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Sonntag, 28. April 2024
Hintergrund-Kommentar E&W 9/2018

Wenn Smartphone-Shopper die Macht übernehmen

Hintergrund | Dominik Schebach | 16.09.2018 | |  Archiv

Von der Unzahl an Studienergebnissen, die jeden Tag über den Bildschirm flackern, bleiben mir nur wenige nachhaltig in Erinnerung. Meistens muss eines der Kriterien zutreffen, damit die dazugehörende Mail nicht reflexhaft gelöscht wird: Die Studienautoren bzw die Auftraggeber müssen ein gewisses Standing haben, womit man wiederum auf eine gewisse Relevanz des Werks schließen kann; die Studie entspricht handwerklich gewissen Standards und ist damit auch belastbar; und letztlich geht es um das Ergebnis, das einen weiteren Erkenntnisgewinn verspricht, entweder weil es einen bekannten Umstand besser erklärt und in einen neuen Zusammenhang stellt, oder weil das Ergebnis lieb gewonnene Sicherheiten auf den Kopf stellt. – No na, mag man sagen. Aber gerade die revolutionären Studien haben es so an sich. Oft werden sie ja gerade deswegen herausgesucht, weil sie den eigenen Standpunkt scheinbar besonders unterstützen.

Der langen Rede kurzer Sinn, wenn eine Studie daherkommt, die alle drei oben beschriebenen Kriterien erfüllt und dabei allerdings noch lieb gewordene Standpunkte zumindest in Frage stellt, dann wird man neugierig. So passiert Anfang August, als ich beim Recherchieren auf die Studie „Beyond Smartphone Shopping“ gestoßen bin. Eines der Ergebnisse der Studie läuft auf eine Umkehrung des bisherigen Preisgefüges zwischen dem stationären Handel und den Onlineanbietern hinaus. „Sonderangebote gehen offline – 36% der Smartphone-Shopper glauben bereits, dass sie im stationären bessere Preise als im Online-Handel erhalten sollten, weil sie
bereits die Mühen auf sich genommen hätten, überhaupt ins Geschäft zu kommen“, schreiben die Marktforscher unter Punkt fünf ihrer Key insights. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ein Teil der Kunden sieht die Forderung nach einem besseren Preis gegenüber dem stationären Handel als berechtigt an, weil sie ihre Komfortzone verlassen und der feindlichen Umwelt getrotzt haben, um in ein Geschäft zu gelangen, wo sie nun für ihren Einkauf von Angesicht zu Angesicht mit einem anderen menschlichen Wesen kommunizieren können bzw müssen. Werden wir jetzt alle agoraphobe Smartphone-Zombis, weil wir in Zukunft nur noch unsere Einkäufe an Smartphone, Tablet oder PC bzw per sprachgesteuerten Smart Shopping Assitant tätigen?

Nun, das Setting der Untersuchung alleine sorgt schon einmal, dass sich das Ergebnis nicht 1:1 auf Österreich übertragen lässt. Die vom Telekom-Infrastrukturhersteller Ericsson finanzierte und vom Marktforschungsinstitut Consumer & IndustryLab durchgeführte Erhebung befragte mehr als 5000 Smartphone-Shopper weltweit in Johannesburg, London, Mexico City, Moskau, New York, San Francisco, Sao Paulo, Shanghai, Sydney und Tokyo durchgeführt. Die Stichprobe ist damit zwar groß, aber ist für Österreich nicht repräsentativ. Dennoch sollte man die Ergebnisse nicht einfach so vom Tisch wischen. Schließlich zeigen sie ein tieferliegendes Problem auf: Offensichtlich kann der Handel einer mobilen, urbanen und technikaffinen Zielgruppe immer weniger seinen Mehrwert vermitteln – und das ist auf lange Sicht kritisch, egal welche Branche es betrifft.

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