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Donnerstag, 2. Mai 2024
Recht im Handel – Handeln im Recht

2G-Kontrollen im (Nicht-Lebensmittel-)Handel – tatsächlich rechtlich haltbar?

Dr. Nina Ollinger | 06.02.2022 | Bilder | |  Meinung
Wir sind es ja seit zwei Jahren gewöhnt, dass sich die Bestimmungen schneller ändern, als wir darüber schreiben können. Bei der Vereinbarung des Themas mit der Redaktion war die 2G Kontrolle im Handel brandaktuell, ließ die Wogen extrem hoch gehen. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels stand schon fest, dass 2G im Februar fallen wird, die genauen Details diesbezüglich sind allerdings noch nicht bekannt. Aus diesem Grund, und da man nie wissen kann, welche Regelungen wieder aufleben und wenn ja, wann – ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen – ist es vielleicht doch interessant, sich mit dem Thema kurz auseinanderzusetzen. Vielleicht mag es auch den einen oder anderen Händler geben, der wegen nicht durchgeführter 2G-Kontrolle abgestraft wurde und nun gerade dabei ist, sich zu wehren. Aber macht es Sinn? Was sind überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen dafür?

Im Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels gilt die 4. COVID 19 Maßnahmenverordnung. Darin ist die Verpflichtung des Betreibers einer Betriebsstätte enthalten, dass eine Kontrolle des 2G Nachweises „möglichst beim Einlass, jedenfalls aber beim Erwerb von Waren“ zu erfolgen hat (§ 5 Abs 2). Diese Regelung wird ganz allgemein eingeführt, in § 5 Abs 3 werden die Ausnahmen genannt. Stein des Anstoßes für alle Nicht-Lebensmittel-Händler ist hier – verständlicherweise – § 5 Abs 3 Z 2, der den „Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerliche Direktvermarkter“ ausnimmt. Die anderen bekannten Ausnahmen wie Drogerien, Apotheken, Verkauf von Tierfutter, Notfall Dienstleistungen, etc. finden sich auch in der Bestimmung. Wer nun daran denkt, was in Deutschland an Entscheidungen zum Thema 2G ergangen ist, wo auch die Diskussion geführt wird, was denn „Güter des täglichen Bedarfs“ seien, so sei hier auf das Konzept der 4. COVID 19 Maßnahmenverordnung verwiesen: Es ist grundsätzlich zulässig, in Gesetzen und Verordnungen eigene Definitionen vorzusehen. Das bedeutet in unserem Fall, dass der Gesundheitsminister entschieden hat, wofür es Ausnahmen von der 2G Kontrollpflicht des Händlers gibt und die Definition ist nicht, dass es möglich sein soll, „Güter des täglichen Bedarfes“ ohne 2G zu erwerben. Somit stellt sich – leider und aus meiner Sicht auch unsinniger Weise – vordringlich einmal gar nicht mehr die Frage, was denn eigentlich zu den Gütern des täglichen Bedarfs zählt, da die Verordnung darauf gar nicht abstellt. Weiters stellt sich natürlich die Frage, was gemäß § 5 Abs 3 Z 2 unter „Lebensmittelhandel“ zu verstehen ist. Wenn nun der Lebensmittelhändler auch Batterien und Toaster verkauft, so müsste grundsätzlich in dieser Verordnung das konkret ausgenommen werden, denn eine große Lebensmittelkette ist nun mal ein „Lebensmittelhandel“. Auf die Bedürfnisse kleiner Händler, die eben nur Batterien und Toaster verkaufen, wird hier – wie wir wissen – eben gerade keine Rücksicht genommen.

Was macht nun ein Händler, der eine 2G Kontrolle nicht durchgeführt hat und abgemahnt wurde? Aus meiner Sicht: wehren. Denn das kann nicht rechtens sein. Allerdings können wir zum jetzigen Zeitpunkt – obwohl sich gerade abzeichnet, dass rechtliche Fragestellungen nun doch etwas mehr in der Tiefe hinterfragt werden sollen – nicht erahnen, was letztlich der Verfassungsgerichtshof als zuständige letzte (österreichische) Instanz dazu sagen wird. Interessant ist jedenfalls, dass der bayerische Verfassungsgerichtshof im Dezember 2021 die 2G Regelung nicht aussetzte, im Wesentlichen mit der Begründung einer „deutlich ansteigenden, exponentiell wachsenden Infektionsdynamik (…)“ (Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, VF. 60-VII-21, RZ 23). Rund eine Woche später, immer noch im Dezember 2021, setzte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht allerdings die Vollzugsetzung der 2G Regelung im Einzelhandel aus. Das Gericht beschäftigte sich mit der konkreten Corona Verordnung und führte u.a. an, dass diese Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei. Hier wird allerdings argumentiert, dass nicht nachvollziehbar ist, warum „Gartenmarktgüter, Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten zu den von der 2G Regelung ausgenommenen ‚Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung‘ gezählt würden, aber Baumärkte uneingeschränkt der 2G Regelung unterworfen blieben“ (Pressemitteilung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 16.12.2021, „Vorläufige Außervollzugsetzung der 2G Regelung im Einzelhandel“).

Hier sehen wir, dass der Gleichheitsgrundsatz, wenig verwunderlich, sehr wohl eine Rolle spielt. Ob das allerdings im Detail einem Elektronik-Händler in Österreich hilft, ist unklar. Immerhin sieht die Verordnung ja vor, dass ausschließlich der „Lebensmittelhandel“ (der uns bei unserer Argumentation interessiert) ausgenommen ist. Ein Gericht wird darauf verweisen, dass ein – möglicher – Rechtsverstoß einer Lebensmittelkette, die Batterien und Toaster verkauft, dem Elektrohändler nicht hilft, sieht ja die Verordnung nicht vor, dass der Lebensmittelhändler berechtigt wäre, Batterien und Toaster zu verkaufen. Nichtsdestotrotz ist von den Gerichten zu überprüfen, ob die Verordnung per se gesetzes- und verfassungskonform ist. Wie wir aus den letzten zwei Jahren wissen, war sie das in vielen Fällen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes. Nachdem sich die Situation durch Omikron zudem verändert und viele Stimmen laut werden, dass es dieser massiven Grundrechtsbeschränkungen nicht mehr bedarf, darf man sich sehr wohl und auch berechtigterweise die Frage stellen, ob einem Händler die 2 G-Nachweis-Kontrollen in dem Zeitpunkt, als sie eingeführt wurden, tatsächlich auch auferlegt werden durften.

Interessant ist auch die Frage, ob die Impfpflicht etwas daran ändern kann. Letztlich bleibt es bei der bereits ausgeführten Abwägung, die man sich rechtlich ansehen muss, ob 2G-Kontrollen durch den Händler verlangt werden dürfen. Das ist eine Entscheidung, die der Gesetzgeber trifft. Selbstverständlich wird auch im Rahmen der Gerichtsbarkeit letztlich die Abwägung stattfinden müssen, ob ein Impfpflichtgesetz mit einer Bürde der 2G Nachweis-Kontrolle des Händlers vereinbar ist. Nachdem es sich, wie gerade erwähnt, um Abwägungen handelt und Grundrechte beschränkt werden dürfen, wenn sie der Sache (Gesundheitsschutz) dienen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzuwenden ist und sich die Frage nach den „gelindesten Mitteln“ stellt, kann man sich wohl vorstellen, dass eine Gerichtsentscheidung über derartige Fragestellungen von vielen Faktoren abhängt – Lebenseinstellung des Richters, aktuelle Gefährdungssituation für die Gesundheit und eventuell auch die aktuelle Strömung und Erwartungshaltung der Bevölkerung  (im Sinne davon: Welche Argumente herrschen gerade vor? Welche Meinung und Strömung setzt sich gerade durch?).

Alles in Allem: Wenn man es von außen betrachten kann (und/oder will), leben wir in einer „spannenden“ Zeit. Viele Fragen werden wohl erst in den nächsten Monaten und Jahren für uns beantwortet werden.

RA Dr. Nina Ollinger, LL.M
02231 / 22365
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www.ra-ollinger.at

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