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10 Euro für das Leben einer Maus

Hintergrund | Die Redaktion | 23.08.2013 | |  Archiv

Märkte können moralisches Verhalten unterminieren. Zu diesem Schluss kam der Wirtschaftswissenschafter Michael Kirchler (Uni Innsbruck) nach der Präsentation einer Studie beim dem Thema "Märkte und Moral" gewidmeten Universitätenforum beim Forum Alpbach. Dabei konnten Probanden u.a. zwischen dem Leben einer Maus oder ein paar Euro entscheiden. Alleine vor dem Computer ließ rund die Hälfte die Maus überleben. In einer gestellten Marktsituation aber hieß es für rund drei Viertel: Aus die Maus.

 

Ausgangspunkt seiner Untersuchungen war eine vieldiskutierte Studie der deutschen Ökonomen Armin Falk und Nora Szech. Darin stellten sie ihre Probanden vor die Wahl, ob sie zehn Euro erhalten und dafür eine Maus vergast wird oder ob sie auf das Geld verzichten und die Maus dafür am Leben bleibt

Ein Teil der Studienteilnehmer musste für sich selbst vor einem Bildschirm zwischen Geld und Moral entscheiden, andere mussten dies in einem Marktumfeld tun, in dem Anbieter und Nachfrager zusammenkommen. Dabei saßen anonym hinter voneinander abgetrennten Bildschirmen neun „Verkäufern“ sieben „Käufern“ gegenüber – der Verkäufer hatte eine Maus, der Käufer verfügte über 20 Euro. Einigten sie sich nach anonymen Preisvorschlägen auf einen Preis, erhielt der Verkäufer die ausgehandelte Summe, der Käufer den Rest. Gleichzeitig hatten sie aber ebenfalls die Wahl, gar keinen Abschluss zu tätigen und damit die Maus am Leben zu lassen.

Marktsituation

Resultat: Alleine nahm nur knapp die Hälfte das Geld und ließ die Maus am Leben. In der Marktsituation killten rund drei Viertel die Maus – darüber hinaus akzeptierten die Verkäufer nach mehreren Runden durchaus geringere Preise als zehn Euro. Kirchler, der ab September eine Professur am Department of Banking and Finance der Uni Innsbruck übernimmt, und seine Kollegen wollten in einem Folgeexperiment wissen, ob Märkte per se unmoralisch sind oder ob unter gewissen Voraussetzungen moralischer gehandelt wird.

Dazu erdachten sie in Kooperation mit Unicef ein ähnliches Szenario: Die Teilnehmer am neuen Experiment wurden wieder anonym hinter abgetrennten Bildschirmen in eine Marktsituation gebracht. Diesmal hatten sie die Wahl zwischen Geld für sich oder einer Spende von 21,40 Euro für 100 Dosen eines Masern-Impfstoffes an Unicef. Die Studienteilnehmer – allesamt Studenten – durften wieder nur über Angebot und Nachfrage kommunizieren.

In der Basis-Versuchsanordnung saßen sechs“ Verkäufer“ vier „Käufern“ gegenüber. Erzielten die Verhandlungspartner eine Einigung über den Preis, teilten sie das Geld und die Spende wurde nicht getätigt. Bei keinem Vertragsabschluss sollte das Geld dagegen Unicef überwiesen werden. In weiteren Runden wurde durch Interventionen abgetestet, wie verschiedene Maßnahmen das Handeln der Akteure beeinflussten.

Anonymität

In einer ersten Intervention erhielten die Marktteilnehmer mittels Pop-Up-Fenster auf ihrem Bildschirm erneut einen Hinweis auf die Konsequenzen ihres Handelns nach dem Motto „Achtung, wenn Sie abschließen, kann keine Spende überwiesen werden“. In einer zweiten Intervention klärte ein Arzt zehn Minuten lang über die hohen Gefahren der Masern auf, in einer dritten wurde am Ende der Runde die Anonymität aufgehoben – die Studienteilnehmer wussten am Schluss, wer handelte und wer nicht.

In der vierten Variante wurden zwei zusätzliche Leute involviert, die Studienteilnehmer für ihr Verhalten bestrafen konnten, indem sie ihnen nach einem „Deal“ Geld abzogen. In einer letzten Variante wurde der Markt symmetrisch und damit weniger aggressiv gestaltet: Fünf Verkäufer (statt sechs) standen fünf Käufern (statt vier) gegenüber.

Ergebnis: In der Basis-Version nahmen 84 Prozent das Geld und verzichteten auf die Spende. Weder die Information noch die Aufklärung über die Risiken der Krankheit änderten etwas am Prozentsatz der „Unmoralischen“ – zum Erstaunen Kirchlers galt Gleiches dann auch für die Aufhebung der Anonymität.

Angedrohte Sanktionen

Erst die Androhung finanzieller Sanktionen senkte die Zahl derjenigen, die das Geld nahmen, auf rund 69 Prozent – für Kirchler noch immer relativ viel. Auch die Schaffung eines symmetrischen Markts hatte die gleiche Folge. „Es scheint, dass in diesem Experiment nur die Androhung monetärer Konsequenzen moralisches Verhalten induziert.“

Der Präsident der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, stellte in seinem Einleitungsstatement die Frage, ob es nicht auch ethische Grenzen der zunehmenden Ökonomisierung unserer Lebenswelt geben müsse. „Dürfen wir Natur, Wasser, Luft ökonomisieren, unser Leben und den Einzelnen?“ Was die Universitäten betreffe, müssten sich diese die Frage stellen, ob auch die Entscheidungen dort primär nach diesen Interessen getroffen werden müssen. „Spielt es immer eine entscheidende Rolle, ob jemand auch Drittmittel eintreibt, ist das der einzige Grund für eine Professur?“

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