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Dienstag, 7. Mai 2024
Altherrenwitz sorgt für Empörung

Auffallen um jeden Preis?

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 25.11.2018 | |  Archiv
MediaMarkt in Deutschland nahm das Phänomen „Männertage“ als Aufhänger für eine eigentlich lustig gemeinte Werbekampagne – und erntete für ein ganz bestimmtes Sujet einen beachtlichen Shitstorm. (Bild: MediaMarkt) MediaMarkt in Deutschland nahm das Phänomen „Männertage“ als Aufhänger für eine eigentlich lustig gemeinte Werbekampagne – und erntete für ein ganz bestimmtes Sujet einen beachtlichen Shitstorm. (Bild: MediaMarkt)

Das nächste Fettnäpfchen! Wirklich gut kommt das nicht an bei den Konsumenten, um die MediaMarkt zur Zeit doch so sehr kämpft. Ich spreche damit die jüngste Werbekampagne des Elektroriesen in Deutschland an, an der sich nicht nur zahlreiche Kunden stoßen, sondern auf Grund einer ganzen Menge an Beschwerden, die vorliegen, nun auch der Deutsche Werberat ... 

Ich wusste ja nicht einmal, dass es das (bzw. den) überhaupt gibt: den Weltmännertag, ein Aktionstag zur Männergesundheit, der seit dem Jahr 2000 alljährlich am 3. November stattfindet. Diesen nahm MediaMarkt Deutschland heuer zum Anlass, um bei Kantar EMNID eine Umfrage in Auftrag zu geben, bei der zutage kam: Weit mehr als die Hälfte der Männer in Deutschland, genauer gesagt 64%, erleben regelmäßige oder gelegentliche Stimmungsschwankungen – sprich: das Phänomen „Männertage“.

Mir ist ja viel eher das Phänomen „Männerschnupfen“, als „Männertage“ bekannt. Eine (aus Sicht des Mannes) „lebensbedrohliche“ Erkrankung, bei der Mann in seinem Sterbebett, äh Krankenlager, darbend nur hoffen kann, die folgenden Tage zu überstehen, und im Glauben dem Jenseits geweiht zu sein, zittrig, fiebernd am liebsten in Mamas liebevolle Obhut flüchten würde – wäre er in dieser katastrophalen Nah-Tod-Lage nicht viel zu schwach dafür. (Scherz! Übrigens: von wissenschaftlicher Seite wurde mittlerweile bestätigt, dass Männer ihre Symptome tatsächlich nicht zu übertreiben scheinen. Das männliche Immunsystem ist bei der Bekämpfung von Viren und Bakterien nämlich weniger effektiv als das weibliche, was zu stärkeren Symptomen führt. Medizinisch formuliert: „Während das weibliche Geschlechtshormon Östrogen die zur Bekämpfung von Krankheitserregern notwendigen Immunzellen stimuliert, wirkt sich das männliche hormonelle Pendant Testosteron genau gegenteilig aus und unterdrückt die Funktion von Abwehrzellen, was das Leid verstärkt“, wie die Innsbrucker Immunologin Beatrix Grubeck-Loebenstein herausgefunden hat.)

Phänomen Männertage

Zurück zum Thema: Männertage also. Stimmungsschwankungen werden ja eigentlich als typisch „weiblich“ bezeichnet. „Zick nicht so herum“, heißt es dann oft seitens der Männer. Dabei müssten sich diese (zumindest wenn es nach dem aus deutschsprachigen Medien als TV- und Video-Arzt bekannten Dr. Johannes Wimmer geht) selbst an der Nase nehmen, denn: „Auch Männer sind häufig reizbar und launisch. Und das sogar mehrmals im Monat!“ Schuld an der schlechten Stimmung sei (Anm.: auch hier) oft das Hormon Testosteron. Sinkt zum Beispiel der Testosteronspiegel durch Stress, sinkt auch die Laune – ein „Männertag“ steht bevor.  

Wie die MediaMarkt-Umfrage zeigt, leiden viele Männer darunter: In Deutschland sind es ganze 64%, die unter regelmäßigen oder gelegentlichen Stimmungsschwankungen leiden. Bei 55% der Befragten treten sie sogar mindestens einmal im Monat auf. Besonders betroffen scheinen mit 72% die 25-34-Jährigen. Mehr als jeder zweite Mann (52%) fühlt sich an solchen „Männertagen“ leicht reizbar. 45% geben an, an diesen Tagen launisch zu sein und 41% möchten am liebsten den ganzen Tag im Bett verbringen. Bei den Frauen bleibt das Phänomen nicht unbemerkt – auch diese Seite wurde im Auftrag von MediaMarkt befragt:

50% der Frauen nehmen die Auswirkungen von Männertagen bei Männern einmal im Monat oder sogar öfter wahr. Darunter sind 28% Frauen, die sehen, dass ihre Männer mehrmals im Monat Stimmungsschwankungen haben und, die sich nicht unbedingt positiv äußern. Knapp 30% der Frauen werden dann sogar wütend, wenn Männer sich so anstellen und lassen sie in Ruhe.

Shitstorm

Hier gibt es scheinbar ein Thema, das viele betrifft, dem es aber dennoch an Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit fehlt. MediaMarkt hat das nun geändert – aber irgendwie ganz anders als gewollt. Der Elektroriese in Deutschland nahm das Phänomen Männertage nämlich als Aufhänger für eine lustig gemeinte Werbekampagne (mit der Message: „Das perfekte Mittel gegen „Männertage“ sind Elektrogeräte und die Rundumbetreuung in den Media-Märkten“). Bei der Zielgruppe, den Kunden, kam das aber blöderweise gar nicht so gut an – vor allem das eine Sujet … Viele sind empört, ein gewaltiger Shitstorm zog am Onlinehimmel auf, gefolgt von heftigen Diskussionen – der Vorwurf der Kritiker lautet: Sexismus

Auf den ersten Blick ist die neue, von der Münchner Agentur „Zum Roten Hirschen” umgesetzte Kampagne nicht schlimm. In mittlerweile fast jeder deutschen Stadt sieht man die Plakate, auf denen meistens prominente Männer abgebildet sind und ganz großgeschrieben der Hashtag „#männertage“. Nur ein Plakat ist anders – ganz anders. Zu sehen ist das leicht bekleidete, verrucht tätowierte und lasziv blickende TV-Sternchen Sophia Thomalla. Sie trägt ein aufreizendes Dekolleté, die Bluse wird vor dem prallen Busen gerade noch so von einem Knopf zusammengehalten. Darunter steht der Satz: „An diesen Tagen streichelt er einfach alles, was Knöpfe hat“… ein flacher Altherrenwitz, der nun für große Empörung sorgt.

Protagonistin und TV-Sternchen Thomalla findet die Kampagne logischerweise gelungen. „Nicht nur wir Frauen gehen den Männern immer gehörig auf den Sack, wenn wir unsere Phasen haben. Männer können genauso launisch, bockig und gereizt sein. Und zwar so sehr, dass sie jetzt eine eigene Kampagne bekommen. Und ich darf Teil davon sein“, schreibt sie bei Twitter. Heißa-Juchee, so ein Glückskind! 

Klarerweise polarisiert das – und wie! Während einige User die Motive als humorvoll erachten, reagierten andere richtig empört. Die Empörung richtete sich dabei sowohl an das Modell, als auch an das Unternehmen. Ein User meint an Thomalla gerichtet: „Was genau hat Sie dazu bewogen, bei diesem sexistischen Dreck mitzumachen?“ Andere wenden sich mit ihrem Grant direkt an MediaMarkt – ua. eine Userin, die fragt: „Das ist nicht euer Ernst, oder?“ Ein Twitter-Nutzer schreibt hingegen von „mangelnder Intelligenz“ und fragt die Macher der Kampagne ganz direkt: „Teilt ihr euch alle eine Gehirnzelle?” Erheiternd ist auch der Eintrag einer deutschen Bloggerin, die von einer „Sexismuskackscheiße á la 70er-Jahre“ spricht. Bei Instagram zeigt sich eine Anwenderin richtig angewidert: „Die neue Werbekampagne von Media Markt ist auf so vielen Ebenen dumm und widerwärtig, dass man doch einfach nur noch brechen will.“ Interessant finde ich auch: Ein Blogger meinte, dass er nachher eigentlich noch zu MediaMarkt wollte, aber das hätte sich erledigt. „Was für eine Scheiße?“, waren seine abschließenden Worte. Wie Medien berichten, soll daraufhin prompt eine Antwort von Media-Markt selbst gekommen sein, mit dem Wortlaut: „Hast Du auch Deine Tage?“ (Ob das Unternehmen wirklich so reagierte, konnte ich allerdings nicht verifizieren). 

Bei MediaMarkt Deutschland scheint man die Kritik gelassen zu sehen. Es sei bekannt, dass die Kampagne aktuell in den sozialen Medien zum Teil auch kritisch diskutiert werde, hieß es seitens des Elektroriesen gegenüber Medien. Die Kampagne solle Spaß machen und Unterhaltung bereiten. Man habe festgestellt, dass der „Humor so verstanden wird, wie er gemeint ist: leicht provozierend, aber immer mit einem Augenzwinkern.“ Ich kann mir gut vorstellen, dass viele tatsächlich zu Zwinkern beginnen – nervös nämlich. Die einen, die sich fassungslos über die derbe Idee ärgern, und die anderen, die angesichts des prallen Busens von TV-Sternchen Thomalla hastig mit dem Lid zuckend ins Schwärmen geraten. 

Auffallen um jeden Preis 

Media-Markt will immer schon auffallen, klar in dem harten Umfeld. Aber um jeden Preis? Ich frage mich, ob der aktuelle Shitstorm das Ziel von Media-Markt war. Zumindest bescheren die Sexismus-Vorwürfe dem Elektrohändler und seiner Kampagne „#Männertage“ zurzeit viel Aufmerksamkeit – vielleicht mehr als gewollt, denn auch der Deutsche Werberat ist aufmerksam geworden, nachdem offenbar einige Beschwerden bei ihm eingegangen sind. Die Institution äußerte sich daraufhin sehr kritisch, das vielfach beanstandete Motiv mit Sophia Thomalla samt tiefem Ausschnitt sei „gesellschaftlich inakzeptabel„. Denn, das Sujet erwecke den Eindruck, als sei es tolerabel, Frauen an die Brüste zu fassen. Da reiche es auch nicht, dass der Satz in Anführungszeichen steht und somit Frau Thomalla zugewiesen wird, wie die Werberat Geschäftsführung deutschen Medien gegenüber mitteilte. Wäre das Plakat zu diesem Zeitpunkt noch gehangen, hätte MediaMarkt die Aufforderung bekommen, die Werbung zu ändern oder zu entfernen. Dem war aber nicht so. Das Motiv war lediglich in der zweiten Novemberwoche geschalten, wurde dann wieder zurückgezogen, das war angeblich von Beginn an so geplant.  

MediaMarkt ist übrigens nicht das erste Mal ins Visier des Werberates geraten. Im Jahr 2001 wurde das Unternehmen schon mal gerügt, weil es auf Plakaten mit einer dreibrüstigen Frau geworben hat, und das als „frauendiskriminierend“ aufgefasst wurde.   

Die Aufmerksamkeit ist dem Elektronikmarkt mit seiner aktuellen Herbstkampagne in Deutschland gewiss. Im Grunde hat man mit #Männertage aus werbestrategischer Sicht auch alles richtiggemacht: Alle reden nämlich drüber und damit hat es Media-Markt geschafft. Das hat der Händler nach einem schlechten Sommer (Am Wetter bzw. der Hitze soll es gelegen haben – echt jetzt?), mehreren Gewinnwarnungen und einer Entlassungswelle in der Führungsetage (Adieu Pieter Haas, bisheriger Konzernchef, demnächst Tschüss Mark Frese, noch Finanzchef) anscheinend dringend nötig. Ein renommiertes deutsches Fachmagazin kommentierte: „Mit dieser Kampagne will Media-Markt also wieder zurückkommen. Man darf sie als einen sehr lauten Hilfeschrei der Ceconomy-Tochter verstehen – nicht mehr und nicht weniger. Besonders viel Sensibilität kann man in der Situation wohl nicht erwarten.“

 

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