Strategische Perspektive
Ich muss gestehen, ich bin beeindruckt. Wenn man sich die Vorgehensweise der Management-Gruppe um Hermann Wieser ansieht, dann kann man nur seinen Hut ziehen. Vor allem die Krisenkommunikation bzw. wie die Stimmung aufgebaut wurde, wurde perfekt durchexerziert.Zuerst kam die Verkündigung der Übernahme von kika / Leiner. Eine Woche später wurde der große Cut bekanntgegeben. – Schließung von 23 Filialen und die anstehende Kündigung von 1900 Mitarbeitern. Der schlechten Nachrichten nicht genug kam am Tag darauf die Insolvenz-Ankündigung. Mit anderen Worten, der Druck wurde erhöht, bevor wieder eine Woche später die gute Nachricht in Form einer Pressekonferenz des Masseverwalters kam und den Druck wieder ein wenig reduzierte – es müssen nur 1300 Mitarbeiter gehen, operativ könne das verschlankte Unternehmen weitergeführt werden. Seither wird gemauert und bei allen Anfragen auf den Insolvenzverwalter verwiesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Republik als größter Gläubiger nach dieser Hochschaubahnfahrt samt Silberstreif am Horizont den Stab über der Möbelkette bricht. Die Aussicht, 2000 Arbeitsplätze zu retten, ist ein schwer zu schlagendes Argument für Politiker.
Die kleineren Lieferanten, vor allem auf Seite der Möbelproduzenten, stehen dagegen vor einer schwierigen Entscheidung: Wollen sie in der Hoffnung auf zukünftige Geschäfte mit dem Unternehmen die Sanierung des operativen Teils von kika / Leiner mittragen, oder riskieren sie eine noch stärkere Konzentration in der Möbelgroßfläche, mit all den damit verbundenen Folgen. Ob ein Insolvenzverfahren zum Schuldenabbau von Anfang an angestrebt wurde, oder ob diese Variante erst nach anfänglichen Verhandlungen mit den Gläubigern gewählt wurde, ist unter diesen Umständen zweitrangig. Man kann davon ausgehen, dass die neuen Eigentümer die verschiedenen Szenarien durchgespielt und sich dementsprechend akribisch auf alle Eventualitäten vorbereitet haben. Allein der Umstand, wie schnell das POS-Material, Flaggen und Plakate einschließlich fassadenfüllender Transparente für den Abverkauf angebracht wurden, spricht allerdings für mich Bände. Das wurde nicht über Nacht entworfen, bestellt, gedruckt, ausgeliefert und teilweise in luftiger Höhe angebracht.
Bleibt die Frage: Kann man ein Unternehmen wie kika / Leiner überhaupt sanieren, sodass das Unternehmen nach dem Einschnitt nachhaltig weitergeführt werden kann? Da sind zumindest Zweifel angebracht. Seit zehn Jahren wird an dem Unternehmen herumgedoktert, ohne dass sich ein langfristiger Erfolg eingestellt hätte. Einfach nur die Mitarbeiterzahl zusammenzustreichen ist jedenfalls nicht sanieren, wie ein Händler aus der Branche trocken anmerkte. Dafür benötigt kika / Leiner jedoch eine strategische Perspektive und es müssen ein paar harte Fragen gestellt werden: Unter anderem, ob die Zweimarken-Strategie – mit zwei ähnlich positionierten Marken – in einem kleinen, aber dicht besetzten Markt wie Österreich noch Zukunft hat. Je nachdem, wie das neue Management diese Fragen in den kommenden Monaten auflöst, wird sich auch zeigen, ob es für kika / Leiner eine Zukunftsvision gibt, oder ob dieser Teil der Übernahme nur ein Feigenblatt für den parallel gelaufenen Immobilien-Deal ist.
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