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Sonntag, 28. April 2024
12. Handelsverband Standorttag

„Das neue Stationär kann mehr“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 17.10.2016 | Bilder | | 1  Archiv
Am 12. Standorttag des Handelsverbandes wurde unter dem Titel „Das neue Stationär kann mehr“ der Frage nachgegangen, ... Am 12. Standorttag des Handelsverbandes wurde unter dem Titel „Das neue Stationär kann mehr“ der Frage nachgegangen, ...

Letzten Donnerstag, den 13. Oktober, fand der 12. Standorttag des österreichischen Handelsverbandes statt. In hochkarätigen Vorträgen und Diskussionen wurde unter dem Titel „Das neue Stationär kann mehr“ der Frage nachgegangen, wie der stationäre Filialhandel in Zeiten des digitalen Wandels mit Innovationen und neuen Strategien reagieren kann, um erfolgreich zu bleiben.

Der Markt verändert sich disruptiv!“, so der Präsident des Handelsverbandes Stephan Mayer-Heinisch, der mittels einer Videobotschaft mahnende Worte aus Moskau an das Standorttag-Publikum schickte. „1.400 Geschäfte weniger, minus 270.000 Quadratmeter bei der Verkaufsfläche im letzten Jahr. Verantwortliche Manager und Politiker müssen darauf reagieren. Stadtentwicklung ist keine Rocket-Science. Es braucht nur eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Wirtschaft, um neue Strategien zu entwickeln und neue Wege zu gehen.“

In Zeiten des digitalen Wandels muss der stationäre Filialhandel also mit Innovationen und neuen Strategien reagieren, um erfolgreich zu bleiben. Hochkarätige Sprecher, wie u.a. Georg Kapsch (Präsident, Österreichische Industriellenvereinigung), Johann „Hansi“ Hansmann (Investor und Business Angel), Hannes Lindner (Geschäftsführer, Standort + Markt Beratungsgesellschaft) und Michael Rodin-Lo (Umdasch Shopfitting Group) behandelten bzw. diskutierten das Wie.

Disruptive Ideen

Der Trend geht Richtung Online. Immer mehr stationäre Händler suchen ihr Glück im Web. Dass es auch Fälle von Onlinern gibt, die ihren Webshop erfolgreich um stationäre Flächen erweitern, zeigte das vorgestellt Beispiel von Renésim, einem vormals reinen Online-Juwelier, der 2016 einen Shop in München eröffnet hat. Warum Business Angel und Innovator Hansi Hansmann in das Geschäft von Maximilian Hemmerle investiert hat erklärte er so: „Digitalisierung wird unser Leben und die Branche grundlegend verändern. Mit Konzepten aus den 90er Jahren wird man untergehen. Renesim hatte hingegen eine dirsruptive Idee, deshalb hab ich dort investiert.“  

Dass Online irgendwann nicht mehr gereicht hat und der erste Shop eröffnet wurde ist für Hemmerle eine logische Weiterentwicklung: „Wir haben das Konzept des New Luxury konsequent zu Ende gedacht. Ein stationäres Geschäft gehört für viele Menschen zu einem vollkommenen Einkaufserlebnis einfach dazu. Wir integrieren nun beide Welten.“ 

„Was jetzt verloren geht, wird verloren bleiben“

Im Anschluss diskutierten Standortexperte Hannes Lindner von der Standort + Markt Beratungsgesellschaft und Immobilienexperte Michael Oberweger von Comfort Austria über die Lagen der Zukunft. In einem Punkt waren sich beide einig: Es geht nicht mehr um Wachstum, sondern um Erhalt und Optimierung der bestehenden Flächen. Oberweger warnte deutlich vor den Konsequenzen einer veränderten Handelslandschaft: „Wenn wir es nicht schaffen die städtischen Handelsnetze und Flächen zu erhalten, werden wir in zehn Jahren sehr viel Verkaufsfläche und auch Arbeitsplätze verloren haben. Denn nicht alle E-Commerce Händler werden in stationäre Präsenzen investieren. Was jetzt verloren geht, wird verloren bleiben.“ Lindner sieht für internationale Markenboutiquen trotz hoher Mieten keine Alternative zu den teuren A-Lagen. Unabhängig von der Lage rückt er den Mensch in den Fokus. „Es geht zunehmend um die Emotionalisierung des POS und einen zusätzlichen Nutzen für den Kunden. Das zeigt sich auch darin, dass gastronomische Angebote und Dienstleistungen beim Einkaufen immer wichtiger werden.“ 

„Ein iPhone hat mehr Sex-Appeal als Blumenkohl“

Wie Lebensmittelhändler Lidl Österreich das neue Stationär vorlebt, schilderte Alexander Thurn, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des unternehmensinternen Immobilienressorts. „Öffnungszeiten, Raumordnung, Arbeitskosten machen allen im Kampf gegen Online zu schaffen. Wir haben uns aber an einen neuen Filialtyp gewagt, weil wir an stationär glauben. Was wir mit unseren Mitarbeitern können, kann kein Webshop der Welt. Lächeln, Freundlichkeit und persönliche Kommunikation funktioniert nur offline.“ Er ergänzt, dass Mitarbeiter zu finden und zu halten eine schwierige Aufgabe für einen Lebensmittelhändler ist, der im Kampf um gute Mitarbeiter auch mit anderen Branchen konkurriert. „Ein iPhone hat mehr Sex-Appeal als ein Blumenkohl“, bringt es Thurn auf den Punkt, für den sich Investitionen in den stationären Handel aber sowohl unternehmerisch als auch gesellschaftspolitisch lohnen. 

„Der Kunde geht nach links und schaut nach rechts“

Im Anschluss erklärte Handelsexperte und Unternehmensberater Thomas Vogler, mit welchen, meist leicht umzusetzenden aber oftmals nicht berücksichtigten, Kniffen, Flächen optimiert werden können. „Der Kunde geht nach links und schaut nach rechts. Machen Sie sich das Wissen um Verhalten und Psychologie zu Nutze. Sie können als Händler mit ganz einfachen Mitteln riesige Umsatzsteigerungen erzielen.“  Wie man stationär mit Garantie scheitert, ist für Vogler auch klar: „Schlechte Beratung ist der größte Supergau für einen stationären Händler.“ 

„Der Preis findet das Produkt“

Gelebte Digitalisierung im Handel stellte Umdasch gemeinsam mit Betten Reiter vor. Betten Reiter Eigentümer Peter Hildebrand hat seine Filialen auf elektronische Preisschilder umgestellt und mit Digital Signage aufgerüstet. „Bei Preisaktionen können nun auch aktuelle Aktionspreise angezeigt werden.  Das ist ein großer Vorteil für Kunden und Mitarbeiter. Der Preis findet das Produkt, egal wo das Produkt hängt, der Preis kann zentral geändert werden. So bleibt mehr Zeit für Beratung.“ Michael Rodin-Lo von Umdasch, der das Projekt umgesetzt hat, sieht noch einen weiteren Vorteil von Digital Signage: „Wir können so verstärkt Emotionen am POS erzeugen.“ 

„Nicht einmal in England funktioniert die letzte Meile“

Über den idealen Standort von morgen und die Konkurrenz aus dem Web diskutierte eine hochkarätige Runde, bestehend aus Dieter Wasserburger, REWE International AG, Franz Pöltl, EHL Immobilien Gmbh, Nordal Cavadini, Oliver Wyman AG und Joachim Will, von der ecostra GmbH. „Lage, Lage, Lage hat auch heute noch Gültigkeit, Frequenz bleibt die wichtigste Komponente. Den Online-Handel nehmen wir nicht als Konkurrenz war. Wir leben im Multi-Channel-Zeitalter, da ist es selbstverständlich, dass man den Kunden auch diese Möglichkeit anbietet“, entzauberte Wasserburger das umgehende Schreckgespenst „Online“. Cavadini sieht günstigere Rahmenbedingungen für E-Commerce Pure-Player als für stationäre Händler, trotzdem erkennt er auch online viele ungelöste Probleme: „Unternehmen die die Last Mile betreiben, tun dies noch immer mit Verlusten. Nicht einmal in England funktioniert die letzte Meile“. Trotz Online-Boom beobachtet Pöltl eine ungebrochen starke Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien. „Es gilt ‚Big is beautiful’. Die schwachen Standorte fallen raus. Überall dort wo der Kunde einen eindeutigen Nutzen hat, wird der Standort funktionieren.“

Auch zukünftig wird der weit überwiegende Teil stationär erwirtschaftet werden. Der Druck auf die Branche wird aber enorm werden. Erfolgreiche Läden werden als Destinationen erlebt. Die Ware tritt dabei in den Hintergrund. Es geht in Zukunft um den Einkauf als ein soziales Ereignis“, so Will mit Blick in die Zukunft. 

„Mit Retro-Methoden schafft man keine Arbeitsplätze“

Den Abschluss des Standorttages bildete die Keynote von Georg Kasch, CEO der Kapsch AG und Präsident der Industriellenvereinigung. Seine Rede war als Plädoyer für den Standort und für eine neue Standortpolitik zu verstehen. „Sowohl Handel als auch Industrie benötigen die richtigen Rahmenbedingungen. Jeder der wirtschaftet braucht gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Offenheit. Nur Offenheit und Freiheit führen zu Wohlstandssteigerungen. Die Freiheit geht uns aber sukzessive verloren. Wir waren noch nie so stark reguliert wie heute“, tadelte Kapsch die österreichische Regulierungswut. Er nennt eine Reihe von Bereichen in denen es dringend Optimierungen bedarf: „Die Bürokratie ist in Österreich unfassbar. Bildung ist ein ganz wesentlicher Standortfaktor, der oftmals ignoriert wird. Ich bin überzeugt, dass das Thema Arbeitnehmerschutz vollkommen neu aufzusetzen ist, um den heutigen Arbeitswelten gerecht zu werden. Eine Steuer und Abgabenquote von 44% erdrückt alle Unternehmen.“ Die Digitalisierung sieht Kapsch als Chance und als alternativlos an. „Die Digitalisierung wird auch Jobs kosten, aber es ist die einzige Chance, dass wir wieder wettbewerbsfähig werden. Aktuell wird versucht mit Retro-Methoden Arbeitsplätze zu schaffen.  Wir brauchen aber wieder eine Vision, die auch mit zeitgemäßen Maßnahmen untermauert wird.“ 

Viel mehr zum 12. Standorttag des Handelsverbandes, lesen Sie in der Novemberausgabe der E&W!

Bilder
... wie der stationäre Filialhandel in Zeiten des digitalen Wandels mit Innovationen und neuen Strategien reagieren kann, um erfolgreich zu bleiben. (Bilder: Handelsverband)
... wie der stationäre Filialhandel in Zeiten des digitalen Wandels mit Innovationen und neuen Strategien reagieren kann, um erfolgreich zu bleiben. (Bilder: Handelsverband)
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Kommentare (1)

  1. Handel

    Ich frage mich ob es Zusammenhänge zwischen Wirtschaftskraft einer Region und der Entwicklung der stationären Einzelhandelsgeschäfte gibt. In Deutschland ist der Raum Bayern sowie die Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin trotz Amazon im stationären Geschäft gut aufgestellt.
    Auffallend ist, dass die Regionen, die vom stationären Einzelhandel profitieren, auch eine gute Arbeitsmarktstruktur haben. So weist Bayern fast Vollbeschäftigung auf und Jobs gibt’s nicht nur im Einzelhandel (vgl. oberbayerischer-jobanzeiger.de ), sondern auch in vielen weiteren Geschäftsfeldern, wo Kundenberatung besonders gefragt ist.

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