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Mittwoch, 1. Mai 2024
Die Folgen von NIMBY

Der Wolf im Funkloch

Telekom Hintergrund | Dominik Schebach | 24.11.2019 | Bilder | |  Meinung

Dominik Schebach
Die Story sorgt für gewisse Heiterkeit, wäre der Hintergrund nicht so ernst. Problemwolf GW 924m entzieht sich in Deutschlands Norden der Nachstellung, indem er sich im Funkloch versteckt. Besser gesagt: Der wanderlustige Isegrim treibt sich nördlich von Hamburg auf dem flachen Land herum und stellt damit das Umweltministerium in Schleswig-Holstein vor ein unüberwindbares Problem. Denn dieses wollte mittels E-Mail die Jägerschaft koordinieren, was in der deutschen Provinz offensichtlich nicht möglich ist.

Der Wolf, welcher in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Nutztiere gerissen hat, ist jetzt zwar recht mobil aber sonst nicht besonders technisch bewandert. Er zeigt nur auf, was passiert, wenn man nicht konsequent in die Infrastruktur investiert; bzw. Investitionen immer wieder hinausschiebt. Aber der Reihe nach: Das Umweltministerium in Schleswig-Holstein will seit Ende Jänner 2019 den Problemwolf GW 924m zur Strecke bringen. Nachdem die bisherigen Bemühungen erfolglos waren, das Streifgebiet des fraglichen Wolfes umfasst mehrere hundert Quadratkilometer nördlich von Hamburg, sollten nun 150 bis 175 zusätzliche Jäger auf den Wolf angesetzt werden.

Interessierte sollten sich laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung in einem „vertraulichen Verteiler“ aufnehmen lassen und – und hier hakt es offensichtlich – jederzeit per E-Mail erreichbar sein. Sonst darf nicht geschossen werden. – Schließlich sind auch in Deutschland Wölfe streng geschützte Tiere und es darf nur der genannte Bösewicht aufs Korn genommen werden, weswegen das Landesamt die beteiligten Jägern jederzeit über den Stand der Jagd informieren wolle (Wurde der Wolf schon geschossen, befinden sich andere Tiere im Revier usw). Der permanente E-Mail-Empfang ist allerdings auch 2019 in Deutschland nahezu unerfüllbar. Laut Süddeutscher mit einer der Gründe, warum sich bisher kaum ein Jäger an der Aktion beteiligt habe.

Was an der Story so verwundert ist, dass das fragliche Gebiet nördlich von Hamburg liegt. Es stimmt schon, auch im Wienerwald gibt es genügend Ecken, in denen der E-Mail-Empfang einfach nicht möglich ist. Wo enge Täler oder die Abschattung durch Erhebungen die Technik ausbremsen – von der Situation im Hochgebirge ganz zu schwiegen. Aber das Problem in Deutschland liegt tiefer: Der Infrastruktur-Ausbau wurde nachlässig vorangetrieben. Wichtige Investitionen unterblieben. Inzwischen ist das Problem so drängend, dass die deutsche Bundesregierung 1,1 Mrd Euro für den Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur auf dem flachen Land locker machen will.

Aber der Branchenverband Bitcom macht noch andere Hindernisse zur Mobilfunkversorgung aus. Demnach kommen an mehr als 1.200 Standorten in Deutschland Ausbauvorhaben der deutschen Mobilfunker kaum voran. Die Gründe sind u.a. laut Bitcom lange Bewilligungsverfahren, fehlende Grundstücke und die schleppende Standortabstimmung. Und dann gibt es noch den Widerstand in der Bevölkerung, der viele Bauvorhaben auf Jahre hinaus verschleppt. weswegen Bitcom hier ein eigenes Dialog-Programm mit den Bürgern vor Ort anregt, um diese an Bord zu holen.

Die Frage bleibt, ob die betroffenen Bürger wirklich besorgt sind, ob der angeblich schädlichen Wirkung durch die Strahlenbelastung durch den Mobilfunk, oder ob es sich hier um eine Ausprägung des NIMBY-Phänomens handelt. NIMBY steht hier für „Not in my back yard“, und bezeichnet Menschen, die zwar im täglichen Leben ganz gern die Vorteile der modernen Zivilisation nutzen, aber die dafür benötigte Infrastruktur nicht in ihrer Nähe dulden wollen. Denn rational lässt sich die Ablehnung des notwendigen Infrastruktur-Ausbaus auf dieser Stufe nicht erklären. Schließlich benutzen wir Mobilfunk seit mehr als 20 Jahren intensiv und die oft postulierten gesundheitlichen Auswirkungen hat man bis heute nicht gefunden – trotz umfangreicher Suche. Aber solange diese Haltung existiert, werden sich weiter Wölfe im Funkloch verstecken. Schließlich verhindert diese NIMBYismus die Lösung vieler weiteren drängenden Probleme, mit denen wir uns heute herumschlagen müssen.

Bilder
Ein wanderlustiger Problemwolf versteckt sich in Deutschland im Funkloch und entzieht sich damit der Nachstellung.
Ein wanderlustiger Problemwolf versteckt sich in Deutschland im Funkloch und entzieht sich damit der Nachstellung. (© Margit Völtz/pixelio.de)
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