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Donnerstag, 2. Mai 2024
Sepp Eisenriegler im Gespräch

„Weg vom Sudern“ – Teil II

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 11.06.2013 | |  Archiv
Obsoleszenz-Themenführer und R.U.S.Z Gründer Sepp Eisenriegler hat mit seinem Kampf für langlebigere Produkte ein enormes mediales Echo erzielt. Im Gespräch mit E&W erzählte er, wie alles kam und was er tut um sein Ziel zu erreichen. Obsoleszenz-Themenführer und R.U.S.Z Gründer Sepp Eisenriegler hat mit seinem Kampf für langlebigere Produkte ein enormes mediales Echo erzielt. Im Gespräch mit E&W erzählte er, wie alles kam und was er tut um sein Ziel zu erreichen.

Für die Juni-Ausgabe der E&W trafen wir R.U.S.Z. Gründer und Obsoleszenz-Themenführer Sepp Eisenriegler zum Gespräch. Dabei erzählte er uns von seinen Beweggründen, von seinem schon lange währenden Kampf gegen die stetig steigenden Elektroschrottmengen und von seinen Ideen, wie man die Welt ein Stückchen besser machen könnte. Hier lesen Sie weitere Passagen aus dem Interview.

Sepp Eisenriegler blickt zurück

Eisenriegler: Ich kann mich noch gut erinnern an meine Zeit in der Umweltberatung Wien, die ich ja als Projekt vorbereitet hatte und wo ich – auf das Thema Abfallwirtschaft spezialisiert – im Anschluss auch über zwölf Jahre tätig war. Ich habe damals wirklich versucht viel zu bewegen, damit die Abfallmengen reduziert werden. Ich habe – ich weiß nicht mehr wie viele – Vorträge gehalten und ich habe auch Volkschulen und Kindergärten besucht. Bei diesen Besuchen führte ich immer ein Kasperltheaterstück mit dem Titel „Kasperl, die Misthexe und das Krokomüll“ auf (lächelt), danach gab es noch zwei, von mir komponierte Umweltsongs. Ja, und das machte ich drei Mal die Woche eineinhalb Jahre lang. Das war natürlich viel schöner als den Leuten irgendwelcher Pensionistenverbände, katholischer Organisationen und Vereine zu predigen, dass sie ihr Einkaufsverhalten ändern sollen. Die Arbeit mit den Kindern machte Spaß, vor allem die leuchtenden Kinderaugen wenn der Kasperl gekommen ist, das war überhaupt die schönste Belohnung. Aber ich war nicht böse, als das dann zu Ende ging, nach eineinhalb Jahren, mehrmals die Woche immer das selbe: Zuerst in den Supermarkt einkaufen gehen, dann mit zig Sackerln bepackt mit den Öffis irgendwo hinfahren, die Klampfen in der Hand…  Wobei, die Kindergärten stellten wenigstens ihr eigenes Kasperltheater zur Verfügung – wenn ich das auch noch schleppen hätte müssen … (lacht).

Eisenriegler über „das eigentliche Problem“

Eisenriegler: Das eigentliche Problem bearbeite ich ja meines Erachtens erst jetzt: Den Elektroschrott. In Bezug auf die Abfallproblematik muss man den Elektroschrott sehr weit oben in der Prioritätenliste einordnen – wenn nicht sogar ganz oben.

E&W: Wirklich ganz oben? … also, wenn ich an diese gigantische Plastik-Müll-Insel im Nordpazifik denke, 40-mal so groß wie Österreich …

Eisenriegler: Ja, das stimmt schon, aber würde Elektroschrott schwimmen, dann wäre wahrscheinlich der gesamte Pazifik bedeckt. Vor allem (auch wenn mir die Fische und anderen Meeresbewohner leid tun, wenn sie wegen dem Plastikmüll im Meer elendiglich umkommen) sind im Elektroschrott auch heute noch wesentlich mehr gefährliche Bestandteile drinnen sind, als im Plastik. Aber was ich eigentlich sagen will: Der Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Abfallstrom – das ist unbestritten. Das Wachstum schwankt zwischen 13% und 15% jährlich! 

E&W: Woher kommen diese Zahlen?

Eisenriegler: Erstens gibt es Messungen und zweitens muss man nur die Verkaufszahlen in irgendwelchen Nielsen-Studien anschauen. Dann weiß man, was in absehbarer Zeit – die übrigens immer kürzer wird – an E-Schrott anfallen wird. Ich habe zwar keine gesicherten Daten, aber ich glaube ja, dass die Menge, also das Wachstum, inzwischen noch größer ist als 13% bis 15%. Weil die Produktlebensdauer immer mehr absinkt und weil immer mehr Elektrogeräte verkauft werden.

Man muss sich ja nur die Zahlen – die übrigens aus verlässlicher Quelle, nämlich vom FEEI, kommen – ansehen, dann weiß man eh was los ist: Bei den Kleingeräten sind wir bei 4,5 Millionen verkauften Stück im Jahr 2012, die große Weißware liegt bei 1,4 Millionen Stück.

E&W: Sie bringen ja gerne folgendes Beispiel, dass in Österreich jährlich 500.000 Waschmaschinen entsorgt und in Folge neu beschafft werden. Nebeneinander auf der Westautobahn gereiht, entspricht diese Anzahl in etwa der Entfernung von Wien nach Salzburg.

Eisenriegler: Stimmt. Nur heute kommt man schon weit über Salzburg hinaus. Nehmen wir die fast 1,5 Millionen verkaufte Stück große Hausgeräte – da ist meine Aussage, das jährlich 500.000 Waschmaschinen entsorgt werden, ja eh sehr vorsichtig. Weil, Waschmaschinen machen sicher zwei Drittel der verkauften Weißware aus. Das heißt in Wahrheit sind wir nicht bei 500.000, sondern bei 900.000 Stück. Wenn man – wie ich jetzt –  nur die Zahlen nennt, kann sich keiner etwas darunter vorstellen. Wenn ich aber sage, die Geräte bilden eine Schlange von Wien bis Salzburg, und zwar ohne einen Millimeter Abstand dazwischen, dann ist das wesentlich leichter vorstellbar. Ich glaube ja, dass die Schlange heute schon von Wien nach Innsbruck reicht. Aber ich will mich jetzt keiner unnötigen Diskussion ausliefern, in der es darum geht, dass die Schlange vielleicht doch nur bis Kufstein geht.

E&W: Was muss Ihrer Meinung nach geändert werden? Was muss passieren?

Eisenriegler: Zuerst einmal muss die Lebensdauer von Produkten schlagartig steigen. Bis jetzt haben wir ja nur die Problematik der immer größer werdenden Abfallmengen besprochen. Ein anderes massives Problem ist die enorme Verschwendung von Ressourcen, die den kommenden Generationen abgehen werden.  

E&W: Es wird aber doch viel recycel?!

Eisenriegler: Ja schon, und bei der Weißware sind wir auch noch gut dran, weil durch das Schreddern recht viel Sekundärmaterial rausgeholt werden kann. Das bedeutet allerdings einen enormen Energieaufwand, wobei den größten Brocken das Auseinanderklauben des Schreddergutes ausmacht, dass dann wieder an den meistbietenden metallverarbeitenden Betrieb verkauft und dort als Sekundärrohstoff eingesetzt wird.

Es gibt ja eine Abfallhierarchie – und ich bin sehr stolz, dass ich einen entscheidenden Beitrag dazu leisten konnte. Die Abfallhierarchie in der Abfallgesetzgebung der EU lautete damals: Vermeiden, verwerten, entsorgen – sollte allerdings über den Haufen geworfen werden, indem das Verwerten an oberste Stelle rückt. Wir konnten das zum Glück verhindern und haben es geschafft, dass die Abfallhierarchie nicht nur bestehen bleibt, sondern sogar ausgeweitet wurde – heute haben wir nämlich fünf Stufen: An oberster Stelle ist nach wie vor Vermeidung (die besten aller Abfälle sind nämlich die, die gar nicht erst entstehen). An zweiter Stelle kommt Wiederverwendung und erst dann kommt die Verwertung, und zwar aufgesplittet in stoffliche Verwertung, also Schredder, und sonstige Verwertung, womit Verbrennung gemeint ist.

Eisenriegler daüber wie es funktionieren könnte

Eisenriegler: Ich frage mich ja, warum der EFH noch keine Kauf-Leasing- oder Mietangebote für große Hausgeräte anbietet, damit könnte er zB schon von der Großfläche abheben. Oder die Kooperationen – die könnten als „Verband“ ja viel mehr erreichen. Die könnten sich das als Innovation umhängen, als Alleinstellungsmerkmal. Obwohl, was dagegen spricht – und deswegen kann ich mir das auch noch nicht so richtig vorstellen: So ganz ohne finanzieller Unterstützung zB einer Bank, könnte das ein einzelner Händler nicht tragen. Er müsste die Geräte vom Hersteller kaufen, also vorfinanzieren, und wer kann sich das schon leisten? Ich nicht! Und deswegen kann ich es auch noch nicht anbieten. Ohne Bank im Hintergrund, die mir die Geräte finanziert, habe ich ein Liquiditätsproblem und das würden die Händler wahrscheinlich auch sagen.

E&W: Aber warum eine Bank ins Boot holen? Die schneidet doch nur mit, das heißt die Kosten werden höher. Warum nicht gleich zum Hersteller gehen und sagen: Ich verkaufe dein Gerät, aber auf Etappen.

Eisenriegler: Stimmt eigentlich, mit einer Bank im Spiel wird die Sache teurer und unattraktiver … das ist schon richtig …

E&W: Da sollte meines Erachtens schon der Hersteller mitspielen, immerhin werden ja auch seine Geräte verkauft. Und es schneiden dann insgesamt nur zwei mit: Der Händler und der Hersteller. Ich finde, man sollte eher die Hersteller überzeugen und nicht irgendeine Bank.

Eisenriegler: Ja, da bin ich bei Ihnen …

Ehrlich gesagt: Ich habe einem namhaften Hersteller eh schon ein Mail geschickt und ich bekam auch eine Antwort. Die meinten, sie haben das Problem schon längst erkannt und haben auch das Gefühl, das schleunigst etwas gemacht werden muss – das hat mich natürlich sehr positiv gestimmt.

Eisenriegler über „eine eigene Erfolgsgeschichte“ – das Reparaturnetzwerk

Eisenriegler: Ich habe 1989 das R.U.S.Z., also das Reparatur und Service-Zentrum, aufgesperrt und ohne es zu erwarten, ein total positives mediales Echo erfahren. Wir wollten damals mit Haushaltsgroßgeräten anfangen und uns eine Zeitlang darauf konzentrieren. Die Leute kamen aber mit allen möglichen Geräten, die sie reparieren lassen wollten: elektrische Gartenscheren, Fernseher, Mixer, Radios, etc… und als dann auf einmal einer daher gekommen ist mit einem sechs Meter langen Motor für seine Segelyacht, habe ich gesagt, jetzt muss ich etwas ändern.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch den Rest einer EU-Finanzierung übrig und hab mich mit Norbert Weiss von der Nationalbank getroffen und hab ihm alles erzählt. Wir stellten fest, wie groß die Nachfrage nach seriösen Reparaturdienstleistungen ist. Und, dass es auf der anderen Seite begnadete Bastler gab, die super reparieren konnten – der eine Kleingeräte, der andere TVs – die aber irgendwie dahingedümpelt sind in einem Hinterhof … Ja, und einen dieser Fälle brachten wir in die Medien und besagter Reparateur kam dann eines Tages (nach Weihnachten) zu seinem Geschäft, also in seine Werkstatt, und dachte sich kurz vorm Ziel: Da muss irgendeine Demonstration sein, ich komme nicht in meine Werkstatt. Bis er darauf kam, dass die Leute schon bis in die Neubaugasse angestellt waren, über die Straße und quer durch den Hof bis zu seinem Werkstatteingang, alle mit Sackerln in der Hand, die nur darauf gewartet haben bis er aufsperrt, um ihre defekten Geräte zu ihm zu bringen. Administrativ ist der Gute natürlich völlig untergegangen, er wußte nicht mehr, in welcher Reihenfolge die Produkte reinkamen, was wem gehörte, wann wer angerufen hatte und was er wollte …

Wir stellten fest, dass wir ein Netzwerk von Werkstätten brauchen und nicht EIN Reparatur und Service Zentrum, weil wir können nicht alles. Es gibt so viele kleine Reparaturwerkstätten in Wien und außerhalb, die super gut sind aber nur eine bestimmte Produktgruppe reparieren können … und so ist es dann passiert, dass wir das Reparaturnetzwerk gegründet haben. Das ist mittlerweile 14 Jahre her, das Netzwerk ist allmählich gewachsen und heute gehören 60 Betriebe dazu, die alles reparieren was man sich nur vorstellen kann. Das Schöne ist: Das Know How, das Wissen, also die Kunst des Reparierens, geht somit nicht verloren.

 

 

 

 

 

 

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