Teil der Lösung – oder des Problems?
Fernsehen ist aus der Freizeitgestaltung der meisten Menschen momentan nicht wegzudenken, und daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Das bestätigen ein ums andere Mal auch einschlägige Untersuchungen, wie etwa jüngst von screenforce.at, wo dem Fernsehen europaweit ein Anteil von 85 Prozent des Bewegtbildkonsums (linear, on demand, etc) bescheinigt wird. In Österreich liegt der Bewegtbildkonsum demnach bei 225 Minuten (Altersgruppe 14+) bzw 212 Minuten (14-29). So weit, so gut. Aber dass am Fernsehsektor irgendetwas im Gange ist, muss zwangsläufig jeder bemerken, der Augen und Ohren nicht völlig verschlossen hält.
Ganz klar befinden sich die Streaming-Angebote massiv im Vormarsch. Nicht umsonst sind im Internet ebenso wie auf klassischen Kanälen, v.a. im linearen Fernsehen (!!), immer öfter Werbungen von Amazon, Netflix & Co. zu finden – und zwar für deren eigenproduzierte Filme und Serien, deren Zahl schneller zu wachsen scheint als selbst der ambitionierte Zuschauer „abarbeiten“ kann. Beispiele dafür, dass diese Tendenz kein reines Phänomen der Internetgiganten ist, liefern Sky und die ORS. Der Pay-TV-Anbieter hat mit Sky X ein Produkt vorgestellt, dass die volle Programmvielfalt rein auf Internet-Basis (dh ohne Rundfunkempfang) bietet – für weniger Geld und mit allen Annehmlichkeiten der Zeit-, Orts- und Endgeräteunabhängigkeit. Der heimische Sendeinfrastrukturanbieter ORS wiederum will den neuen Mobilfunkstandard 5G Broadcast für seine Zwecke nutzen und damit den Brückenschlag zwischen der Telekom- und der Rundfunkwelt von morgen schaffen.
Ursprünglich hätte der Titel dieses Kommentars „Schaffen wir das Fernsehen ab?“ lauten sollen – angesichts der aktuellen Entwicklungen ein sehr passender, wie ich meine, jedoch zugleich eine Frage, deren Antwort ich nicht mit Sicherheit geben kann. Tendenziell bin ich für „Nein“, weil die Menschen weiterhin ungebremst Bewegtbildcontent nutzen. Außer Zweifel steht aber, dass sich die Nutzungsgewohnheiten ändern – und damit auch die Übertragungswege sowie die bevorzugten Endgeräte. Genau diese Aspekte sind es jedoch, die der Unterhaltungselektronik (im weitesten Sinne, denn betroffen sind die Elektrohändler ebenso wie die Kommunikationselektroniker, die Kabelnetzbetreiber oder selbst die Programmanbieter) momentan arg zusetzen. Der tagtägliche Kampf ist vielerorts offensichtlich.
Was kann es also für den zukünftigen TV-Absatz bedeuten (der zwei Drittel des gesamten UE-Umsatzes ausmacht – Tendenz steigend), wenn der Rundfunk in seiner jetzigen, klassischen Form „abgeschafft“ wird? Werden alle Kunden, die – ob gewollt oder nicht – in die Rolle des Programmdirektors versetzt aus einem zwangsläufig fragmentierten Streaming- und On-Demand-Angebot „ihr“ Programm zusammenbasteln müssen, weiter den großen Schirm nutzen? Welche alternativen Möglichkeiten – sowohl in puncto Content-Aggregation als auch bei den Endgeräten – bestehen? Und wo findet der UE-Händler hier Platz?
Solche Veränderungen passieren naturgemäß nicht allzu rasch oder gar abrupt, vielmehr gehen sie schleichend vor sich und werden erst am Ende in ihren vollen Tragweite deutlich. Bis es soweit ist, gilt es die Zeichen der Zeit richtig zu deuten – entweder als Lösung oder als Problem.
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