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Donnerstag, 2. Mai 2024
 „Modetorheit Rundfunk“ als Startschuss für die Unterhaltungselektronik

Deutschland: Radio feiert seinen 100. Geburtstag

Über den Rand Multimedia | Dominik Schebach | 25.10.2023 | |  
Ein Röhrenradio Ein Röhrenradio "Roland 3L" aus 1932/33. Das Medium Radio konnte nach seiner Einführung in Deutschland innerhalb weniger Jahre mehr als eine Million registrierte Hörer gewinnen. (© Dieter Schütz/pixelio.de) Vor 100 Jahren, genau am 29. Oktober 1923, ging in Deutschland erstmals der Rundfunk als Unterhaltungs- und Nachrichtenmedium auf Sendung. Die sogenannte „Modetorheit Rundfunk“ nahm im Vox-Haus in der Potsdamer Straße 4 im Berliner Bezirk Tiergarten ihren Anfang. Bis dahin dem Militär und der Seeschifffahrt vorbehalten brachte der Sendestart im Oktober den Startschuss der Unterhaltungselektronik in unserem Nachbarland. In Österreich feiert der Rundfunk übrigens kommendes Jahr sein 100jähriges Jubiläum.

Es war ein beschiedener Start, als vor knapp hundert Jahren „erstmalig Mitteilung gemacht, dass der Unterhaltungs-Rundfunk mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt“. Die Benutzung eines Radiogeräts war genehmigungspflichtig und zum offiziellen Start des Mediums gab ist in Deutschland keinen einzigen offiziellen Hörer.

Dem Newcomer Radio stand eine starke Zeitungslandschaft gegenüber: Regelmäßige Informationen über das Zeitgeschehen waren bis zum Sendestart nur über gedruckte Medien erhältlich. Die Zeitungen erschienen in der Regel zweimal am Tag und zu besonderen Anlässen als Sonderausgabe. Regelmäßige und für alle empfangbare Radiosendungen gab es dagegen nicht und schon gar keine aktuellen Reportagen. Doch das Radio entwickelte sich schnell zum absoluten Renner. Zum Jahresende 1923 waren es immerhin 467 zahlende Hörer. Zum 1. Januar 1925 waren 500.000 Hörer registriert und zum Jahresende 1925 wurde bereits die Millionengrenze überschritten.

Große Funkausstellung

Untrennbar verbunden mit der Entwicklung des Radios in Deutschland war die „Große Deutsche Funkausstellung“, welche im Dezember 1924 erstmals auf dem Berliner Messegelände stattfand, und der Radionutzung einen wichtigen Impuls lieferte. Im auf die Funkausstellung folgenden Monat, dem Januar 1925, wurde die bis dahin größte monatliche Zunahme an Rundfunkteilnehmern verzeichnet: etwa 100.000.

Viele Rundfunkanstalten und Eingriff der Politik

Parallel mit der Zunahme der Hörerzahlen vergrößerte sich die Anzahl der Rundfunkanstalten in Deutschland: Bereits 1924 gestalteten Sender in Leipzig, München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Breslau, Königsberg und Münster eigene Programme. Als erster zentraler Sender des damaligen Deutschen Reiches entstand 1926 die Deutsche Welle. Ebenfalls 1926 gab sich der deutsche Rundfunk unter seiner Dachorganisation, der Reichs-Rundfunkgesellschaft (RRG), öffentlich-rechtlichen Charakter.

Die Reichweite des neuen Mediums ließ auch die Politik nach dem Radio greifen. Bereits ab 1932 griff die Politik drastisch in die Inhalte des ausgestrahlten Programms ein. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde der Rundfunk vollends zum Sprachrohr der Regierung.  Um die Massen erreichen zu können, startete zur Funkausstellung 1933 das Projekt Volksempfänger, ein relativ günstiges Radio im Einheitsdesign. 1934 waren fünf Millionen Hörer registriert. Das Radio-Publikum erhöhte sich bis 1943 auf 16 Millionen. Diese Hörerzahl wurde nach dem Krieg erst Ende der sechziger Jahre in der BRD wieder erreicht.

Neubeginn und technische Verbesserungen

Nach der Niederlage Deutschlands noch im Jahr 1945 eröffneten unter Aufsicht der Besatzungsmächte wieder die ersten Rundfunk-Stationen neu. 1948 gingen diese als Landesrundfunkanstalten des öffentlichen Rechts in der BRD in deutsche Obhut über. Die Funkhoheit blieb allerdings in Deutschland bis 1955 und für Berlin bis 1958 bei den Siegermächten.

Ab 1949 wurde die Ultra-Kurzwelle (UKW) für die Rundfunk-Versorgung einbezogen. Dies bescherte dem Radio einen Qualitätssprung mit deutlich besserer Klangqualität. Die Übertragung mittels UKW verwendet die so genannte Frequenzmodulation (FM), die gegenüber der bis dahin ausschließlich verwendeten Amplituden-Modulation (AM) auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle die Radiosignale mit weniger Störungen und besserem Frequenzgang überträgt.

Die Entwicklung schreitet voran

1963 wurde in der BRD stereophonen Hörfunk eingeführt. Die DDR folgte zwei Jahre später. Die Stereophonie überträgt zwei nach links und rechts getrennte Tonsignale für eine bessere räumlich Ortung der Schallquellen. Die offizielle Einführung des Stereotons beim UKW-Radio erfolgte – wie viele andere wichtige Entwicklungen – zur Funkausstellung 1963 in Berlin.

1972 gab es erste Versuche mit der Verkehrsfunk-Senderkennung, dem Vorläufer des heutigen TMC (Traffic Message Channel), mit dessen Hilfe Navigationsgeräte Autofahrern bei Staus alternative Routen empfehlen. 1973 feierte der Hörfunk bereits sein 50-jähriges Jubiläum und auf der IFA, der Internationalen Funkausstellung, gab es Vorführungen mit Kunstkopfstereophonie. 1979 wurden Pläne zur Neuordnung des Rundfunks in der BRD vorgestellt, die erstmals auch private Rundfunk-Betreiber vorsahen.

Digitales Radio

Die ersten Versuche zur Radioausstrahlung mit digitaler Codierung begannen 1980. Zwei Jahre später erlebte der digitale Satelliten-Hörfunk seine Premiere. Die ersten privaten Radioprogramme waren 1984 Bestandteil der Kabel-Pilotprojekte. Seit 1988 kann der Zuhörer auch sehen, was er hört: Das Radio-Daten-System RDS macht es möglich. Später kam der Radiotext hinzu. So bieten kurze Laufschriften auf dem Display des Empfängers zusätzliche Informationen für den Hörer.

Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es neben den analogen Ausstrahlungen auch digitales Radio – terrestrisch, per Satellit und im Kabel. In den letzten Jahren wurden auch die Hörfunk-Verbreitung über das Internet und Streaming-Dienste mit mehreren hundert Millionen Abrufen pro Monat immer beliebter. Ein wachsendes Angebot Internet-tauglicher Empfänger bringt tausende von Radiostationen aus aller Welt zu Gehör. DAB+ ging deutschlandweit erstmals am 1. August 2011 auf Sendung. Dank des effizienteren  Übertragungsverfahren gibt es bei gleicher Klangqualität mehr Spielraum für eine noch deutlich größere digitale Programmvielfalt.

Aktuelle Zahlen für Deutschland

Heute hören laut einer Erhebung der deutschen Medienanstalten knapp 76% der Deutschen täglich Radio – und das im Schnitt über vier Stunden (249 Minuten). Im letzten Jahr wurden in Deutschland laut HEMIX rund 45 Millionen Geräte zum Radiohören verkauft. Die einstige Modetorheit Radio erfreut sich demnach noch immer großer Beliebtheit in Deutschland.

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