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Donnerstag, 2. Mai 2024
Von der Baustellen zum Start ins 21. Jahrhundert

„Komme gleich wieder“

Hintergrund | Dominik Schebach | 25.03.2018 | |  Archiv
(Foto: Dominik Schebach) (Foto: Dominik Schebach)

Es passt nur schwer zusammen - die heutige digitale Wirtschaft mit den Steuergesetzen der Nationalstaaten. Diese Steuergesetze stammen aus dem 20. Jahrhundert und haben einfach nicht Schritt gehalten mit der Entwicklung des Online-Zeitalters. Die Steuergesetze sind allerdings nur ein Aspekt. Medienrecht, Kartellrecht, das Unterrichtswesen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. In vielen Bereichen hängt noch immer das „Komme gleich wieder“-Schild in der Auslage. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Hintergrund die Baustelle noch immer vor sich hin dümpelt.

Jetzt wachen wir in einer Zeit auf, die sich irrsinnig beschleunigt hat, und versuchen mit Werkzeugen aus dem vorigen oder vorvorigen Jahrhundert, die Welt von morgen zu gestalten. Wer sich da nach einfachen Antworten sehnt, wird enttäuscht. Die gibt es nicht. Wir müssen heute bei allen Entscheidungen die digitale Welt mitdenken, in unsere Überlegungen miteinbeziehen und gleichberechtigt mit unserer physischen Umwelt bewerten. Dh nicht, dass wir ununterbrochen am Smartphone hängen müssen, wie meine Kollegin Stefanie Bruckbauer zu recht kritisiert. Aber Informationen waren schon immer ein ganz besonderer Rohstoff in unserer Gesellschaft und heutzutage sind diese Informationen mit einem Klick weltweit verfügbar. Das mag man zwar intellektuell wissen. Im Bauchgefühl ist das noch nicht verankert. Wir gehen noch immer äußerst sorglos mit diesem kostbaren Rohstoff um – und das muss sich ändern. Kurz, wir müssen endlich im 21. Jahrhundert ankommen – und da nehme ich mich selbst nicht aus.

Diese Gedanken kamen mir wieder in den Sinn, wie ich die Berichte über die Vorschläge der EU-Kommission zur Besteuerung der Internet-Konzerne oder die ausführliche Berichterstattung in internationalen Medien zum neuen Datenskandal bei Facebook las. Die erste Nachricht zeigt die Hilflosigkeit der nationalen Politik gegenüber internationalen Konzernen. Dort sitzen ziemlich unbekümmerte Menschen an den Schalthebeln und reizen die Möglichkeiten der Technik voll zu ihrem Vorteil aus. (Wer glaubt, dass Mark Zuckerberg Facebook als Geschenk für die Menschheit sieht, dem muss man leider die Geschäftsfähigkeit absprechen.) Die notwendige Regulierung, die diesem Handel den notwendigen Rahmen gibt, haben die Nationalstaaten unterlassen. Reguliert werden Telekom-Unternehmen, die Post, Medien, der Straßenverkehr oder die Arbeitszeit, aber nicht wie einzelne Konzerne mit unser aller Informationen Geld verdienen. – Teilweise zu unserem Nachteil, wie jetzt die Story rund um Facebook und Cambridge Analytica zeigt. Für diejenigen, die die Story nicht verfolgt haben: Cambridge Analytica ist jene Beraterfirma, deren CEO von sich behauptet, mithilfe der Facebook-Daten von über 50 Millionen User sowie damit maßgeschneiderten verzerrten Nachrichten für bestimmte Zielgruppen die US-Präsidenten-Wahl gedreht zu haben. Wie weit der Einfluss wirklich ging, wird man hoffentlich bald herausfinden. Aber wenn es nur ein paar Zehntel-Prozent waren, war es zu viel. 

Aber auch die Story um eine europäische Lösung zur Besteuerung international tätiger Online-Konzerne zeigt, dass wir noch viel zu tun haben. Der jetzige Vorschlag, 3% des Umsatzes zu besteuern, beweist eigentlich nur die Hilflosigkeit der Nationalstaaten. Dass es hier noch keine gemeinsame Linie der EU gibt, zeigt auch, wie verschieden die Standpunkte und Interessen der einzelnen Staaten sind. Ich bin allerdings trotzdem davon überzeugt, dass es hier bald eine gemeinsame Lösung geben wird. Aus zwei Gründen: Zwar fehlt meiner Meinung nach an den entscheidenden Stellen der Politik noch immer das richtige Mindset, aber langsam wachen Politiker und Gesellschaft auf – ich meine so richtig. PCs sind eben keine aufgebohrten elektronischen Schreibmaschinen mehr und Internet ist nicht mehr eine Spielerei, um die Kinder am Abend ruhig zu stellen, sondern nachweislich ein Machtfaktor. Gleichzeitig haben die Konzerne den Bogen überspannt (siehe oben). Das kann sich die Demokratie auf Dauer nicht gefallen lassen. – Ich rede hier nicht von Zensur. Aber die Internet-Konzerne agieren wie Medien- und Telekommunikations-Unternehmen, ergo werden sie sich über kurz oder lang an die Regeln von Medien- und Telekommunikations-Unternehmen halten müssen. Da werden wir das richtige Gleichgewicht zwischen der Freiheit für neue Entwicklungen, Experimente und auch purer Anarchie sowie den notwendigen Rahmenbedingung zum Schutz des Einzelnen aber auch der Gesellschaft finden müssen. Das müssen wir nicht nur einfordern, daran müssen wir alle auch arbeiten.

Zum Schluss ein kleiner Rückgriff: Mit der Erfindung des Buchdrucks entstand vor rund 500 Jahren plötzlich ein neuer Markt für Informationen. Dass die ersten fliegenden Blätter und Zeitungen bevorzugt über himmlische Erscheinungen, Blutregen und zweiköpfige Kälber berichtete, tut da nichts zu Sache. Schließlich berichteten die frühen Druckwerke auch über den Ausbruch von Kriegen, Seuchen und Entscheidungen der Fürsten. Analoge Informationsspeicher – sprich Bücher – wurden im großen Umfang verfügbar. Informationen, die bis dahin nur einer geringen Anzahl von Menschen zur Verfügung standen, waren plötzlich zugänglich. Das 16. Jahrhundert wurde damit eine Zeit der revolutionären Umbrüche. Die bisher geltende Weltordnung wurde damals ziemlich durcheinander gewirbelt. Viele Wahrheiten galten buchstäblich über Nacht nichts mehr. Kein Wunder also, dass Herrscher und Kirche das neue Medium zu kontrollieren suchten. Das gelang zwar immer wieder, aber der Geist war aus der Flasche. Im Endeffekt hatten die Gesellschaftssysteme langfristig Erfolg erlangt, die gelernt haben, mit dem Rohstoff Informationen offen umzugehen. Hängen wir also unser „Komm gleich wieder“-Schild ab und räumen unsere Baustelle auf.

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