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Mittwoch, 8. Mai 2024
Editor's ChoiceOTTO Immobilien: Händler reagieren auf geänderte Rahmenbedingungen

Stationärer Einzelhandel lässt sich nicht unterkriegen

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 27.06.2023 | |  
Die Studie von OTTO Immobilien zum heimischen Retailmarkt birgt zwar keine neuen, aber dennoch interessante Ergebnisse: So lebe (anders als so oft gesagt und geschrieben) der Einzelhandel weiter und erweise sich als robust. Der Flächenumsatz entwickle sich durchwegs positiv, ebenso die Passantenfrequenzen, die sich wieder auf Vor-Covid-Niveau eingependelt haben. Allerdings durchlebe der Einzelhandel auf Grund der zunehmenden Digitalisierung einen kontinuierlichen Wandel.

„Totgesagte leben länger, das gilt auch für den stationären Einzelhandel“, so Anthony Crow, Abteilungsleiter Immobilienvermarktung Gewerbe und Head of Retail OTTO Immobilien, in einem Halbjahres Update zum heimischen Retailmarkt. „Anders als des öfteren gesagt und geschrieben, lebt der Einzelhandel weiter und erweist sich unserer Wahrnehmung nach als robust: Der Flächenumsatz entwickelt sich durchwegs positiv, ebenso die Passantenfrequenzen, die sich gegenwärtig wieder auf dem Pre-Covid-Niveau eingependelt haben.“ Allerdings durchlebe der Einzelhandel – getrieben von der Digitalisierung – einen kontinuierlichen Wandel. „Durch den rasant steigenden Distanzhandel hat sich das Wettbewerbsumfeld für den stationären Einzelhandel vor allem in den vergangen drei bis fünf Jahren stark gewandelt“, sagt Crow. Konsumenten würden zB. immer höhere Ansprüche an das Shoppingerlebnis und somit an den Branchen- und Mietermix der Einkaufsstraßen stellen.

Händler passen sich an: AV, VR und KI als neue Möglichkeiten

„Die meisten Retailer haben es aber verstanden, sich an die aktuellen Marktbedingungen und die Veränderung des Konsumentenverhaltens anzupassen“, sagt Crow. Dazu gehören die Adaptierung der gesamten Customer Journey und das Schaffen von Einkaufserlebnissen genauso wie Investitionen in Standorte beziehungsweise den Ladenbau, um diese Erlebnisse zu ermöglichen. Gleichzeitig sind kontinuierlich neue Betriebstypen, Marken und flexiblere Lösungen in den heimischen Highstreets zu beobachten. „Im Vordergrund aktueller Expansionsbestrebungen stehen derzeit hippe und architektonisch ausgefallene Monobrand-Stores mit Flagship-Store-Charakter, vorrangig zur Präsentation und Inszenierung ausgewählter Markenprodukte, als relevanter Point-of-Sale neben den Omnichannel-Aktivitäten“, so Crow. „Wir beobachten außerdem mit Spannung die Entwicklung von Augmented Reality, Virtual Reality und künstlicher Intelligenz in Shops, die für den stationären Einzelhandel und die Konsumenten zukünftig neue Möglichkeiten bieten können“, berichtet Crow.

Diese Anpassung wirke sich dennoch auf den Immobilienmarkt aus: „In unserer täglichen Arbeit beobachten wir zwar keineswegs ein stagnierendes Marktgeschehen, aber sehr wohl modifizierte Rahmenbedingungen in Anmietungsprozessen, die auf der Veränderung des Konsumentenverhaltens, den Auswirkungen und Erkenntnissen der Corona-Pandemie sowie auf der aktuellen wirtschaftlichen Situation basieren“, so Crow. Waren noch vor kurzem breitflächige Expansionsvorhaben und Anmietungsprozesse vieler Einzelhändler zu begleiten, sind in fast allen Lagen nun verstärkt sorgfältig geprüfte Standortanalysen und Anmietungen über einen durchschnittlichen Zeitraum von rund sechs bis acht Monaten üblich. „Und dies unabhängig von Größe, Lokalisierung sowie Situierung eines Standortes“, so Crow. Er weist darauf hin, dass neben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch die Flächengrößen- bzw. Aufteilungen eine immer wichtigere Rolle bei der Entscheidung für die Anmietung spielen. Besonders gefragt sind aktuell Geschäfte zwischen 100 und 200 Quadratmetern mit effizienten Grundrissen – sie machen (laut RegioData) 47% der aktuellen Nutzergesuche aus. Ebenfalls fixer Bestandteil jedes Anmietungsprozesses seien Incentivierungen. „Neben kürzeren Mietvertragslaufzeiten mit flexibleren Ausstiegsklauseln und kreativ gestalteten Verlängerungsoptionen sind Staffelmieten, Baukostenzuschüsse, Pandemie- sowie Kriegsklauseln, aber auch verstärkt Umsatzmieten im stationären Einzelhandel mittlerweile Usus und Teil jeder Verhandlung“, erzählt Crow.

Doch nicht nur neue Flächen werden genau unter die Lupe genommen. So besteht ein starker Trend zur strategischen Portfoliooptimierung, der zu Schließungen und Relocations, vor allem bei großen und namhaften Playern der Einzelhandelslandschaft, führt. „Speziell in B- und C-Lagen werden aller Voraussicht nach mehrgeschossige Großflächen ab etwa 500 Quadratmetern bei Nachvermietungen zukünftig weiter unter Druck geraten“, sagt Crow.

Die rege Nachfrage nach Top-Flächen, also nach Geschäftsräumlichkeiten in A-Lagen wie beispielsweise dem Goldenen H oder der Mariahilfer Straße führt zu einer nachweislich dynamischen Vermietungsleistung bei weiterhin konstanten Niveaus der Nominalmieten. Eine aktive Rolle im Retail-Marktgeschehen, vor allem in der Wiener Innenstadt, spielen dem Experten zufolge Marken der Luxusgüterindustrie. „Der Wiener Kohlmarkt sowie das angrenzende Goldene Quartier waren die vergangenen Monate geprägt von teilssignifikanten Veränderungen im Mieterbesatz. Dazu gehört beispielsweise die Einmietung von Louis Vuitton in der ehemaligen Meinl-Fläche. Wir beobachten aktuell weitere geplante Neuanmietungen und Flächenerweiterungen im Bestand diverser renommierter Luxusbrands, die die Dynamik unterstreichen werden“, sagt Crow. Positiv wirke sich in diesem Zusammenhang auch die Fertigstellungen diverser Begegnungszonen im und um das Goldene H aus. Die Attraktivierung beispielsweise rund um den Bauernmarkt und den Neuen Markt spiegelt sich bereits in der Nachfrage nach Geschäftsflächen in diesen Standortzonen deutlich wider. Die rege Nachfrage nach den Toplagen in der Wiener City zeige sich auch in den Spitzenmieten: Sie liegen im Goldenen H bei etwa 500-550 Euro pro   Quadratmeter/Monat, in seinen relevanten Seitenstraßen sind es bis zu 200 Euro pro Quadratmeter, berichtet Martin Denner, Leiter Research bei OTTO Immobilien.

Positive Entwicklung der Mariahilfer Straße

„Der Baufortschritt des Kaufhauses Lamarr führt dazu, dass wir eine verstärkte Nachfrage internationaler Retailer für einen Markteintritt entlang der Mariahilfer Straße beobachten“, so Crow in seinem Update. In der aktuell am meisten nachgefragten Sektion der Mariahilfer Straße, zwischen Ecke Stiftgasse und Ecke Neubaugasse, beträgt daher die Spitzenmiete rund 140-160 Euro pro Quadratmeter/Monat, in ihren relevanten Seitenstraßen wie der Neubaugasse bis zu etwa 90-110 Euro pro Quadratmeter/Monat. „Grundsätzlich ist für das weitere Jahr 2023 davon auszugehen, dass sich die Mieten insgesamt über alle Lagen hinweg konstant entwickeln werden“, ist Martin Denner überzeugt. In einzelnen Standortzonen, die durch aktuelle Trends geprägt und durch die Corona-Krise gestärkt gekommen sind – wie zum Beispiel Sektionen, die geprägt von Luxus- bzw. Premiummarken sind, könnten sogar leichte Aufwärtstendenzen zu erwarten sein. „Mittelfristig jedoch wird die herausfordernde Lage sowohl für Mieter als auch Vermieter unserer Ansicht nach zu gewissen Anpassungen in allen Lagen Wiens führen“, sagt Crow.

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