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Freitag, 26. April 2024
[UPDATE] Ergänzende Statements von Netz Burgenland und Landesregierung

PV-Blockade im Burgenland

Photovoltaik | Wolfgang Schalko | 09.06.2021 | |  Wissen
Wegen unzureichender Netzkapazitäten genehmigt die Netz Burgenland seit kurzem nur noch PV-Anlagen bis max. 20 kWp. Wegen unzureichender Netzkapazitäten genehmigt die Netz Burgenland seit kurzem nur noch PV-Anlagen bis max. 20 kWp. (© Maria Hollunder) Erst Ende 2020 hatte das Burgenland mit seiner geplanten Novelle des Raumplanungsgesetzes und der damit verbundenen Landesabgabe für PV-Anlagen für Schlagzeilen gesorgt. Zwar konnte diese Problematik ausgeräumt werden, dafür ist der PV-Branche nun neues Ungemach erwachsen: Seit zwei, drei Wochen erhalten PV-Anlagen über 20 kWp keine Netzzulassung mehr.

Die Situation im „Sonnenland”, wo man sich selbst gerne als Erneuerbaren-Musterregion rühmt, ist dramatisch – so dramatisch, dass man es binnen kürzester Zeit sogar ins Fernsehen schaffte:  In der ORF-Sendung „Konkret” beleuchtete ein Beitrag die aktuellen Geschehnisse im Burgenland (den rund 5-minütigen Beitrag können Sie HIER ansehen).

In der ORF-Sendung „Konkret” beleuchtete ein Beitrag die aktuellen Geschehnisse im Burgenland.

Das Problem: Seit kurzem wird PV-Anlagen über 20 kWp keine Netzzulassung mehr erteilt. Ein Landwirt etwa, der eine fertig geplante und ausfinanzierte 300 kWp-Aufdachanlage realisieren wollte, erhielt von der Netz Burgenland eine Ablehnung mit der Begründung, dass man die für den Anschluss der geplanten PV-Anlage erforderliche Netzkapazität am Netzanschlusspunkt „voraussichtlich frühenstens 2029” zur Verfügung stellen könne – wobei der genannte Zeitpunkt „von mehreren, von der Netz Burgenland unbeeinflussbaren Faktoren abhängig und daher unverbindlich” sei. Stephan Sharma, Vorstandsvorsitzender Energie Burgenland, erklärte dazu: „Das Netz ist voll. Wir haben wirklich eine absolute Stresssituation – wenn wir zuviel Einspeisung haben, platzt das Netz und die Versorgungssicherheit ist gefährdet.”

Bundesinnungsmeister Andreas Wirth sieht durch die Verschiebung von PV-Projekten ins Jahr 2029 die Ziele der „Mission 2030” konterkariert.

Laut Bundesinnungsmeister Andreas Wirth sei der oben genannte bei weitem kein Einzelfall – in den vergangenen Tagen würden sich derartige Meldungen häufen. Wie man die in der Mission 2030 ausgerufene Energiewende schaffen will, wenn PV-Projekte auf 2029 verschoben werden, ist Wirth ein Rätsel. Seitens der Bundesinnung habe man jedenfalls bereits alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, aber das lokale Netz gehöre eben der Netz Burgenland und die einzige Behörde, die über die Netzauslastung urteilen und entsprechend regulativ eingreifen könne, sei die E-Control. Bei dieser könne man in solchen Fällen Beschwerde einreichen.

Zu den Betroffenen gehört mit Energy3000 solar paradoxerweise auch ein wesentlicher Lieferant der heimischen PV-Branche – die Pläne des Unternehmens, beim Firmenausbau am Standort Müllendorf auch eine große PV-Anlage zu realisieren, wurden durchkreuzt: „Wir haben diese Anlage bestellt, beantragt und genehmigt bekommen und jetzt am Schluss hat die Netz Burgenland gesagt: Es geht nicht, wir dürfen max. 20 kWp bauen – da hab ich zuhause eine größere PV-Anlage montiert”, meinte GF Christian Bairhuber sarkastisch.

Was bei all dem aber die größten Irritationen hervorruft ist der Umstand, dass parallel zur Absage für Projekte über 20 kWp bereits Zonenpläne für große Solarparks auf derzeit landwirtschaftlich genutzten Freiflächen erstellt werden. (Anmerkung: Mitte Mai hat das Land Burgenland einen VO-Entwurf für Eigungszonen für die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Burgenland zur Begutachtung veröffentlicht. Es erfolgt eine Einteilung in 19 Zonen. Die Begutachtungsfrist läuft noch bis 9. Juni 2021)

Die Pläne von Energy3000 solar für eine PV-Anlage am Standort Müllendorf wurden ebenfalls durchkreuzt.

Seitens der „Auserkorenen” setzt sich beispielsweise der Bürgermeister von Hornstein, Christopher Wolf, zur Wehr: „Mir ist wichtig, dass dieses Projekt nicht durchgeht. Wir wollen Dachflächen statt Ackerflächen mit PV-Alagen bestücken, davon haben wir ja mehr als genug. Erst wenn man dieses Potenzial ausgeschöpft hat kann man meiner Ansicht nach über Freiflächen diskutieren.” Seines Erachtens liegt auf der Hand, warum Grundbesitzer solchen Plänen wohl gesonnen sind: „Die Verpachtung einer Ackerfläche im Burgenland hat je nach Region einen Ertrag von 200-500 Euro pro Hektar, kolportierte Sätze für PV-Freiflächenanlagen sind 3.000-4.000 Euro pro Hektar, also grob das Zehnfache.” Dazu kommt, dass große Solarparks auch für die Betreiber technisch und ökonomisch günstiger sind als viele kleine PV-Anlagen.

Es droht also ein Konkurrenzkampf um Netzkapazitäten zwischen Konsumenten mit kleineren PV-Anlagen auf Dächern und großen Solarparks auf der grünen Wiese, der laut Wirth auf folgendes Szenario hinauslaufen könnte: „Wenn das so weitergeht und die PV-Freiflächenanlagen uns die ganzen Netzkapazitäten rauben – wer weiß, wie lange das Netz noch hält und ob wir dann überhaupt noch PV-Anlagen montieren dürfen.”

[UPDATE] Reaktion von Netz Burgenland

Auf Anfrage von elektro.at hat Netz Burgenland wiefolgt zu dieser Thematik Stellung genommen:

Das Burgenland ist Öko-Europameister: In keiner anderen Region wird anteilsmäßig so viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert. Seit rund zwei Jahrzehnten nutzt das Burgenland intensiv die Windenergie, im Jahr 2013 konnten wir die rechnerische Stromautarkie vermelden. Im Kalenderjahr 2020 wurden im Burgenland insgesamt 1.780.000 MWh verbraucht bzw. 2.580.000 MWh elektrische Energie erzeugt. Das heißt, dass aus erneuerbaren Quellen um 45% mehr Strom erzeugt als im Burgenland verbraucht wurde. Das burgenländische Stromnetz zählt trotz einer weit verzweigten, ländlichen Struktur zu den verlässlichsten Netzen Europas und weist seit Jahren eine Verfügbarkeit von mehr als 99,99% auf. Dieser Spitzenwert ist nur durch permanente Wartung der Infrastruktur zu erreichen. Netz Burgenland hat von 2010 – 20 rund 400 Mio. € in die Modernisierung der Strom- und Gas-Netze investiert, mehr als 230 Mio. € flossen in die Instandhaltung der Leitungen. Die überdurchschnittlich hohe Versorgungsqualität des Stromnetzes gilt es in Zukunft abzusichern und gleichzeitig durch eine stufenweise Verstärkung des Netzes geplante Wind- und Photovoltaik-Projekte zu ermöglichen.

Das Burgenland und sein Landes-Energiedienstleister haben sich rechtzeitig auf die Energiewende vorbereitet. Der Netzausbau des Burgenlands ist ein Vorzeigebeispiel für langfristig sinnvolle und nachhaltige Infrastrukturentwicklung. Wir haben gemeinsam mit unserem Partner Austrian Power Grid rechtzeitig die Planungen von Erzeugung und Netzinfrastruktur so synchronisiert, dass neue Windparks sofort ans Netz gehen können. Derzeit laufen Planungen zur Aufnahme von weiteren Wind- und Sonnenstrom-Projekten. Eine wichtige Basis für die Energiewende sind die Smart Meter. Im Burgenland sind bereits 95 % der insgesamt 207.000 digitalen Zähler im gesamten Verteilernetzbereich der Netz Burgenland montiert, womit sich Netz Burgenland einmal mehr österreichweit als technologischer Vorreiter erweist.

Netz Burgenland verfügt über jahrzehntelange Erfahrung bei der Einspeisung von Ökoenergie. Unsere Infrastruktur bildet bereits jetzt eine starke Basis für die Energiewende und die Grundlage, um die weiteren Ökostromziele bis 2030 zu erreichen. Doch es ist ein umfassender Ausbau der Infrastruktur nötig, da sich die Netze der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit nähern. Um eine weitere Einspeisung von Ökostrom zu ermöglichen, sind eine Verstärkung der Übergabestellen zum Übertragungsnetz und ein weiterer Ausbau des Leitungsnetzes im Mittel- und Südburgenland notwendig. Netz Burgenland arbeitet intensiv gemeinsam mit ihren Partnern an einem Konzept, um die Einspeisung großer Mengen von Ökostrom zu ermöglichen.

Das Interesse am Netzzugang ist enorm. Aktuell liegen Netz Burgenland Einspeise-Anfragen für Ökostrom-Anlagen über ein Vielfaches der bestehenden Netzkapazität vor. Die Vergabe der vorhandenen Kapazitäten ist durch zeitliche, rechtliche und technische Faktoren definiert. Netz Burgenland will jeder Burgenländerin und jedem Burgenländer den Zugang zu Sonnenstrom ermöglichen. Die Neuerrichtung von Ökostromanlagen bis 20 kW für Haushaltskunden soll daher ermöglicht werden, um nicht nur Großprojekten die Möglichkeit zu geben, Teil der Energiewende zu sein. Bei Gewerbe- und Industriekunden können Überschuss-Einspeiseanlagen mit weit mehr als 20 kW in Verbindung mit intelligentem Einspeise-, Last- und Speichermanagement mit Fokus auf maximalem Eigenverbrauch errichtet werden, sofern sichergestellt ist, dass maximal 20 kW ins Netz eingespeist werden.
Der Hauptfokus bei neuen PV-Großanlagen sollte auf die Parallelschaltung mit Windpark-Projekten abzielen („Hybrid-Parks“), weil durch die Verbindung von Wind und Sonne ein Doppelnutzen entsteht. Das ermöglicht eine optimale Ausnutzung der bestehenden Infrastruktur und eine massive Erweiterung der Ökostrommengen bei volkswirtschaftlich optimalen Kosten. Eine zügige Realisierung dieser Projekte erscheint möglich. Die Verstärkung des burgenländischen Stromnetzes zur Aufnahme zusätzlicher Ökostrom-Produktion läuft seit Jahresbeginn gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber auf Hochtouren, um die Versorgungssicherheit und die Energiewende zu gewährleisten!

[UPDATE]

Wie ein Unternehmenssprecher gegenüber elektro.at betonte, sei man „wirklich guten Willens” und arbeite mit Nachdruck daran, solche Projekte im Sinne der Energiewende zur Umsetzung zur bringen – allerdings brauche es angesichts des enormen Interesses eine entsprechende Ertüchtigung des Netzes. Neben PV-Anlagen mit max. 20 kWp seien daher vor allem „intelligente” Projekte gefragt, konkret solche mit hohem Eigenverbrauchsanteil, kombinierter Speichermöglichkeit oder im Rahmen von Energiegemeinschaften – sobald das EAG diese Möglichkeit erlaube. Es gehe somit nicht zuletzt um neue Einspeisekonzepte, um bei der Netzeinspeisung die genannte Grenze von 20 kW pro Anlage nicht zu überschreiten. Netz Burgenland forciere dahingehend hybride Parks aus Windkraft und Photovoltaik, da sich deren Struktur sehr gut ergänzen würden.

Für all jene, denen kürzlich eine Absage für ihre PV-Vorhaben erteilt wurde, hatte der Sprecher zumindest einen Hoffnungsschimmer parat: Man werde in den konkreten Fällen mit den Projektentwicklern sprechen, um zu einer Lösung zu kommen, stellte er in Aussicht.

[UPDATE ]Bekenntnis der Landesregierung?

Noch beim PV-Kongress Ende März hatte sich LH-Stvin. Astrid Eisenkopf, zuständig für Klimaschutz im Burgenland, klar für einen „ordentlichen Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen wie auf Dächern” ausgesprochen und auch betont, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangehen wolle und daher bis 2023 möglichst alle landeseigenen und landesnahen Gebäude mit PV-Aufdachanlagen ausstatten werde – ein Vorhaben, dass somit ebenfalls gefährdet scheint. Eine diesbezügliche Anfrage von elektro.at blieb bis dato leider unbeantwortet.

[UPDATE]

Von LH-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf erreichte uns mittlerweile folgendes Statement: „Es bedarf auf allen Seiten große, gemeinsame Anstrengungen, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Das Burgenland wird hier, wie auch schon in der Vergangenheit, einen wesentlichen Beitrag leisten, um Österreich in die Energieautarkie zu führen. Diese gemeinsamen Anstrengungen umfassen natürlich auch den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern, allen voran Photovoltaik-Anlagen. In diesem Bereich setzen wir im Burgenland auf zwei wesentliche Schlüsselfaktoren, zum einen den weiteren Ausbau auf verfügbaren und vorbelasteten Flächen – u.a. geeigneten Dachflächen, Parkplätzen und ähnliches – und zum anderen auf den Ausbau von Freiflächenphotovoltaikanlagen. Es wird beides brauchen und diese beiden Bereiche müssen auch mit anderen erneuerbaren Energieträgern verzahnt gedacht, konzeptioniert und umgesetzt werden. Wir dürfen in all unseren Anstrengungen aber nicht auf die bestehende und sich stetig im Ausbau befindliche Netzinfrastruktur vergessen. Diese muss natürlich mit den Bedürfnissen, den Anforderungen und mit jeder weiteren PV-Anlage mitwachsen, um einen Rückschritt in der Entwicklung zu verhindern.”

Was die burgenländische Landesregierung im Detail vorhat, können Sie hier nachlesen.

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