Chinesische Billig-Webshops sorgen für Unmut
Nach Daten von Branchenexperten fliegen Shein und Temu jeweils 4.000 bis 5.000 Tonnen Waren täglich aus. Das bedeutet: Jeden Tag müssen allein dafür über hundert Transportflugzeuge vom Typ Boeing 777 abheben. Der Erfolg, den asiatische Online-Plattformen wie Temu und Shein in Europa haben, hat zweifelhafte Auswirkungen. Nicht nur, dass der europäische (und auch der US-Markt) mit Billigware überschwemmt werden, das rasante Wachstum der Anbieter sorgt inzwischen auch für Engpässe im weltweiten Lufttransport und treibt die Frachtkosten auf Rekordhöhe, wie u.a. der ORF berichtet.Kleider, Spielzeug, Haushaltswaren und Elektrokleingeräte zum absoluten Dumpingpreis – damit haben sich asiatische Online-Plattformen wie Temu und Shein eine mächtige Position geschaffen. Nach einer Einschätzung von Coresight Research beherrscht allein Shein rund ein Fünftel des weltweiten Fast-Fashion-Markts.
Wie der ORF berichtet, und sich dabei auf einen Bericht des US-Kongresses vom Juni 2023 bezieht, versenden Temu und Shein zusammen 600.000 Pakete täglich nach Amerika. In Deutschland werde die Zahl inzwischen auf etwa 400.000 am Tag geschätzt. „Nach Daten von Branchenexperten fliegen Shein und Temu jeweils 4.000 bis 5.000 Tonnen Waren täglich aus. Anders ausgedrückt: Jeden Tag müssen allein dafür über hundert Transportflugzeuge vom Typ Boeing 777 abheben. Zum Vergleich: Große Techfirmen wie Apple kommen allenfalls auf 1.000 Tonnen am Tag. Branchenkreise zufolge müssen sie bereits um Frachtplatz in den Maschinen kämpfen.“
Shein und Temu liefern direkt aus China bis zur Wohnungstür in Wien, Berlin, New York oder Rio de Janeiro – Zwischenhändler, Logistikzentren und Läger gibt es keine. Zurückgegebene Produkte werden vernichtet. „Die Apps sind teils wie Spiele gestaltet, die zu immer neuen Käufen anregen sollen, Datenschützer halten sie für bedenklich. Aber auch Konsumentenschützer warnen teils wegen Sicherheitsbedenken vor vielen Produkten. Außerdem greift die Produkthaftung nicht, weil der Hersteller Tausende Kilometer entfernt in China sitzt und es keinen Importeur gibt“, schreibt der ORF.
Günstig sind die Produkte u.a. auch, weil Temu und Shein darauf achten, alles unterhalb der jeweiligen Zollgrenzen der Länder zu verpacken. Der ORF bezieht sich in seinem Bericht auf einen Logistikexperten, der berichtet, dass ein Stift, der nach Brasilien gesendet wurde, zuvor in vier Teile zerlegt und einzeln verpackt wurde, um die Zollgrenze nicht zu überschreiten. Der österreichische Handelsverband berichtet über falsch deklarierte Zllfrei-Päckchen, um Zollgebühren zu umgehen und Einfuhrumsatzsteuer zu sparen (elektro.at berichtete).
Um die Waren in Massen nach Europa und Amerika zu bringen sind Temu und Shein auf der Suche nach Frachtmöglichkeiten. So wanderte der Blick beispielsweise nach Thailand, da dort viele Passagierflugzeuge im Bauch noch Frachtkapazität hätten und die Luftfrachtraten entsprechend niedriger seien. Zudem versuchten die Firmen inzwischen selbst, Flieger zu beschaffen: „Wir haben gehört, dass Temu zwölf Großtransporter sucht, um sie zu leasen. Sie suchen den Markt nach jedem Flugzeug ab, das sie bekommen können“ wird Marc Schlossberg, Vizepräsident beim Luftfrachttransporteur Unique Logistics, zitiert. Laut Nachrichtenagentur Reuters erklärte Temu übrigens, dass man in den USA und Europa nach Zwischenhändlern suche, um Transportwege und Lieferzeit zu verkürzen.
Kein Abflauen des Booms
Ein schnelles Abflauen des Frachtbooms aus China wird nicht erwartet. Mit Blick auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit ist das eine Katastrophe. Logistiker befürchten zudem, dass jahrelang zuverlässige Kunden verdrängt würden. Und auch der europäische Handel werde massiv geschädigt: „Während nationale Händler von der Bürokratie überflutet werden, verschaffen sie chinesischen Billigprodukten klare Wettbewerbsvorteile. Das schädigt den Wirtschaftsstandort Europa enorm“, kritisierte etwa Martin Sonntag, Obmann des Bundesgremiums des Versand-, Internet und allgemeinen Handels der WKO. „Das Absurde an der Situation ist, dass sich die Europäische Union diese Verluste durch ihr lückenhaftes Zoll- und Steuersystem zum Teil selbst beschert hat“, so Sonntag, demzufolge es den Zollbehörden neben der gesetzlichen Grundlage auch an Personal und der für „halbwegs funktionierende Kontrolle“ notwendigen Technik fehle. Erhöhten Handlungsbedarf ortet Sonntag sowohl bei nationalen als auch europäischen Gesetzgebern, diese „müssten schnellstmöglich dafür sorgen, dass diese bestehende Art des Geschäfts nicht mehr möglich ist“.
Weitere Stimmen
Auch das WKÖ-Bundesgremium des Versand- und Internethandels hat die Thematik am Radar – HIER erfahren Sie mehr darüber.
Was der Handelsverband dazu sagt, erfahren Sie HIER.
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