konkurrenzfähig) sind.      
Ein anderer Aspekt ist der „Vernetzungswahn” – das Lebensumfeld wird nicht zwangsläufig besser, nur weil man möglichst viele Sensoren hineinpflanzt und diese sowie immer mehr der darin befindlichen Geräte miteinander vernetzt. Als Stichworte seien hier nur die Datensicherheit, Privatsphäre sowie die grundsätzlich höhere Fehleranfälligkeit genannt. Als Beispiel für beides bisher Genannte ein Blick auf das Smart Home: Diesem will ich einen gewissen Nutzen gar nicht absprechen und in Teilbereichen geht die Entwicklung zweifellos bereits in die richtige Richtung – aber von einer bahnbrechenden Errungenschaft würde ich dabei (zumindest in der aktuellen Ausprägung) noch lange nicht sprechen. Das gilt auch die momentan als „Next Big Thing” gehypte künstliche Intelligenz. Werden Systeme tatsächlich „intelligenter” (wobei die Definition dieses Begriffes gerade in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Rolle spielt), nur weil sie mehr Daten verarbeiten können? Oder weil moderne Algorithmen Ergebnisse liefern können, mit denen wir so nicht „gerechnet” hätten? Die Milliarden an Forschungsgeldern wären wohl schlecht investiert, würden die verfügbaren Produkte und Lösungen nicht sukzessive merklich besser – aber es bleibt die Frage, was man daraus macht (bzw. was man dadurch aus sich machen lässt). Denn eine der damit verbundenen Gefahren ist die (oft unmerklich bzw. schleichend passierende) zunehmende Abhängigkeit von technischen Systemen, in die wir uns begeben. Dessen sollte man sich bei (der mitunter ja durchaus angebrachten) Technik- und Innovationseuphorie bewusst sein. Beispiel gefällig? Legen Sie bitte Ihr Handy zur Seite und schreiben Sie die Nummer Ihrer Ehefrau/Freundin bzw Ihres Ehemannes/Freundes auf – erwischt, oder?

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann sagte dazu in einem Interview, das Mitte letzten Jahres veröffentlicht wurde: „Jede Form der generellen Auslagerung an andere Instanzen aber – egal, ob analoge Archive oder digitale Clouds – kommt einer Entleerung meines Selbst gleich. (…) Jeder ist heute ständig darauf angewiesen, immer irgendwo nachzuschauen, schnell etwas zu googeln und zu nehmen, was ihm die Algorithmen, denen blind vertraut wird, bieten. Wir haben immer weniger im Kopf… (…) Deshalb auch dieses haltlose Meinungsgelaber und Bekunden von Affekten und Emotionen, diese Hilflosigkeit und Aufgeregtheit gegenüber den Fake-News, die man nicht mehr überprüfen kann, weil weder Vernunft noch Urteilskraft funktionieren, und auch kaum Grundkenntnisse, etwa in Statistik, Naturwissenschaften oder politischer Geschichte vorhanden sind (…)”.

Was wohl Siri und Alexa von all dem halten? – fragen Sie doch mal…      

Diesen Beitrag teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden