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Montag, 17. Juni 2024
Vom „kleinen Häuslbauer” und anderen Mythen

Wie man sich irren kann

Wolfgang Schalko | 26.05.2024 | Bilder | | 3  Meinung
(© Pixabay / Gerd Altmann) Es gibt eine Reihe von Begriffen, die einem in der medialen Berichterstattung bzw. im politischen Diskurs laufend unterkommen, wie etwa der Klimawandel, der Fachkräftemangel oder die Künstliche Intelligenz. Und auch der „kleine Häuslbauer” wird in vielen Debatten gerne bemüht – besonders dann, wenn es um Vermögenssteuern und/oder die (Un-)Leistbarkeit bei der Schaffung eines Eigenheims geht. Doch wie ich kürzlich lesen durfte, gibt es den „kleinen Häuslbauer” eigentlich gar nicht.

Wie bei viele andere Begriffen steckt auch hinter dem „kleinen Häuslbauer” ein Sinnbild, um ein im Grunde gar nicht so einfaches Thema greifbar zu machen: Der leistungswillige Erwerbstätige, der sich tagtäglich schön brav abrackert, soll sich früher oder später mit einem schmucken Häuschen für sich und seine Familie belohnen dürfen. Soweit das eher konservativ-kleinbürgerliche Narrativ, dem größer werdende Teile der nachkommenden Generationen ohnehin immer weniger abgewinnen können und dessen zugrundeliegende Rechnung sich auch für immer mehr Rackernde gar nicht mehr ausgeht. Nichtsdestotrotz tischt uns die Politik nur allzu gerne den „kleinen Häuslbauer” als breite Mitte der Gesellschaft auf und stellt diesen auch ins Zentrum ihres Handelns. Dem hielt Barbara Blaha, die Leiterin des Momentum-Instituts kürzlich in einem „Standard”-Artikel etwas Hochinteressantes entgegen: Eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank, die im Auftrag des Sozialministeriums das heimische Privateigentum analysiert hatte und zu dem Schluss kam, dass es den „kleinen Häuslbauer” gar nicht gibt.

Das Problem: Wer ein Haus baut, ist – finanziell betrachtet – nicht „klein”, d.h. nicht in der Mitte der Gesellschaft. Denn beim Vermögen gibt es statt einer Mitte vielmehr drei Gruppen: Zunächst die ärmere Hälfte der Bevölkerung, die in der Regel zur Miete wohnt und bestenfalls einen Notgroschen auf dem Sparbuch hat (Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt nicht einmal 5% des Vermögens. Bezeichnendes Faktum: Wer mietet, hat im Schnitt 57.000 Euro Vermögen, wer im Eigentum wohnt hingegen 463.000 Euro, also rund achtmal so viel). Die nächsten 40% gehören zur zweiten Gruppe, die über Ersparnisse verfügt und zumeist im Eigentum wohnt. An der Spitze steht die dritte Gruppe: Diese oberen zehn Prozent besitzen fast alle Aktien, haben Unternehmen und Immobilien. Sprich: Sie wohnen nicht nur im Eigentum, sie vermieten den Wohnraum auch noch. Daher überweist die besitzlose Hälfte des Landes etwa ein Drittel bis ein Viertel ihres Monatseinkommens an die reichsten Haushalte – eine gewaltige Umverteilung, entgegen des typischen politischen Narrativs allerdings von unten nach oben.

Daran anknüpfend sind noch weitere Effekte zu beobachten: Etwa, dass sich jemand, der Eigentum besitzt, deutlich günstiger verschulden kann – weil sich Immobilien zur Besicherung heranziehen lassen. Ein überzogenes Konto kommt ungleich teurer – Geld ausborgen ist somit für jene, die keines haben, am teuersten. Weiters machen Investitionen in Infrastruktur – von der Kanalanbindung bis zur U-Bahn-Station – Immobilien in der Regel noch wertvoller. Bezahlt wird das von der öffentlichen Hand, d.h. uns allen, obwohl die Wertsteigerung nur dem Eigentümer zugute kommt.

Fälschlicherweise wird der „kleine Häuslbauer” von der Politik also als Mitte der Gesellschaft betrachtet und immer dann vorgeschoben, wenn es beispielsweise um Grund-, Erbschafts- und Vermögensbesteuerung geht. Dabei wären als „Wege zu einer egalitären Gesellschaft in Österreich” aus Sicht der OeNB genau das die drei wichtigsten Schritte (die noch dazu die mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung hätten – faire Vermögenssteuern etwa werden von 90% befürwortet). In dem Bericht (Sozialbericht 2024, Band II, Teil 4 „Privateigentum und Zugang zu Ressourcen”) heißt es dazu:

  • Eine Besteuerung der Bodenrente wird von verschiedenen Denkschulen der Ökonomie, von wirtschaftsliberal bis keynesianisch, als sinnvoll zur Finanzierung öffentlicher Leistungen angesehen. Eine Besteuerung der Bodenrente ist zentral für eine gerechte Verteilung von durch öffentliche Investitionen generierten Wertsteigerungen. Eine solche Steuer fördert eine nachhaltige Landnutzung, was sowohl den ökologischen Fußabdruck als auch soziale Ungleichheiten reduziert.
  • In früheren Generationen akkumuliertes Vermögen, das vererbt wird, nimmt relativ zu dem im eigenen Leben erarbeiteten Einkommen an Bedeutung zu. Eine Erbschaftssteuer stärkt die soziale Mobilität und Chancengleichheit, indem sie unverdiente, leistungslose Vermögenszuwächse aus Erbschaften besteuert.
  • Eine Steuer auf sehr hohe Nettovermögen ist entscheidend für den Schutz der Demokratie und das Funktionieren der Marktwirtschaft, indem sie einer übermäßigen Vermögens- und Machtkonzentration entgegenwirkt, Transparenz herstellt sowie Gerechtigkeit im Vermögensbereich fördert.

Abschließend noch zwei Aspekte zum Nachdenken:

  1. Bereits vor über einem Jahr, im April 2023, veröffentlichte ebenfalls das Momentum-Institut eine Analyse der Treibhausgas-Emissionen in Österreich. Demnach verursachen die reichsten 10% der Bevölkerung im Jahr 2019 mehr Emissionen als die gesamte ärmere Hälfte zusammen (das reichste Prozent allein rund 11%), wobei das oberste Einkommenszehntel um ein knappes Drittel mehr Emissionen als noch vor 30 Jahren verursachte und ausschließlich die untere Einkommenshälfte Emissionen eingespart hat.
  2. Die oft bemühte Phrase von der „Leistung, die sich wieder lohnen muss” relativiert sich angesichts des sog. „Fat Cat Day”: Dieser gibt an, an welchem Tag ein Topmanager brutto so viel verdient hat wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in einem Jahr. Laut AK-Analyse erreichten die ATX-Spitzenverdiener das Medianeinkommen heuer nach genau 51 Arbeitsstunden, unter Berücksichtigung von Feiertagen und Wochenenden also am 8. Jänner 2024. Durchschnittlich hatte ein ATX-Vorstandsvorsitzender rund 2,7 Mio. Euro verdient (Betrachtungszeitraum 2022) und damit 75 mal mehr als das Medianeinkommen von knapp 36.000 Euro.

Natürlich muss man berücksichtigen, dass diese Vergleiche sehr zugespitzt sind und auch aus welcher „Ecke“ sie stammen – dennoch gibt mir zu denken, wie weit ich es im Kalender verglichen mit einem ATX-Manger geschafft hätte. Rechnen Sie mal nach…

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(© Pixabay / Gerd Altmann)
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Kommentare (3)

  1. Den kleinen Häuslbauer gibt es aber sehr wohl, auch wenn Momentun das nicht glauben will. Das ist nämlich genau der, der auf extrem viel freiwillig verzichtet hat und mit Krediten sein Eigenheim gebaut hat. Und davon gibt es gar nicht wenig. Und auch nicht wenige, die nicht über 60.000 Euro Jahreseinkommen verfügen. Die haben es geschafft, weil sie auf Freizeitausflüge, Urlaube etc. verzichtet haben und neben dem Job noch mal 40 Stunden die Woche auf der eigenen Baustelle gearbeitet haben. Und genau die will man jetzt bestrafen, Gratulation. Das gleiche gilt für Famileinbetriebe, wovon es in Österreich sehr viel gibt. Die haben über Generationen einen Betrieb aufgebaut, der jetzt dann zum dritten Mal versteuert werden soll. Die vielen Leistungsbewussten, die fleißig sich etwas erschaffen haben, die gibt es bei uns in gar nicht so kleiner Zahl. Man beachte nur mal die Statistik, wie viele Klein und Mittelbetriebe es gibt. Auch die kommen dann zum Handkuß, und das nur, weil das, was sie sich aufgebaut haben, aus heutiger Sicht eben die Million überschreitet.
    Das Großkapital der Konzerne hingegen hat kein Mascherl und ist einfach per Mausklick weg aus Österreich;-)
    Anstatt den sog. kleinen Leuten wieder zu ermöglichen, sich etwas aufzubauen, werden die systematisch besteuert. Macht das Sinn? Beim Arbeitgeber dasselbe: Wenn 2 Mitarbeiter Lohnkosten von 110.00 Euro im Jahr kosten, wie sollen dann das kleine Gasthaus, das Cafe und der kleine Einzelhändler das Geld verdienen, diese überhaupt zu bezahlen? Mal abgesehen davon, was dann noch Miete, Strom, Heizung etc zusätzlich kosten? Das ist der wahre Grund, warum so viele kleine Betriebe aufhören. Als gelernter Österreicher weiß ich eines ganz genau: Wenn die Vermögenssteuer kommt, dann werden die Lohnnebenkosten nicht gesenkt, sondern der Finanzminister hat noch mehr Einnahmen. Und noch etwas: Gerechtigkeit ist für sich selbst genommen keine Kategorie. Die kann ich maximal z. Bsp. auf das Alter anwenden, nicht aber auf die Entscheidungen des Staates. Oder ist es gerecht, dass die einen mit 50 in Pension gehen und die anderen mit 65? Ist es gerecht, dass ein Gutverdiener eine Steuerquote von 55% hat? Das ließe sich beliebig weiter diskutieren, und m,an kommt an keinem Ende an.

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  2. ZITAT: „Faktum: Wer mietet, hat im Schnitt 57.000 Euro Vermögen, wer im Eigentum wohnt hingegen 463.000 Euro“
    🤯
    PS: Wo kann ich die 463.000 abheben?

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    1. So wie Wilfried Erler schreibt!
      Nicht 465.000 abheben, sondern erarbeiten.
      Viele haben sich Eigentum über Generationen aufgebaut.
      Für viele funktoniert das nur im Zusammenhalt wenn beide 40 Stunden arbeiten, Überstunden machen und dann in der restlichen Zeit am eigenen Haus arbeiten. Urlaub und sontige Annehmlichkeiten werden über viele Jahre eingespart.
      Um sich was leisten zu können muss man auch bereit sein dafür etwas zu „leisten“.
      Manche sind halt zu bequem, wollen ihren Urlaub nicht einsparen, wollen auf nichts verzichten. Für manche sind ja schon 40 Stunden in der Woche zu viel – nur so funktioniert es für die meisten halt nicht um sich ein Eigentum aufzubauen.

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