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Editor's ChoiceWKÖ und HV empfehlen deutsches Modell

Strengeres EU-Lieferkettengesetz

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 24.02.2022 | |  
Das von der EU-Kommission vorgestellte europaweite Lieferkettengesetz sieht vor, dass größere Unternehmen verpflichtet werden sollen, Erzeugnisse in allen Phasen ihrer Lieferkette zurückzuverfolgen. Gibt es zum Beispiel irgendwo unzumutbare Arbeitsbedingungen, soll dafür auch der Unternehmer in Österreich zur Verantwortung gezogen werden. (Bild: Pixabay) Das von der EU-Kommission vorgestellte europaweite Lieferkettengesetz sieht vor, dass größere Unternehmen verpflichtet werden sollen, Erzeugnisse in allen Phasen ihrer Lieferkette zurückzuverfolgen. Gibt es zum Beispiel irgendwo unzumutbare Arbeitsbedingungen, soll dafür auch der Unternehmer in Österreich zur Verantwortung gezogen werden. (Bild: Pixabay) Die EU-Kommission legte ihren Vorschlag zum Lieferkettengesetz mit verbindlichen Rechtsvorschriften gegen Menschenrechtsverletzungen und für mehr Umweltschutz vor. Konkret möchte die Europäische Kommission mit dem Lieferkettengesetz künftig gegen Missstände wie Kinderarbeit in Kleidungsfabriken und Rodungen im Regenwald vorgehen. Sollten große Unternehmen und deren Zulieferer die Standards nicht einhalten, drohen Strafen.

Gemäß dem Lieferkettengesetz sollen in Europa tätige Großunternehmen künftig stärker für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards bei ihren Zulieferern in die Pflicht genommen werden. Damit sollen Kinder- und Sklavenarbeit unterbunden sowie Umweltvorgaben zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf max. 1,5 Grad eingehalten werden.

Rund 13.000 europäische Firmen sowie 4.000 Nicht-EU-Unternehmen sind von der Verpflichtung betroffen, ihre gesamte Lieferkette daraufhin zu kontrollieren. Die Betriebe sollen unter bestimmten Umständen auch für Verstöße der an ihrer Lieferkette beteiligten Zulieferer haften. Der Handelsverband unterstützt die grundsätzliche Intention des vorgeschlagenen EU-Lieferkettengesetzes. „Der europäischen Wirtschaft allein kann aber nicht die volle Verantwortung für die Durchsetzung der Menschenrechte oder ökologischer Mindeststandards in Drittstaaten übertragen werden. Es wäre entscheidend, dass die jeweiligen Produktionsländer vor Ort ihre Verantwortung auch wahrnehmen und die geltenden Standards sicherstellen“, so Rainer Will, GF des österreichischen Handelsverbandes in einer ersten Reaktion.

Ursprünglich wollte die EU-Kommission alle Unternehmen in der Union in das Lieferkettengesetz einbeziehen. Dies hätte eine massive Mehrbelastung für kleine und mittelständische Betriebe bedeutet, weshalb der Handelsverband gemeinsam mit zahlreichen anderen Interessenvertretungen auf europäischer Ebene vehement für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs eingetreten ist.

Mit Erfolg, wie Will sagt, denn: „Nun wird das EU-Lieferkettengesetz nur für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro und mit über 500 Beschäftigten gelten. Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro und über 250 Beschäftigten fallen ebenfalls unter die Verordnung, sofern sie mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in bestimmten Branchen erzielen. Zu diesen ‚problematischen‘ Branchen zählt die Kommission Textilien, Leder, Schuhe, Landwirtschaft, Rohmaterialhandel, Lebensmittel, Mineralien (einschließlich Öl und Gas) sowie Metalle und Chemikalien. Die Finanzbranche ist ebenfalls explizit einbezogen. Ebenso erfreulich ist, dass wiederum Unternehmen aus Drittstaaten, die in der Union tätig sind, vom Gesetz aber erfasst werden.“

Deutsches Lieferkettengesetz als Vorbild

Die Umsetzung für die vom Lieferkettengesetz erfassten Unternehmen dürfe jedenfalls nicht zum „Bürokratiemonster“ werden und müsse praktikabel sein. „Im Vergleich zum EU-Vorschlag greift etwa das deutsche Lieferkettengesetz erst bei Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (ab dem Jahr 2023) bzw. ab 1.000 Beschäftigten (nach dem Jahr 2024). Betroffen sind in Deutschland überdies nur direkte Lieferanten. Eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße der Zulieferer ist ebenso nicht vorgesehen“, so der Handelsverband, der sich daher auch weiterhin für ein europäisches Lieferkettengesetz nach deutschem Vorbild einsetzt.

„In der Praxis eine Illusion“

Für ein europäisches Lieferkettengesetz nach deutschem Vorbild, wo die Unternehmen ausschließlich für das Verhalten des unmittelbaren Lieferanten haften, spricht sich auch Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, aus: „Das ist die Firma, bei der ich bestellt und mit der ich Kontakt gehabt habe. Alles andere ist völlig illusorisch und würde wesentliche Teile des heimischen Handels in ihrer Existenz massiv gefährden.“

Zum Vorschlag der EU-Kommission an sich sagt Trefelik: „Auch dem Handel sind Umweltschutz und Einhaltung von Menschenrechten ein großes Anliegen. Wir werten es daher grundsätzlich positiv, dass die Europäischen Union für mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette sorgen will. Allerdings versucht die EU dieses hehre Ziel mit völlig falschen Mitteln zu erreichen.“

Für Trefelik ist das weder durchführbar noch zielführend: „Dass der einzelne Händler in Österreich immer nachvollziehen können soll, unter welchen Bedingungen jeder Rohstoff gewonnen und jedes Vorprodukt hergestellt worden ist, das dann nach vielen Zwischenstationen irgendwann bei ihm selbst landet, ist in der Praxis eine Illusion. Und selbst wenn es in Ausnahmefällen gelingt, hätte der österreichische Händler kaum Einfluss auf die Umwelt- oder Sozialstandards in anderen Teilen der Welt. Für deren Einhaltung zu sorgen, ist vielmehr die ureigenste Aufgabe des jeweiligen Staates und nicht Aufgabe der österreichischen Wirtschaft.“

Zudem würde die von der EU vorgesehene Vorgangsweise die heimischen Händler über Gebühr belasten: „Ein solches EU-weites Lieferkettengesetz bringt für die einzelnen Betriebe unvorhersehbare Haftungsrisiken“, warnt Trefelik. Daran ändere auch wenig, dass der EU-Vorschlag bis dato nur für Unternehmen ab 500 Mitarbeiter bzw. in Wirtschaftszweigen mit hohem Risiko ab 250 Mitarbeiter gelten soll. „Wenn man einmal mit solchen Regelungen beginnt, dann geht das bald weiter und trifft in absehbarer Zukunft auch Klein- und Mittelbetriebe“, fürchtet Trefelik.

Neue ESG-Plattform

Der Technologieanbieter CRIF hat im November 2021 eine weltweite Plattform gestartet, die es erstmals ermöglicht, Unternehmen nach ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) zu erfassen, zu zertifizieren und diese Information auch für Dritte zugänglich zu machen. Die ESG Transparency Plattform soll allen Betrieben eine einfache Möglichkeit bieten, Transparenz in der eigenen Lieferkette sicherzustellen und damit die künftigen Vorgaben der EU zu erfüllen.

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