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Samstag, 27. April 2024
Editor's ChoiceDramatischer Appell der Spartenobleute für mehr Augenmaß

KV-Verhandlungen: Forderungen der Arbeitnehmer-Seite übersteigen die Leistungsfähigkeit der Betriebe

Hintergrund Die Branche | Dominik Schebach | 14.11.2023 | |  
In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz warnten heute die drei Spartenobleute von Industrie, Gewerbe & Handwerk, sowie des Handels, Sigi Menz, Renate Scheichelbauer-Schuster und Rainer Trefelik vor überzogenen Forderungen der Arbeitnehmerseite: Diese übersteigen die Leistungsfähigkeit der Betriebe. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz warnten heute die drei Spartenobleute von Industrie, Gewerbe & Handwerk, sowie des Handels, Sigi Menz, Renate Scheichelbauer-Schuster und Rainer Trefelik vor überzogenen Forderungen der Arbeitnehmerseite: Diese übersteigen die Leistungsfähigkeit der Betriebe. (© WKÖ DMC) Die Zeichen stehen auf Sturm: Bei den Lohnverhandlungen der Metaller stockt es, die ersten Streiks finden statt. Die Handelsangestellten ziehen heute mit Demonstrationen durch Wien. Unter diesen Rahmenbedingungen haben sich die Spartenobleute für Industrie, Gewerbe und Handwerk sowie den Handel heute, Dienstag, kurzfristig mit einer dramatischen Botschaft an die Öffentlichkeit gewandt: In der jetzigen Situation übersteigen die Forderungen der Arbeitnehmer die Leistungsfähigkeit der Betriebe.
Seit Beginn 2022 kämpft der Handel mit stagnierenden bzw. rückläufigen Umsätzen.

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Sigi Menz, Obmann der Bundessparte Industrie, und Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel sparten bei ihrer Pressekonferenz nicht mit dramatischen Worten. „Wir müssen sehen, woher der Handel kommt“, erklärte z.B. Spartenobmann Rainer Trefelik für den Handel. „Wir kommen aus der Corona-Pandemie, die Einkaufsgewohnheiten der Kunden haben sich geändert, viele Betriebe sind noch immer unter dem Vor-Corona-Niveau. Diese wirtschaftlichen Gegebenheiten müssen wir anerkennen. Wenn man sich die Forderungen der Arbeitnehmer durchrechnet dann kommen wir – samt den Nebenleistungen – auf ein Plus von 14%. Das können die Betriebe derzeit nicht leisten.“

Wir kommen aus der Corona-Pandemie, die Einkaufsgewohnheiten der Kunden haben sich geändert, viele Betriebe sind noch immer unter dem Vor-Corona-Niveau. Diese wirtschaftlichen Gegebenheiten müssen wir anerkennen.

Dies gelte umso mehr, wenn man den bereits hohen Abschluss des Vorjahres miteinbeziehe. Trefelik erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass auch der stationäre Einzelhandel im Wettbewerb mit internationalen Onlinern stehe, womit diese Betriebe die gestiegenen Kosten nicht 1:1 an die Endkunden weitergeben können. Der Rückgang des Absatzvolumens bei gleichzeitiger Kostensteigerungen entlang der gesamten Lieferkette hätte bereits zu einer massiven Insolvenz- und Schließungswelle im heimischen Handel geführt. Allein im ersten Halbjahr 2023 führte der Handel mit 483 Insolvenzen die heimische Pleitenstatistik an (vor dem Bau mit 453 und dem Bereich Gastronomie und Beherbergung mit 350 Insolvenzen). Darunter waren so prominente Handelsketten wie die Leiner & kika Möbelhandels GmbH, Zentrasport Österreich, Forstinger aus dem Autozubehör- und Gerry Weber aus dem Bereich Modehandel. Dazu kommen viele „schleichende Schließungen“ im Bereich der KMU, womit immer mehr Betriebe verschwinden. „Unter diesen Umständen wird es nicht gehen, dass man auf die Rituale der Vergangenheit setzt und die wirtschaftlichen Gegebenheiten ausblendet“, so Trefelik, der deswegen auf die Vorlage eines eigenen Verhandlungsangebots verzichtet hatte.

Mit dem Rücken zur Wand

Das metallverarbeitende Gewerbe leidet besonders unter der schlechten Baukonjunktur.

Ähnlich äußerte sich Renate Scheichelbauer-Schuster. Die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO erinnerte daran, dass die geforderten Löhne von den Betrieben zuerst erwirtschaftet werden müssten: „Natürlich anerkennen wir, dass die derzeitige Situation auch für die Beschäftigten schwierig ist. Aber Geld fällt nicht vom Himmel. Nach zwei Jahren Corona sind bei vielen Betrieben keine Reserven mehr vorhanden. Die höheren Löhne müssen aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet werden – und alle Branchen im metallverarbeitenden Gewerbe hatten 2022 und 1.HJ/2023 Rückgänge bei Umsatz und Aufträgen. Diese Situation verschärft sich durch die jetzige Rezession nochmals.“

Denn die Umsatzsituation der vielen Klein- und Mittelbetriebe in den acht Branchen, die dem Metallgewerbe-KV unterliegen, war bereits 2022 dramatisch rückläufig mit einem realen Minus bis zu minus 9,3%. Im ersten Halbjahr 2023 setzte sich dieser Negativtrend fort. Alle acht Branchen hatten in diesem Zeitraum einen weiteren Umsatzeinbruch gegenüber dem ersten Halbjahr 2022. Das Umsatzminus betrug real zwischen minus 2,4% und minus 13,5%. Für die Kollektivvertragsverhandlungen im Gewerbe – welche am 20. November starten und für rund 211.000 Arbeitnehmer sowie 19.000 Lehrlinge gelten – müssten diese Rahmenbedingungen berücksichtigen. Zumal die Aussichten für 2024 eher bescheiden seien: So erwarte die Hälfte der Betriebe in dieser Sparte laut Scheichelbauer-Schuster im kommenden Jahr weitere Auftrags- und Umsatzrückgänge.  Gleichzeitig wären die Lohnkosten im Gewerbe seit 2021 um rund ein Viertel gestiegen.

Die Industrie fürchtet angesichts der Forderungen der Arbeitnehmerseite um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

„Die Betriebe schaffen das nicht. Wir stehen an der Wand und werden zwischen gestiegenen Lohnkosten, den höheren Preisen für Material sowie der sinkenden Nachfrage zerrieben“, so Scheichelbauer-Schuster. „Das ist ein toxisches Gebräu, weswegen wir wirklich kreative Lösungen, die die Leistungsfähigkeit der Betriebe im Auge behält.“

Ausweg Einmalzahlungen

Nachdem die Arbeitgeber schon im Vorjahr Verantwortung übernommen haben und trotz schwieriger Situation hohe Lohnsteigerungen akzeptiert haben, sei es deswegen an der Zeit, dass auch die Arbeitnehmervertreter sich ihrer Verantwortung bewusst werden, argumentierten daher die drei Spartenobleute.

Dazu gelte es Wahlkampfstimmung zu vermeiden und andererseits die einkommensstärkenden Maßnahmen der Regierung zu berücksichtigen. Als Ausweg schlug u.a. Industrie-Spartenobmann Sigi Menz die Möglichkeit einer steuerfreie Einmalzahlung an die Arbeitnehmer vor. Eine Variante, die bisher die Verhandler der Arbeitnehmerseite allerdings strikt abgelehnt hatten.

Menz verwies allerdings auf die Wettbewerbssituation und die ungünstige Entwicklung der Produktivität, und hofft darauf, den Arbeitnehmern die Maßnahme schmackhaft zu machen. „Wenn die Konjunktur wieder anspringt, dann wird es auch wieder andere KV-Verhandlungen geben. Aber im Moment ist die Situation extrem schwierig, aber wir wollen die Mitarbeiter halten und sie beschäftigen. Deswegen plädieren wir für mehr Sachlichkeit in den Verhandlungen“, so Menz.

Für neue Ansätze mach sich auch der Spartenobmann des Handels stark. „Die Situation für die heimische Wirtschaft ist extrem schwierig. Hier müssen wir eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird. Da helfen uns keine Dogmen“, erklärte dazu auch Trefelik abschließend.

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