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Dienstag, 30. April 2024
Editor's ChoicePositives Signal

EU-Kommission: Kommt das Recht auf Reparatur?

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 23.03.2023 | | 6  
Die Europäische Kommission hat gestern einen neuen Vorschlag für gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Elektro-Geräten angenommen. Damit soll es einfacher und günstiger werden, Geräte zu reparieren, statt zu ersetzen, wie die Kommission mitteilte. Refurbed.at erachtet den Vorstoß grundsätzlich als richtiges Signal, dennoch bleibe der Vorschlag in seiner jetzigen Form leider hinter den Erwartungen, wie die Plattform für wiederaufbereitete Produkte sagt.

In den letzten Jahrzehnten wurde bei fehlerhaften Produkten häufig der Ersatz gegenüber einer Reparatur bevorzugt, und den Verbrauchern wurden nach Ablauf der gesetzlichen Garantie keine ausreichenden Anreize für eine Reparatur der betreffenden Waren geboten, wie die EU-Kommission kritisiert. Mit dem neuen Vorschlag soll es für Verbraucher nun einfacher und kostengünstiger werden, Waren reparieren, statt sie ersetzen zu lassen. „Darüber hinaus wird eine höhere Nachfrage den Reparatursektor ankurbeln und gleichzeitig Anreize für Hersteller und Verkäufer schaffen, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln“, schreibt die EU-Kommission und weiter: „Mit dem Vorschlag wird sichergestellt, dass im Rahmen der gesetzlichen Garantie mehr Produkte repariert werden und dass den Verbrauchern einfachere und kostengünstigere Optionen zur Reparatur von technisch reparierbaren Produkten (beispielsweise Staubsauger oder bald Tablets und Smartphones) zur Verfügung stehen, wenn die gesetzliche Garantie abgelaufen ist oder die Ware verschleißbedingt nicht mehr funktionsfähig ist.“

Fünf bis zehn Jahre Reparierbarkeit

Kunden sollen für fünf bis zehn Jahre bei herstellenden Unternehmen einfordern können, dass Produkte, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind, auch repariert werden. Doch natürlich gibt es auch bei der Eu-Kommission keine Regel ohne Ausnahme. Soll heißen, Verkäufer seien zwar zu Reparatur innerhalb der Gewährleistungsfrist verpflichtet, „es sei denn, sie ist teurer als ein Austausch“, heißt es.

Firmen sollen zusätzlich darüber aufklären, welche Produkte sie selbst reparieren müssen. Und: Auf nationalen Vermittlungsplattformen sollen sich Bürger über Reparaturdienste und Verkaufsstellen überholter Waren informieren können.

Über die Vorschläge müssen nun das Europaparlament und die EU-Staaten beraten und einen Kompromiss zu den Vorschlägen aushandeln. Bis Verbraucher von dem Vorhaben wirklich profitieren, dürfte noch etwas Zeit vergehen.

Übrigens: Natürlich soll auch die Umwelt durch das Vorhaben entlastet werden. Weniger weggeworfene Produkte führen natürlich zu weniger Abfall und geringerem Materialaufwand bei der Herstellung. Somit fallen auch weniger Treibhausgasemissionen an. Geschätzt sollen über 15 Jahre 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen und Abfall in Höhe von 3 Millionen Tonnen eingespart werden.

Hintergrund

Entsorgte Produkte sind häufig noch gebrauchsfähige Waren, die repariert werden können, aber oft vorzeitig weggeworfen werden, was laut EU-Kommission jährlich 35 Mio. Tonnen Abfall, 30 Mio. Tonnen verschwendeter Ressourcen und 261 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen in der EU zur Folge hat. Darüber hinaus wird der Verlust, der den Verbrauchern dadurch entsteht, dass sie sich für Ersatz statt Reparatur entscheiden, auf fast 12 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt.

Refurbed: „Grundsätzlich ein positives Signal“

Der Online-Marktplatz refurbed.at (der sich laut eigenen Angaben für den Aufbau einer langfristigen Kreislaufwirtschaft stark macht) erachtet den Vorstoß grundsätzlich als „positives Signal“ für die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.

Kilian Kaminski, Co-Gründer von refurbed, sagt: „Das derzeitige lineare Modell von Produktion, Verbrauch und Abfallverarbeitung ist nicht nachhaltig – viele der Ressourcen, von denen wir abhängig sind, sind endlich. Deren Ausbeutung bringt uns an die Grenzen unseres Planeten und zerstört unsere Lebensgrundlagen. Um dem entgegenzuwirken, ist der Übergang zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell, der Kreislaufwirtschaft, notwendig. Das ‚Recht auf Reparatur‘ ist für dieses Vorhaben ein essenzieller Meilenstein. Denn die Reparatur und Wiederverwendung von Geräten sollten nicht nur eine Option, sondern die neue Norm auf europäischer Ebene sein. Durch eine längere Nutzungsdauer werden weniger Ressourcen verbraucht sowie weniger Emissionen ausgestoßen.“

Hinter den Erwartungen?

Kaminski sagt zum Vorschlag der Europäischen Kommission aber auch: „Obwohl wir die guten Absichten und den Willen der Kommission sehen, das Recht auf Reparatur voranzutreiben, bleibt der Vorschlag in seiner jetzigen Form leider hinter unseren Erwartungen. Er geht zwar auf einige wichtige Aspekte ein, das ist aber nicht ausreichend, um wirklich etwas zu bewirken. Wir brauchen langfristige, fast drastische Maßnahmen, um dem Klimawandel ausreichend entgegenzuwirken. Hier spielt die Wirtschaft eine riesige Rolle – ‚Business as usual‘ darf es nicht mehr geben.”

Refurbed fordert deshalb, dass neben den Aspekten des Vorschlags weitere Elemente berücksichtigt werden:

  • Verbraucher müssen über die richtigen Informationen verfügen, um eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können. Eine Möglichkeit kann ein EU-Repair-Score sein, der die Käufer darüber informiert, ob ein Produkt repariert werden kann bzw. wie einfach und mit welchen Kosten das verbunden ist.
  • Der Reparatursektor ist nicht ausreichend entwickelt, weil er nie eine Priorität war, und das muss sich ändern. Um die Reparatur zur Norm zu machen, braucht es finanzielle Anreize, die die Reparatur erschwinglich machen. Dies kann durch eine erweiterte Herstellerverantwortung erreicht werden.
  • Der Grundsatz „Reparatur vor Ersatz” muss gesetzlich verankert werden. Der aktuelle Vorschlag ist hier nicht stark genug. Produkte müssen reparaturfähig konstruiert werden – solange Hersteller beschädigte Produkte ersetzen dürfen, wenn dies billiger als eine Reparatur ist, werden sie das Design ihrer Produkte nicht anpassen. Ist eine Reparatur nicht möglich, so sollte der Ersatz durch einen wiederaufbereiteten Artikel erfolgen.

    Kilian Kaminski, Co-Gründer von refurbed.
  • Es muss ein Verbot von Praktiken geben, die die Reparatur behindern und einschränken. Dazu gehört etwa ein Verbot von „part pairing” (Begrenzung der Reparatur durch Hardware, Software oder vertragliche Verpflichtungen). Dafür braucht es die Erlaubnis für unabhängige Marktteilnehmer, das Produkt mit Original-, Gebraucht- und kompatiblen Ersatzteilen zu warten, die kostenlose Bereitstellung der erforderlichen Reparatur- und Wartungsinformationen (einschließlich Diagnosewerkzeugen, Software und Updates) für alle Akteure im Reparatursektor sowie die Gewährleistung eines erschwinglichen Zugangs zu Ersatzteilen innerhalb eines angemessenen Zeitraums, der mindestens der erwarteten Lebensdauer des Produkts entspricht. Der aktuelle Vorschlag könnte Herstellern ein Quasi-Monopol auf Reparatur einbringen, da sie nicht ausreichend verpflichtet sind, die erforderlichen Informationen und Ersatzteile für den Reparatursektor zugänglich zu machen.
  • Der öffentliche Sektor soll als Vorbild dienen, indem er durch Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen Anforderungen und Ziele für die Verwendung reparierbarer und aufgearbeiteter Produkte festlegt.

„Wir zählen nun darauf, dass das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten im Rat diesen Vorschlag weiterentwickeln und damit ihrer Verantwortung nachkommen und somit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft leisten. Denn Kreislaufwirtschaft kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen – sowohl auf privater als auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene”, so Kaminski abschließend.

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Kommentare (6)

  1. …einfach zum Nachdenken…

    „Ohne Angaben von Gründen“ kann Ware zurück geschickt werden ( Gesetzlich O.K., da der Kunde lt. Gesetzgeber die Ware vor dem Kauf nicht in Augenschein nehmen kann ). Diese Ressourcen – Verschwendung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

    Natürlich liegt es Nahe, dass bei den geringen Margen im Onlinehandel aus Kostengründen ( bei großen Playern lässt sich auch zusätzlich ein Geschäftsmodell dahinter vermuten ) die zurückgesendete Neu ( B) Ware einfach entsorgt wird.

    … und dann gibt es ein „Recht auf Reparierbarkeit“ oder „Reparaturbonus“.

    Beide Anliegen natürlich berechtigt und richtig.
    Aber ohne Berücksichtigung der Ressourcen – Verschwendung beim Erwerb der Ware alles nur „Geschäftsmodelle“ findiger Unternehmer .

    1. Das Video oben ist super und trifft beim derzeitigen Zustand den Nagel voll auf den Kopf! Ich bin nur gespannt, wie die EU das „Recht auf Reparatur“ durchsetzen möchte. In der EU werden Elektrogeräte, dank der ach so hochgelobten Globalisierung und Förderung der Wegwerfgesellschaft, so gut wie nicht mehr erzeugt. Alle Erzeugerbetriebe in Österreich (und da gab es sehr viele) wurden wegrationalisiert, ebenso die daraus resultierende massenhafte Schrumpfung der Reparaturbetriebe. Die Produzenten in Fernost werden bei diesem EU-Recht lediglich achselzuckend freundlich lächeln und das war´s auch schon. Ich bin schon sehr neugierig, wie es jetzt weitergeht …

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  2. Juhuu! Endlich kann man dann (vermutlich 2034) sein SmartPhone oder Tablet von 2024 reparieren lassen. Würde das heute schon gelten, könnte man sein Android 4 Gerät von 2013 noch instand setzen lassen.

    Da wäre doch eine Umfrage interessant, wie vielen Konsumenten dieses Recht heute nutzen würden, bzw. wer sein Android 4 Teil heute noch reparieren lassen würde – egal um welchen Betrag. In welcher Relation das dann stehen würde und was es für Hersteller/Werkstätten bedeuten würde, Bauteile für bis zu 10 Jahre alte Geräte noch einlagern zu müssen (und dann gesetzliche Gewährleistung auf die Reparatur zu geben!)… wäre echt interessant. 👍🤪
    Und die Hersteller werden natürlich NICHT zulassen, dass jede Nasenborer-Werkstatt alle möglichen Bauteile zu einem (noch neuen) Gerät zusammenbaut und unter Preis verkauft. Denn in Ersatzteilen sind üblicherweise ja keine Entwicklungs-, Design- und Marketingkosten oder Lizenzgebühren enthalten. Somit wird „part pairing“ auch weiter bestehen bleiben (müssen) und die rechtlich vorgeschriebene Reparatur-„Möglichkeit“ wird dann beim Hersteller in Fernost erfolgen „können“. Das werden die anbieten und so mit wenig Aufwand aus dem Schneider sein. Schätze ich… und lasse mich gerne positiv überraschen.

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    1. Das Neugerät-aus-Ersatzteilen-Problem wird nur theoretisch sein: Schon vor Jahrzehnten hätte zB. ein Auto aus Ersatzteilen rein von den Materialkosten das 3-fache gekostet. Das Preisverhältnis hat sich seitdem sicher nicht verbessert – und offizielle Massenproduktion ist auch preiswerter.

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