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Samstag, 27. April 2024
Wohin führt uns dieser Weg?

Wir trauern

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 11.11.2018 | | 2  Archiv
Ein Trauermarsch über die Mariahilfer Strasse in Wien? Wessen Ableben ist dafür wohl der Grund? Derjenige muss echt wichtig gewesen sein...“ ging mir beim Öffnen der Parte, die bei mir auf dem Schreibtisch landete, durch den Kopf. (Foto: Roman Kmenta) Ein Trauermarsch über die Mariahilfer Strasse in Wien? Wessen Ableben ist dafür wohl der Grund? Derjenige muss echt wichtig gewesen sein...“ ging mir beim Öffnen der Parte, die bei mir auf dem Schreibtisch landete, durch den Kopf. (Foto: Roman Kmenta)

„Ein Trauermarsch über die Mariahilfer Strasse in Wien? Wessen Ableben mag dafür der Grund sein? Derjenige war wohl echt wichtig ...“ ging mir beim Öffnen der Parte, die bei mir auf dem Schreibtisch landete, durch den Kopf.

Mein nächster Gedanke: „So geil!“ Und bevor Sie jetzt denken „Mein Gott, ist die morbide“ - Halt! Es ist nicht so wie Sie meinen...

Man mag es für echt cool oder richtig seltsam halten. Außergewöhnlich ist er in jedem Fall, der Trauerzug auf der Wiener Mariahilfer Straße, der anlässlich des diesjährigen Black Fridays am 23. November 2018 als symbolisches Begräbnis von Wirtschaftlichkeit, Qualität Service und Wert abgehalten wird; mit Sargträgern, Grabrede und anschließender Bestattung. Initiator Roman Kmenta schwimmt laut eigenen Angaben gegen den Preisstrom und spricht sich ganz klar dagegen aus, Preise ins Bodenlose zu senken und bei Rabattschlachten mitzumischen. Am Tag des Shoppingmassakers ruft er deshalb zur Demonstration auf, um den Handel wachzurütteln und vor langfristigen Folgen zu warnen, wie er sagt.  

Der Black Friday findet heuer auf der Plattform blackfridaysale in Österreich zum sechsten Mal statt. Immer mehr Unternehmen stellen sich gegen diesen Wahnsinn und machen bei dieser Rabattschlacht nicht mit – zurecht, wie ich finde! Andere hingegen schließen sich der Preisschlacht sehr wohl an und wundern sich dann allen Ernstes warum Weihnachten nichts mehr geht. Was erwarten diese Leute? Dass der Konsument Zum Black Friday einen 55 Zöller um 300 Euro kauft und einen Monat später zur Weihnachtszeit noch einen 55 Zöller um 700 Euro? Denkste! „Ich bin doch nicht blöd“, sagt sich der gewiefte Schnäppchenjäger und kauft klarerweise dann wann es günstig ist. Dennoch wundern sich manche Unternehmen und sind tatsächlich ratlos, angesichts der schwindenden Erträge

Das Diktat des Billigen

Wohin uns dieser Weg führt, auf dem an allen Ecken gespart wird um dem Diktat des Billigen zu folgen (wie Roman Kmenta so schön sagt), sieht man ua. am Beispiel Media-Saturn in Deutschland. Diese krankhafte Rabattitis ist in meinen Augen ein Mitgrund, dass das Unternehmen immer mehr ins Straucheln gerät. Jedem halbwegs intelligenten Menschen muss klar sein: Aktionen wie der Black Friday schaden nicht nur Unternehmen, sondern der gesamten Wirtschaft. Neben gutem Service und soliden Margen verschwinden auch langfristig Arbeitsplätze. Und ebenso für die gesamte Gesellschaft geht auf lange Sicht etwas verloren, nämlich Wertschätzung und Qualität. 

Doch was kann ein Händler tun, um sich dem zu entziehen? Experten sagen: „Auf seine Stärken besinnen.“ Kmenta sagt: „Umdenken in Richtung Wertsteigerung und Servicequalität.“ Man hat das allerdings schon so oft gehört. Es klingt abgedroschen und irgendwie liest man über diese Phrasen nur mehr drüber, ohne die Botschaft richtig wahrzunehmen. Schade, denn es stimmt und es kann funktionieren wie zahlreiche Beispiele zeigen. Ich besuchte im letzten Jahr einige Fachhändler in Niederösterreich, Kärnten und der Südsteiermark. Ich verbrachte viel Zeit in ihren Geschäften, redete mit ihnen, beobachtete sie im Umgang mit Kunden und erlebte selbst, was Experten schon lange predigen: Wenn ein Konsument in den Fachhandel geht, dann steckt eine Absicht dahinter. Dann braucht er etwas und schreibt dem Händler genügend Kompetenz zu, ihm ihn dieser Situation weiterhelfen zu können. Wenn man sich das als Händler bewusstmacht und ein paar Werkezuge anwendet, dann kommt man zu einem Abschluss und hat im besten Fall einen neuen Stammkunden, weil dieser mit der Leistung so zufrieden war.

Hat man als Händler im Hintergrund dann auch noch Industriepartner, die den FH bewusst stärken und unterstützen, mit selektiven Vertriebssystemen, Preisstabilität, Verdienstmöglichkeiten, unkomplizierter Zusammenarbeit, tollem Service, gutem Kundendienst und natürlich guten Produkten mit hoher Qualität und einem guten Preis-Leistungsverhältnis, dann muss man bei diesem Wahnsinn, der uns jetzt im November bevorsteht, nicht mitmachen. Die 30% der vom Handelsverband befragten Österreicher, die noch nie an einem dieser Verkaufstage teilgenommen haben und es auch heuer nicht tun, werden es danken! Ich hoffe es wachen bald noch mehr Leute auf und denken um. Dann besteht zumindest eine Chance auf den nachhaltigen Erhalt von Qualität, Wertschöpfung und soliden Arbeitsplätzen. Dann müssen wir Wirtschaftlichkeit, Qualität, Service und Wert nicht zu Grabe tragen – auch nicht symbolisch.

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Kommentare (2)

  1. Wahre Worte

    @Thomas Trawöger: Genau so ist es. Der Großteil an Artikel, die wir gerne verkauen würden, ist in diversen Onlineshops für Endkunden billiger zu haben als wir sie von unseren offiziellen Distis einkaufen können. Sieht man ja auch recht schön im ITScope.
    Deshalb haben wir vor einigen Jahren begonnen, auf zwei völlig neue Standbeine zu setzen: Erstens haben wir in die Entwicklung einer eigenen Software investiert, die sich jetzt sehr gut verkauft und monatliche Fixumsätze einbringt.

    Zweitens haben wir mit der Errichtung eines eigenen FTTH Netzes begonnen, sowie mit virt. Entbündelung von DSL Anschlüssen und in eigene VoIP Infrastruktur investiert.

    Vom Internetzugang über Telefonie (vom Server bis zum Endgerät) bis hin zu Datacenter-Dienstleistungen haben wir da jetzt das volle Programm. Somit können die Tintenpatronen im Regal vertrocknen.

  2. Das nicht passierende Wunder und die Folgen

    Ja, es ist schön, immer wieder zu lesen, dass alle das Problem verstanden haben und ganz langsam beginnen, darüber nachzudenken.
    Aber man kann halt nicht den einen oder anderen längst verhungerten Händler einfach auftauen, reanimieren oder mit allerlei Zukunftsvisionen dazu animieren, an ein nicht passierendes Wunder zu glauben.
    Als ein bereits vor längerer Zeit annähernd verhungerter IT-Händler habe ich auch geglaubt, mit Megaservice, persönlicher Beratung und Reparatur im Haus dieser ganzen „Verschenk-Idiotie“ Paroli bieten zu können.

    Man fühlt sich wie das berühmte gallische Dorf, umzingelt von bösen Römern und erreicht zumindest lokal etwas Berühmtheit, weil man einfach persönlicher, besser und schneller ist.

    Man schafft dem Kunden ein tolles Einkaufserlebnis durch Riesenauswahl, hat fast jeden Sch… auf Lager und freut sich an den unglaublichen Margen von 5-7% bei Notebook &Co.
    (Hofft aber, dass man wenigstens beim Zubehör mit etwas bessern Margen den eigentlichen Fang machen kann..)
    Am Ende des Jahres stellt man aber fest, dass man mit dem Verkauf eigentlich nur Miese machen kann, aber wenigstens von den Reparaturen ein halbwegs erträgliches Leben möglich ist.
    Naja, wenn man sich dann als Händler seine Tintenpatronen selbst schon bei Amazon kauft, weil die dort billiger sind als bei der eigenen Distri, dann wird es ziemlich schwierig, auf 4,5 meter Regalfläche solche Patronen zum Vertrocknen aufzuhängen. (Kaufen tut die keiner, weil einfach zu teuer..)
    Das Ende der Geschichte:
    Reduzierst Du Dein Warenangebot im Laden, blinken bei Deinen Kunden die Alarmleuchten:
    „Den gibts nicht mehr lang..“
    Erhöhst Du etwas Deine Preise, um wenigsten keinen Verlust beim Verkauf einzufahren:
    „Brauchst net hinzugehen, der ist nur teuer“

    Den Rest erledigen deine Lieferanten, die genau das was Du eigentlich verkaufen sollst, auf deren eigenen Webseiten so billig anbieten, dass Du Dich nur mehr lächerlich machst, wenn Du ein paar Euro dringend nötige Marge aufschlägst.

    Jetzt eine theatralische Beerdigung zu machen ist eigentlich sarkastisch. Blöd nur, dass man momantan nur mehr ganz wenige halbwegs „frische“ Leichen findet.
    Das meiste ist schon vor längerer Zeit passiert, und daher liegen hier nur mehr viele Skelette rum, die man nicht mehr beerdigen muss.

    Wer also jetzt glaubt, dass in absehbarer Zeit noch irgend ein Wunder passiert, verdrängt eigentlich nur die nackte Realität. Diesen Leuten kann aber spätestens am Jahrensende von Steuerberatern und Finanzbehöreden geholfen werden.

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