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Freitag, 3. Mai 2024
Geschichten vom Nachtkastel – Teil 7

Erlesenes

Hintergrund | Andreas Rockenbauer | 25.03.2018 | Bilder | |  Archiv

Derzeit haben sich deutlich mehr Sachbücher als Romane auf meinem Nachtkastel eingefunden. Warum? Vielleicht hat das mit der Aussage des jüngst verstorbenen Stephen Hawking zu tun, der in einem Interview kurz vor seinem Tod gesagt hat, es hätte ihn Zeit seines Lebens der Wunsch angetrieben, das Universum verstehen zu wollen.

Das hat mich an meine eigene – ganz persönliche – Mission erinnert, wobei mir schon genügen würde, uns Menschen und ein paar grundsätzliche Fragen rund um die Existenz unserer Welt zu verstehen. Aber auch da ist noch viel zu tun. Übrigens: Es hat mich gejuckt, aber „Eine kurze Geschichte der Zeit” ist diesmal (noch) nicht dabei. Doch was nicht ist...

Und wieder sind vier Wochen um, und auf meinem Nachtkastel sind Stapel von Papier verschwunden und andere wieder aufgetaucht. Lustig ist, dass – wenn ich Ihnen jetzt schreibe, dass derzeit ziemlich genau 1.320 Buchseiten da liegen – das ziemlich viel darüber verrät, was das zentrale Thema eines meiner aktuellen Bücher ist. Klingt komisch? Lesen Sie mal…

Folgende Bücher liegen derzeit auf meinem Nachtkastel:

Geniale Grenzgänge – Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt (Peter Baumgartner, Sachbuch, Böhlau)

Der Schlüssel des Salomon (J.R. Dos Santos, Roman, Luzar publishing.com)

Mut zur Faulheit – Die Arbeit und ihr Schicksal (Herausgegeben von Konrad Paul Liessmann, Sachbuch/Tagungsband; Zsolnay)

Das metrische Wir – Über die Quantifizierung des Sozialen (Steffen Mau, Sachbuch, Edition Suhrkamp)

 

Geniale Grenzgänge

Ich habe das Buch vor einigen Monaten in einer Wühlkiste gefunden und es um ein paar Euro erstanden. Das war ein guter Kauf, weil es, ausgehend von der bekannten – und schief gegangenen – Expedition Ernest Shackeltons, einen kritischen Blick auf aktuelle Werte der Wirtschaft wirft, ohne dabei penetrant negativ oder gar destruktiv zu sein.

Klappentext:

Ethik und Moral sind in der gegenwärtigen Wirtschaft oft ein knappes Gut. Die Schranken zu Mehr und immer Mehr scheinen weit geöffnet und den „Genug ist genug”-Rufen misst man wenig Bedeutung bei. Verantwortungsbewusste und nachhaltig denkende Menschen stellen sich schon lange die Frage, wann letztendlich Limits akzeptiert werden?

Eine ausgewogene Lebens- und Arbeitsbalance beeinflusst die persönliche und die unternehmerische Zukunft positiv. Schon bei der Nimrod-Expedition (1907 – 1909) von Sir Ernest Shackleton gab es keinen Kompromiss: Nur die Umkehr konnte das Vermächtnis und Überleben der Expeditionsteilnehmer sichern.

Auch im heutigen Denken ist, zum Wohle aller, eine tendenzielle Umkehr im Sinne Shackletons vorteilhaft. Er bewegte sich am Limit, ging aber nie wirklich darüber hinaus. Sein Rückzug aus der Antarktis ist beachtlicher als alle Erfolge anderer Abenteurer. Schackleton fängt dort an, wo andere aufhören.

Dieses Buch ist ein Plädoyer für leidenschaftliches und souveränes Wirtschaften. Agieren am Limit ist stets von Entscheidungen in Grenzbereichen geprägt, welche die Zukunft positiv gestalten. Souveränität bedeutet, nicht alles bis ans Limit auszureizen.

Nachtkastelprognose:

Ich werde in den kommenden Wochen immer wieder einen längeren Blick in das Buch werfen und anschließend versuchen, die Botschaften der einzelnen Kapitel über die Nacht hinweg in den nächsten Arbeitstag zu retten…

 

Der Schlüssel des Salomon

Wie schon das Vorgängerbuch von Dos Santos (Das Einstein Enigma) macht auch dieses auf den ersten Blick einen etwas billigen Eindruck. Aber das Äußere täuscht. Auf Basis einer ganz ordentlichen und durchaus spannenden Geschichte (wenn auch sprachlich nicht immer ganz überzeugend – aber das kann an der Übersetzung liegen) versteht es der Autor ausgesprochen gut, grundlegende Fragestellungen und Probleme der modernen Naturwissenschaft auf sehr anschauliche Art und Weise zu beleuchten und in die Romanhandlung einzuweben. Die Stellen, in denen es auf den fast 500 Seiten um Physik und Philosophie geht, sind die stärksten und rechtfertigen ganz klar das Lesen des Romans.

Klappentext:

Existiert der Mond nur, wenn er beobachtet wird? Macht ein umstürzender Baum auch dann ein Geräusch, wenn niemand in der Nähe ist, der es hört?

Die Realität ist weder das, wofür wir sie halten, noch so, wie wir sie gerne hätten; sie ist, wie sie ist.

Ganz egal, wie sehr es unserer Intuition widerspricht: Unser Bewusstsein gestaltet die Realität mit, und zwar nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Die Dinge existieren nicht so, wie wir es von ihnen gewohnt sind, wenn es kein Bewusstsein gibt, das sie beobachtet. Es gibt keine von der Beobachtung unabhängige Realität.

Im CERN, dem Europäischen Kernforschungszentrum, findet ein Jahrhundert-Experiment zur Entstehung des Universums statt. Es muss jedoch wegen einer schrecklichen Entdeckung jäh abgebrochen werden: In einem Teilchendetektor liegt die Leiche von Frank Bellamy, dem Wissenschaftsdirektor der CIA. Das einzige Indiz weist auf Tomás Noronha als Täter hin. Und die CIA ist fest entschlossen, den Mörder zu fassen.

Um sein Leben zu retten, muss der berühmte Codespezialist den wahren Täter überführen. Seine Ermittlungen führen ihn in die geheimnisvolle Welt des Mikrokosmos, an die Grenzen des menschlichen Wissens und darüber hinaus, dorthin, wo das Bewusstsein und das Universum miteinander verschmelzen.

Nachtkastel-Prognose:

Das Buch ist ein Page-Turner und bereits zur Hälfte ausgelesen. Der Rest ist nur eine Frage weniger Tage

 

Mut zur Faulheit

Jedes Jahr gegen Ende September lädt der bekannte Philosoph Konrad Paul Liessmann ein interessiertes Publikum ein, um sich in Lech am Arlberg einige Tage lang an einem anregenden „Gedankenaustausch über gesellschaftlich fundamentale Fragen unserer Zeit” zu beteiligen. Die Tagung – das „Philosophicum Lech” – steht jedes Jahr unter einem Motto, zu dem es zahlreiche Vorträge gibt, die einige Monate später in einem Tagungsband erscheinen. Neben Themen wie „Geld. Was die Welt im Innersten zusammenhält”, „Der Staat. Wie viel Herrschaft braucht der Mensch?”, „Ich. Der Einzelne in seinen Netzen” und „Über Gott und die Welt. Philosophieren in unruhigen Seiten”, stand das Philosophicum 2017 unter dem Motto „Mut zur Faulheit. Die Arbeit und ihr Schicksal”. Das Buch umfasst 12 Beiträge, die das Thema aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchten.

Wen es interessiert: Das heurige Philosophicum Lech trägt den Titel „Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen”.

Klappentext:

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Dieser Satz des Paulus verbindet protestantische Ethik mit der Arbeitspflicht in der ehemaligen Sowjetunion, die Ideologie des Neoliberalismus mit den Werten der Sozialdemokratie.

Wäre es nicht an der Zeit, grundsätzlich über Wert und Wesen der Arbeit nachzudenken und auch anderen Handlungsmöglichkeiten und Existenzweisen des Menschen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken?

Arbeit ist offenbar die entscheidende Quelle für Wohlstand, Wert und Würde des Menschen. Was aber ist Arbeit? Ist diese mit Erwerbsarbeit identisch? Und ist der Mensch tatsächlich von Natur aus ein arbeitendes Wesen, das in eine Krise gerät, wenn es seinen Job verliert?

Beim 21. Philosophicum Lech haben sich Philosophen und Vertreter benachbarter Wissenschaften gefragt, wie viel Mut es braucht, um sich eine Welt vorzustellen, in der sich nicht alles um Arbeit dreht.

Nachtkastelprognose:

Die Beiträge sind spannend, aber nichts für die halbe Stunde vor dem Einschlafen nach einem anstrengenden Tag. Das Buch wird daher in kleinen Dosen genossen – aber stets mit großem Vergnügen.

 

Das metrische Wir

Als ich das Buch in der Buchhandlung entdeckte, musste ich gar nicht hineinschauen, um zu wissen: Das ist etwas für mich! Das Thema: Könnte aktueller nicht sein. Und beschäftigt sich mit Fragestellungen, die mich selbst auch schon seit längerer Zeit beschäftigen. Zudem ist es gut geschrieben. Ich mag es.

Klappentext:

Ob Bildung, Gesundheit oder Konsum: Über so ziemlich jeden Aspekt unserer Person und unseres Verhaltens werden inzwischen Daten gesammelt. Schritt für Schritt entsteht so eine Gesellschaft der Sternchen, Scores, Likes und Listen, in der alles und jeder ständig vermessen und bewertet wird.

Das beginnt beim alljährlichen Hochschulranking, reicht über die Quantified-Self-Bewegung fitnessbegeisterter Großstädter, die über das Internet ihre Bestzeiten miteinander vergleichen, bis hin zur Beurteilung der Effizienz politischer Maßnahmen.

Steffen Mau untersucht die Techniken dieser neuen Soziometrie und zeigt ihre Folgen auf. Die Bewertungssysteme der quantifizierten Gesellschaft, so sein zentraler Gedanke, bilden nicht einfach die Ungleichheiten in der Welt ab, sondern sind letztlich mitentscheidend bei der Verteilung von Lebenschancen.

Die Gesellschaft des metrischen Wir erzieht uns zu Numerokraten, die immerzu die Zahlen im Blick haben. Die Quantifizierung des Sozialen hat somit das Potenzial, ein neues Regime der Ungleichheit hervorzubringen, in dem wir immerfort bewertet sowie mit anderen verglichen werden und in dem wir uns fortwährend darum bemühen müssen, mit guten Zahlen zu glänzen.

Nachtkastelprognose:

Nach dem mich das Thema fasziniert und das Buch wissenschaftlich korrekt, aber überhaupt nicht langweilig geschrieben ist, wird es nicht lange auf meinem Nachtkastel liegen. Es sei denn, ich muss mir zwischendurch immer wieder Notizen machen, weil es mich auf viele eigene Ideen bringt…

Ich wünsche Ihnen allen eine spannende Lektüre mit Ihren ganz persönlichen Bestsellern und freue mich immer über Buchempfehlungen!

Fortsetzung folgt…

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