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Mittwoch, 3. Juli 2024
Telekom-Kommentar E&W 5/2024

Zweit-Phone als Pausenknopf 

Telekom | Dominik Schebach | 12.05.2024 | Bilder | |  Meinung
Mitte April hat Nokia-Lizenznehmer HMD Global sein jüngstes Produkt im White-Label-Business vorgestellt: „The Boring Phone“. Gemeinsam mit der Biermarke Heineken und Bodega präsentierte der Handyhersteller ein Mobiltelefon, das an Einfachheit fast nicht mehr zu überbieten ist. Die Überlegung hinter dem in begrenzter Stückzahl produziertem Klapphandy sei laut HMD die Reduktion der Online-Versuchung durch Smartphones, sodass sich die Menschen wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren könnten. Digital-Detox also in seiner konsequentesten Form.

Bisher habe ich solchen Meldungen wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Jetzt allerdings stoße ich ironischerweise in Sozialen Medien immer häufiger auf Beiträge zu Digital Detox und Bekannte in meinem Umfeld reduzieren ihre Bildschirmzeit oder tauschen gleich ihr Smartphone radikal gegen einfache Handys. Stellt sich die Frage: Stehen wir am Beginn eines Mobilfunk-Biedermeiers? Werden wir die Smartphones zur Seite legen und in Zukunft wieder in freiwilliger Selbstbeschränkung ohne die Unterstützung durch Apps für Kommunikation, Navigation oder beim Einkaufen den Alltag bewältigen bzw. unsere Kommunikationsgewohnheiten auf Telefonieren und SMS-Schreiben zurückschrauben?

Ehrlich gesagt, glaube ich nicht so recht daran. Dagegen sprechen nicht zuletzt die vom FMK berichteten Trends in der Mobilkommunikation. Es gibt allerdings einen Punkt, den sollten wir uns ansehen. Dieser betrifft u.a. die oft angesprochene Blasenbildung in Sozialen Medien. Denn diese sortieren uns in Netzwerke mit Menschen mit ähnlicher Weltanschauung, politischen Einstellungen und Lebensentwürfen. Soziale Medien fordern uns nicht heraus, sondern bestätigen uns in unseren Ansichten. Die künstlichen Intelligenzen hinter diesen Netzwerken zeigen uns, was wir sehen wollen, um uns länger auf den Plattformen zu halten und damit im Endeffekt mehr Werbeeinnahmen zu generieren. Und weil wir das bekommen, was wir sehen wollen, verbringen wir immer mehr Zeit mit unseren digitalen Devices. Was auch eine Beschreibung von Suchtverhalten ist. Die beiden US-Computerwissenschaftler und Gründer des Center for Humane Technology, Tristan Harris und Aza Raskin, haben sich mit diesem Problem befasst und eine eher beängstigende Diagnose gestellt: Ihrer Ansicht nach hat die Menschheit die erste Runde im Aufeinandertreffen mit Künstlicher Intelligenz  krachend verloren. Angesichts der Fortschritte, welche Künstliche Intelligenz derzeit erzielt, keine gute Nachricht.

Was bedeutet das für den Telekom-Fachhandel? Im ersten Moment nicht viel. Wir sind nicht die Suchtberater der Kunden. Aber wir sollten unsere Antennen ausfahren, damit wir die Bedürfnisse der Endkunden auch in diesem Bereich erfassen. – Und wenn beim Kunden das Bedürfnis nach einer Pause vom ständigen Strom an digitalen News besteht, dann sollte der Telekom-Fachhandel das nicht als einen Angriff auf das eigene Geschäftsmodell sehen, sondern den Kunden mit entsprechenden Lösungen unterstützen. Vielleicht wird damit der oft heraufbeschworene Trend zum Zweit-Phone für das Wochenende oder die Radtour doch noch Wirklichkeit.

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