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Sonntag, 28. April 2024
Rechtssicherheit für Internet-Provider gefordert

Netzsperren: TKK trifft wichtige Grundsatzentscheidung

Telekom | Dominik Schebach | 10.08.2023 | |  
Inhaber von Urheberrechten wie Musik-Labels oder Filstudios haben in der Vergangenheit immer wieder Internet-Provider unter Druck gesetzt, um diverse IP-Adresse zu sperren und so den Zugang zu illegalen Content-Downloads zu beschränken. Damit wurde aber auch Webseiten- und Dienste unbeteiligter Dritter vom Netz genommen. Nun hat die Telekom Control Kommission dazu eine wichtige Entscheidung getroffen: Überschießende IP-Sperren sind unzulässig.

Die Regulierungsbehörde untersagt demnach im Sinne der Netzneutralität überschießende Sperren von IP-Adressen. Denn nach Ansicht der TKK sind z.B. zur Wahrung der Urheberrechte Netzsperren auf Basis des Domain Name Systems (DNS) grundsätzlich ausreichend. Über DNS-Sperren hinausgehende Sperren auf Basis von IP-Adressen seien deswegen nicht erforderlich und deshalb unzulässig. Damit werde auch zukünftig die Netzneutralität sichergestellt, wie die RTR heute in einer Aussendung mitgeteilt hat.

„Da unter einer einzigen IP-Adresse unzählige Webseiten abrufbar sein können, ist im Falle einer Sperre das Risiko, auch Websites oder Internetdienste unbeteiligter Dritter mitzusperren, ganz besonders hoch“, erklärt Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekommunikation und Post, in seiner Funktion als Sprecher der TKK.

Um die Netzneutralität und Meinungsäußerungsfreiheit im Internet zu schützen, dürfen in Österreich nur im Ausnahmefall Beschränkungen zu Inhalten im Internet eingerichtet werden. Jede einzelne Netzsperre werde von der Regulierungsbehörde streng geprüft. Einerseits, ob ausreichende Gründe für eine Sperre vorliegen – wie etwa bei strukturell urheberrechtswidrigen „Piratenseiten“ – aber auch in Hinblick auf die technische Umsetzung der Sperre.

„In Österreich wurden Netzsperren bisher überwiegend mit sogenannten ‚DNS-Sperren‘ umgesetzt. Bei dieser Art der Sperre werden lediglich einzelne Domains blockiert und stattdessen Sperrhinweise angezeigt. Es ist wichtig, dass diese Praxis beibehalten wird, um auch zukünftig die rechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit zu wahren“, führt Steinmaurer aus. Als Service und zur erweiterten Transparenz veröffentlicht die Regulierungsbehörde alle aktuell gesperrten Domains auf ihrer Website.

ISPA fordert klare Regeln

Die Klarstellung der TKK trifft bei der ISPA, den Interessensverband der Internet Service Provider Österreichs, naturgemäß auf Zustimmung. Trotzdem fordern die ISPs eine klare gesetzliche Regelung für Netzsperren. Die ISPA verweist in diesem Zusammenhang auf einen Fall im vergangenen Sommer, als Teile des Internets für österreichische User stundenlang nicht erreichbar waren, weil mehrere Inhaber von Musik- und Filmrechten die ISPs zur Sperrung einer Reihe von IP-Adressen aufgefordert hatten. Mit dem Nebeneffekt, dass auch legale Inhalte und Kommunikationskanäle blockiert wurden.

„Die Sperre von IP-Adressen ist völlig unverhältnismäßig, denn dabei besteht immer die Gefahr, auch legale Websites zu blockieren“, erklärt ISPA-Generalsekretär Stefan Ebenberger. „Die Rechteinhaber betonen immer den Schutz von geistigem Eigentum. Das ist grundsätzlich richtig und wichtig. Aber was ist mit dem Eigentum an den zu Unrecht gesperrten Websites? Es müssen die Rechte aller geschützt werden, nicht nur die einer einzelnen Gruppe.“

Ebenberger fordert deswegen den Gesetzgeber auf, endlich für Rechtssicherheit bei Netzsperren zu sorgen, anstatt die Verantwortung auf die ISPs abzuwälzen. Als Vorbild für eine mögliche Lösung verweist er auf den Konsumentenschutz: „Wenn etwa Fake-Shops im Sinne des Konsumentenschutzes gesperrt werden sollen, wird diese Sperre im Vorhinein von der TKK auf ihre Recht- und Verhältnismäßigkeit geprüft. Ein Prozess, der für den Schutz von Konsumenten angemessen ist, sollte auch für die großen Verwertungsgesellschaften und Filmproduzenten ausreichend sein. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, diese Ungleichbehandlung zu beenden und endlich für Rechtssicherheit bei Netzsperren zu sorgen, indem eine kompetente Behörde vorher prüft. Denn derzeit stehen die Internetanbieter vor der Wahl, ob sie sperren und ein Behördenverfahren riskieren, oder sich von den Rechteinhabern klagen lassen.“

Technische Realität

Bemerkenswert an dieser Entscheidung der TKK ist auch das Amtsgutachten, auf das sie sich stützt. Darin wurde bestätigt, was die Internetanbieter seit Jahren sagen: Dass es technisch unmöglich ist, bei einer IP-Adresse im Vorhinein zu erkennen, welche anderen, legalen Websites diese ebenfalls nutzen. ISPA-Präsident Harald Kapper sagt dazu: „Endlich wurde berücksichtigt, was der Gesetzgeber ignorierte, nämlich die technischen Realitäten. Das ist wichtig, weil genau hier eine weitere Gefahr schlummert: IP-Sperren bergen immer das Risiko auch legale Inhalte oder Dienste zu sperren und bedrohen damit die Meinungs- und Informationsfreiheit aller Bürger. Hier reden wir über zentrale Grundrechte einer demokratischen Gesellschaft, die im Einzelfall abgewogen werden müssen. Diese Verantwortung darf der Staat nicht länger auf die Internetanbieter, also private Unternehmen, abwälzen.“

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