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Sonntag, 5. Mai 2024
Forderungspaket der Arbeitnehmer-Vertreter zeigt nächstes Konfliktfeld auf

AK und Gewerkschaft: Arbeitnehmer im Handel fordern mehr Respekt

Dominik Schebach | 15.12.2022 | |  
IFES-GF Eva Zeglovits, AK Präsidentin Renate Anderl sowie Barbara Treiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA, präsentierten heute die jüngste IFES-Studie zur Lage der Beschäftigten im Handel. IFES-GF Eva Zeglovits, AK Präsidentin Renate Anderl sowie Barbara Treiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA, präsentierten heute die jüngste IFES-Studie zur Lage der Beschäftigten im Handel. Gerade erst wurden die Kollektivvertragsverhandlungen mit einem respektablen Ergebnis für die Arbeitnehmerseite beendet. Nun treten Arbeiterkammer und Gewerkschaft wieder in die Öffentlichkeit: Nach den Pandemiejahren fordern sie mehr Respekt für die Mitarbeiter im Handel – und weitere Verbesserungen für die Arbeitnehmer. Handelsobmann Rainer Trefelik spricht deswegen auch von „schlechtem sozialpartnerschaftlichen Stil“.

COVID-19 hat den Handel in den vergangenen zwei Jahren vor enorme Herausforderungen gestellt. Für die rund 560.000 Beschäftigten im Handel, davon 300.000 im Einzelhandel, waren die Belastungen besonders hoch. Nun bringe die Teuerung weitere Belastungen, wie AK-Präsidentin Renate Anderl und GPA-Bundesvorsitzende Barbara Treiber heute vor Journalisten festgestellt haben.

Anderl und Treiber beriefen sich dazu auf die jüngste Studie von IFES und WIFO im Auftrag der AK zur Lage der Beschäftigten im Handel. Demnach stehen die Handelsangestellten unter immer stärkerem Druck. Die Vereinbarung von Beruf und Familie habe sich seit Pandemiebeginn verschlechtert: 6 von 10 Handelsbeschäftigten arbeiten bis zu 10 Tage im Quartal länger als 10 Stunden pro Tag. Seit Pandemiebeginn wird immer häufiger trotz Krankheit gearbeitet, weswegen auch laut IFES-Studie die Arbeitszufriedenheit deutlich zurückgegangen sei.

„Rund die Hälfte der Handelsbeschäftigten gelten als systemrelevant. Ohne sie können wir uns alle nicht mit den Dingen des täglichen Bedarfs versorgen. Es reicht nicht aus, für sie zu klatschen. Sie verdienen die dauerhafte Anerkennung, die ihnen wirklich zusteht: faire Arbeitsbedingungen, angemessene Bezahlung und die Einhaltung von geltendem Arbeitsrecht“, so Anderl. In diesem Zusammenhang beklagte sie, dass Vor- und Nacharbeiten – im Handel – wie etwas „Semmelaufbacken in der Früh“ immer wieder nicht korrekt abgerechnet würden.

Die GPA Vorsitzende legte nach. „Schon jetzt haben wir 20.000 offene Stellen im Handel. Nur durch bessere Arbeitsbedingungen kann der Personalknappheit entgegengewirkt werden“, so Treiber. „Die Betriebe müssen ihren Beschäftigten mehr Flexibilität beim Ausmaß und bei der Lage der Arbeitszeit einräumen, etwa mit Öffnungszeiten, die Rücksicht auf die Beschäftigten nehmen. Und indem die Betriebe viel mehr auf die Wunscharbeitszeiten der Arbeitnehmerinnen eingehen.“

Gemeinsam legten Anderl und Treiber deswegen ein Forderungspaket von Arbeiterkammer und Gewerkschaft vor: Sie fordern u.a. planbarere Arbeitszeiten und damit eine bessere Vereinbarkeit der Arbeit mit den Betreuungspflichten, einen Anspruch auf Weiterbildung auch für Teilzeitkräfte im Ausmaß von einer Woche pro Kalenderjahr, Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde anstelle des dreimonatigen Durchrechnungszeitraumes, sowie eine leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche.

„Schlechter Stil“

Wenig Begeisterung löste die Präsentation von AK und GPA bei Handelsobmann Rainer Trefelik aus: „Wir verwehren uns dagegen, eine ganze Branche zu verunglimpfen und die Tätigkeit im Handel sozusagen auf Semmelaufbacken zu reduzieren.“

Die Forderungen von AK und Gewerkschaft sowie der wiederholte Verweis von Anderl und Treiber auf die geltenden arbeitsrechtlichen Bedingungen stießen bei Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel auf wenig Begeisterung: „Wir verwehren uns dagegen, eine ganze Branche zu verunglimpfen und die Tätigkeit im Handel sozusagen auf Semmelaufbacken zu reduzieren. Der heimische Handel ist eine große und sehr vielfältige Branche, sie reicht vom Großhandel über den Elektro-, Drogerie-, den Bekleidungs- bis hin zum Möbelhandel. Dementsprechend vielfältig und abwechslungsreich sind auch die Jobs im heimischen Handel.“

Besonders zeigte sich Trefelik darüber irritiert, dass man „Einzelfälle hervorzerrt, die es in jeder Branche gibt, und dann davon spricht, man habe das Gefühl, viele Handelsbetriebe würden die Gesetze nicht einhalten. Sich auf Gefühle zu verlassen und damit in eine ganze Branche in Misskredit zu bringen ist völlig unseriös“. Den Einzelfällen müsse man aber freilich nachgehen und dafür sorgen, dass auch dort korrekt gehandelt wird.

Die IFES-Umfrage selbst, die AK und ÖGB zur Untermauerung ihrer Vorwürfe herangezogen haben, zeige, dass drei Viertel der Beschäftigten im Handel zufrieden sind und damit eine äußert hohe Arbeitszufriedenheit herrscht. Verwundert ist der Handelsobmann aber auch darüber, dass die Gewerkschaft zwar selbst betont, bei den KV-Verhandlungen ein respektables Ergebnis erzielt zu haben, „im selben Atemzug aber weitere Forderungen aufstellt – und das kurz nach Abschluss der Verhandlungen“. Auch das sei nicht der gute sozialpartnerschaftliche Stil, den man über Jahre hinweg gepflegt habe.

Rückenwind

Trefelik möchte hier wohl eventuellen weiteren Ansprüchen der Arbeitnehmer zuvorkommen. Doch wie Treiber mehrmals auf der Pressekonferenz betonte, spüren die Arbeitnehmervertreter derzeit Rückenwind. „Die Erfahrungen, welche wir in den vergangenen Monaten sammeln konnten, sind ganz wichtig für uns in den zukünftigen Verhandlungen“, so die GPA-Bundesvorsitzende. „Oft wird das Bild der armen Kassiererin an der Supermarktkasse beschworen, die ihr Schicksal erduldet. Das ist zunehmend nicht mehr so. Die Beschäftigten im Handel sind bereit selbstbewusst für ihre Rechte einzutreten und zu kämpfen.“

Damit sind härtere Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern rund um die Arbeitszeitregelungen, Urlaubszeiten oder Fortbildung praktisch vorprogrammiert.

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